Baden vs. Berlin – das Deutschland-Finale des Copa De Jerez

Sherry Copa Jerez 2021 – die Deutschland Entscheidung in Hamburg – die Menus, alle Pairings, die Gewinner!

Was für eine schöne Geste. Zu Beginn des Deutschland Finales des Copa De Jerez, erinnert Gastgeber Pablo Calvo (Leiter Wein der Spanische Wirtschafts- und Handelsabteilung in Düsseldorf) an jene gastronomischen Betriebe und KollegInnen, die es nicht durch die Pandemie geschafft haben. Er erwähnt auch den gebeutelten Food-Journalismus, die Agenturen, sprach über die Freude darüber, dass es weiter geht und dankt allen Beteiligten und den Organisatoren des bevorstehenden Deutschland-Wettbewerbs für ihr Engagement.

v.l.n.r.: Vincenzo de Biase, Raffaele Cannizzaro, Dr. Ulrich Sautter, Patryk Döring, Peer F. Holm, Maria Rehermann, Michael Kutej, Pablo Calvo, Clemens Rambichler (Foto: D.Jakobi)

Für die allermeisten sind die verschobenen Finals tatsächlich der erste offizielle Live-Pressetermin seit dem Frühjahr 2019. Nicht nur deshalb freue ich mich, an diesem sonnigen Sommermorgen in der Küche des Atlas in Hamburg zu stehen: seit über zehn Jahren schreibe ich über Sherry, habe die spanischen Weinberger in und um Jerez de la Frontera in Andalusien mehrfach besucht und bin… ach was, ich liebe Sherry.

Die Ausnahme-Wein, die überwiegend aus der Palomino Fino-Traube und im Solera-Ausbauprozess entstehen, machen die verstärkten Weißweine aus dem Süden Spaniens in ihrer Vielfalt zu exzellenten Speise-Begleitern, gerade auch zu Gerichten, bei denen klassisches Wein-Pairing auch mal an seine Grenzen stößt. Als Koch ist Sherry für mich zudem eine Offenbarung in der Küche, insbesondere Saucen blühen geradezu auf, Umami! Treue LeserInnen wissen: in vielen meinen Kochbüchern wird gerne auch die Arbeit mit Sherry empfohlen.

Heute arbeiten andere, zwei der sechs Teams, die sich für den Copa de Jerez, den großen, internationalen Sherry Preis beworben haben, treten heute in Hamburg gegeneinander an. Die Teams aus Koch und Sommeli(èr)e haben sich mit einem gemeinsam erarbeiteten Food/Wine-Pairing in drei Gängen beworben. Das Sieger-Team an diesem Tag, vertritt Deutschland beim Finale in Jerez und tritt gegen die Teams aus sieben anderen Ländern an.

Die Teams

Maria Rehermann und Patryk Döring (Foto: D.Jakobi)

Zwei Teams werkeln bereits konzentriert in der Küche, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Links das junge Berlin, Souschef Patryk Döring und Chef-Sommelière Maria Rehermann aus dem BRIKZ, dem neuen Restaurant von Arne Anker, der es zuvor im Pauly Saal zu internationalem Renommee brachte und Mitten in der Pandemie das BRIKZ startete.

Raffaele Cannizzaro und Vincenzo De Biase (Foto: D.Jakobi)

Auf der rechten Seite, Chefkoch Raffaele Cannizzaro mit Chef-Sommelier Vincenzo De Biase (Sommelier des Jahres 2016, Schlemmer Atlas) vom Colosseo Restaurat im Ressort Europa-Park. Handwerk und Erfahrung geben sich hier die Hand. Cannizzaro erkochte im Laufe seiner Karriere mehrfach einen Michelinstern und arbeitete in Häusern wie Alain Ducasses Le Louis XV., Hôtel de Paris, in Monaco. Es wird spannend.

Die Jury

Dreisternekoch und Jurymitglied Clemens Rambichler (Foto: D.Jakobi)

Gast-Juror und 3-Sternekoch Clemens Rambichler vom Waldhotel Sonnora in Dreis bereichert in diesem Jahr die Jury unter Vorsitz von Peer F. Holm, Präsident der Sommelier Union und zertifizierter Sherry-Experte, ein echter Sherry-Botschafter von lässiger Herzlichkeit. Neben Gastgeber Pablo Calvo, sitzen in diesem Jahr auch Michael Kutej (Gastgeber Hanse Lounge Hamburg) und Dr. Ulrich Sautter (Chefredakteur des Magazins Falstaff Deutschland) in der Jury. Hier der Link zum Regelwerk des Wettbewerbs.

Peer F. Holm, Pablo Calvo, Dr. Ulrich Sautter, Michael Kutej, Clemens Rambichler (Foto: D.Jakobi)

Die erste Runde - Vorspeisen

Foto: D.Jakobi

Der Wettbewerb beginnt mit einem sensationellen Teller von Raffaele Cannizzaro. Sein gerösteter Pulpo hat Referenzqualität, getoppt mit einer frischen, eleganten Salzzitronen-Ingwer-Gremolata mit Chili und Mango, Piment D‘Espelette. Die violetten Auberginen wurden im Ofen gebacken, gelackt mit einer Mischung aus Shoyu, Tomatensirup und Honig. Gerahmt ist alles von einer saftigen Tomatenvinaigrette mit fleischigen Tomate Concasèe, alles ist angerichtet auf kühlem Joghurt mit Olivenöl, geschmorte Taggiasca Oliven setzen salzige Akzente. Bäm! Der herrlich kühle Don Zoilo Fino DO Jerez Sherry der Wiliam & Humbert Collection addiert eine würzige Frische und ist hier eine sichere, von Chef-Sommelier Vincenzo De Biase wohl gewählte, Begleitung.

Foto: D.Jakobi

Foto: D.Jakobi

BRIKZ Souschef Patryk Döring startet mächtig mit einer Steinpilz-Espuma, unter der sich konfiertes Eigelb mit samtiger Topinambur vermählt, getoppt mit perfekt geratenen Steinpilzen. Schnittlauchblüten setzen spannende scharfe Akzente. Dazu gibt es knusper-splittriges, sardisches Pane Carasau.

Foto: D.Jakobi

Eine Seligkeit, zum Weglöffeln gut, die stark auch vom Zusammenspiel mit dem kühlen Sherry El Tresillo Amontillado der Bodega Emilio Hidalgo erfrischt und beflügelt wird. Ein exzellentes erstes Pairing, ausgesucht von Chef-Sommelière Maria Rehermann. Der nussige, hochprämierte Weltklasse-Sherry stammt aus der ältesten Amontillado Solera von 1874, die Bodega Emilio Hidalog ist ein Familienbetrieb, der seit 1792 in Sanlucar de Barrameda beheimatet ist.

Die zweite Runde - Hauptgänge

Sommelier Vincenzo De Biase, Foto: D.Jakobi

Raffaele Cannizzaro überrascht mit der Neuinterpretation eines Klassikers, auf den sich sichtbar alle Juroren freuen. Tournedos Rossini „Auf unsere Art“. Basis ist hier Black Angus Filet, natürlich perfekt gebraten und von grandioser Qualität, getoppt mit gebratener Gänseleber und einer Nocke piemontesischen Battuta, handgeschnittener Tatar. Konfierte Pilze begleiten den Turmbau, dazu gedünstete und geflämmte Cevenne Zwiebel und eine a la minute (!) Jus  aus Pilzfond, Sherry, Basamico und Herbsttrüffeln. Ein handwerklich meisterlicher Teller, den der Apostoles VORS 30 Jahre DO Jerez Sherry der Bodega Gonzáles Byass von Vincenzo De Biase nachdrücklich unterstreicht. Ein Vergnügen.

Foto: D.Jakobi

Überraschend klassisch auch der Teller von Patryk Döring: Lammkeule und Rücken, perfekt gebraten und von gelungen tiefer Salzigkeit und leichter, dabei würziger Jus, an einem Streifen Polenat der mit Kalamata Oliven, schwarzen Oliven und Fenchel belegt und aromatisiert wurde. Süßwürzig dazu die in Oloroso Sherry geweichten Pflaumen.

Foto: D.Jakobi

Der Sherry dazu, kommt aus einer meiner Lieblings-Bodegas, die ich zuletzt 2017 besuchte: ein Oloroso VORS der Bodegas Tradicion – was für ein Duft alleine, Orangenblüten, karamelisierte Nüsse, im Mund beinahe schokoladig – mit einer erfrischenden, perfekt eingebundenen Säure – das kann nur Sherry und das hier ist ein komplexes Wunderwerk.

Sommelière Maria Rehermann, Foto: D.Jakobi

Die dritte Runde - Desserts

Foto: D.Jakobi

Die Desserts zeigen handwerkliche Brillanz auf beiden Seitenm beide fallen aber arg süß aus. Der Teller aus Baden beeindruckt mit perfektem Baba, der würzig getränkt wurde, mit einem Sirup aus Limetten und Zitronenschalen, Honig und Zimt, zuletzt mit Sherry aromatisiert. Dazu gegrillte Ananas und ein Confit von Mango, Passionfrucht und Honig, cremig getoppt mit Vanille-Creme Double. Dazu addiert die charakteristische würzige Süße des Pedro Ximenes DO Jerez Sherrys der Bodega Lustau.

Foto: D.Jakobi

Die intensive Orangen-Sabayone der Kontrahenten ist ebenfalls von schwerer Süße (bei maximaler Luftigkeit!), dazu Bergamotten-Gelee ein exzellentes Holunderblüteneis, und karamellisierte Schokolade. Das ist alles eine süße Wucht, die nur leicht durch einen Hauch Zitrone und (ziemlich genial) Sauerklee abgefedert wird. Der Moscatel Promesa vom Weingut Valdespino ist für sich ein Gottesbeweis, vielschichtig und von lebendiger Frische, süß auch, ja, aber von einer Würze, Fruchtigkeit und Blumigkeit mit balsamischen Akzenten – ein echter Meditations-Sherry, perfekt temperiert ins Glas gebracht von Maria Rehermann.

Fazit

Die Jury berät lange, hat es nicht leicht und macht es sich nicht leicht an diesem Nachmittag. Zwei hochkarätige Teams die ihre Hausaufgaben gemacht, und den Wettbewerb mit Bravour gemeistert hatten. Dazu, für mein Empfinden, zwei Küchen, die eigentlich nicht vergleichbar sind. Auf der einen Seite Chef Raffaele Cesare, ein souveräner  und erfahrener Handwerker mit seinem gelungenen Entwurf moderner Klassik, viele stimmigen Komponenten, in absoluter Perfektion auf die Teller gebracht.

Kniffelige Aufgabe: Rambichler, Holm, Calvo, Kutej im Hof des Atlas, Foto: D.Jakobi

Auf der anderen Seite Patryk Döring und ein konzentrierter Berliner Minimalismus, dessen Raffinesse sich in den Details entfaltet. Was mir insgesamt fehlte, war mehr Mut zu überraschenden Kontrasten und aromatischen Spannungen, an denen man sich auch reiben kann. Beide Teams strebten hier eher nach (gelungener) Harmonie, weitestgehend klassisch, dabei gekonnt, auf Augenhöhe.

Die Entscheidung der Jury

Und so entschied sich die Jury letztendlich auch für das Team, bei dem das Sherry-Pairing einen Hauch gelungener, pointierter war.

Herzlichen Glückwunsch! Foto: D.Jakobi

Sommelière Maria Rehermann holte mit Patryk Döring den Titel nach Berlin! Sie vertreten Deutschland beim internationalen Finale im November in Jerez, zu ihren Kontrahenten gehören dann Teams aus Dänemark, den Niederlanden, Belgien, Spanien, Großbritannien und den USA. Noch nie holte ein deutsches Team den Titel nachhause und ich drücke alle Daumen.

Die Feier

Der Tag endete mit einer großen kulinarischen Sherry-Reise im Restaurant Nil. Sommelière Elisabeth Füngers und Peer F. Holm servierten im Namen der GastgeberInnen echte Schätze und Ausnahme-Sherry zum mehrgängigen Menü der Nil-Küchenmannschaft.

Nudelglück im Nil

Ohne zu wissen, welche Sherry-Weine zu welchem Gang geöffnet werden würden, zeigte das Nil mit seiner kreativen, minimalistischen Produktküche, die Möglichkeiten, die Sherry bietet. Mein persönliches Highlight waren die sensationellen Orecchiette in einem würzigen Sud mit Salsiccia, Fenchel, Kapern und Oliven, Knoblauch, Olivenöl. Alles zuviel eigentlich, alles super stimmig und wo jeder Wein in die Knie gehen würde, war Sherry eine Offenbarung.

Der funkelnde Abend zeigte darüber hinaus wieder einmal die Stärke des Nil: wo gibt es das noch, ein Restaurant das über Jahrzehnte nur dem eigenen Anspruch verpflichtet, immer eine verlässliche, unaufgeregt und lässige Adresse ist. Dass sich dabei immer neu erfindet, ohne je Gefahr zu laufen, modisch zu werden. Chapeau und Dank!

Weiterlesen

Die Beschäftigung mit Sherry ist eine Bereicherung für Küche und Tisch. Wer Lust bekommen hat startet am besten ganz einfach mit einem gut gekühlten Fino, ein paar Oliven, ein bisschen Käse – zum Einstieg oder zur Vertiefung hier ein paar Links zu Reportagen und Foodparing Ideen von mir:

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