Revisited: bleibt alles neu im Heimatjuwel

Seit 2016 gibt es das Heimatjuwel, eine der ersten Adressen Hamburgs, wenn es um die neue nordische Küche geht. Regionalität und Saisonalität prägen die Küche von Marcel Görke und seinem Team, sein Entwurf einer jahreszeitlichen Naturküche ist dabei immer unverkrampft süffig und von handwerklicher Exzellenz.

Im Herbst gab es ein Makeover der Räume, ein willkommener Anlass für einen Besuch, es ist viel zu lange her! Hell und licht präsentiert sich der neu gestaltete Gastraum mit seinem behaglichen Chambre Separée in frischen, freundlichen Pastelltönen. Die dunklen Tische sind verschwunden, helles Holz und skandinavische Gradlinigkeit prägen das Restaurant. Toll!

Auftakt

Sauerteig-Kohl Brot wird aufgetragen und geräucherte Butter, dazu drei filigrane Miniaturen aus der Küche, die direkt das handwerkliche Niveau auch von Görkes jungem Küchen-Team (mit Florian Gille, Gökhan Dogan und Theodor Brandt) aufzeigen: zartsplitternde Miniaturröllchen mit Lauchcreme, ein salziger Kracker mit eingelegten Kirschen des Sommers.

Snacks aus dem „Wilkenshoff Gemüsegarten“

Und nicht zuletzt: ein umwerfend gutes lauwarmes Käse-Kimchi-Tartelette – Görke ist im Norden verortet, dabei kulinarisch durchaus in der Welt zu Hause.

Die Weinbegleitung von Gastgeberin und Sommelière Sandra Ureidat (im Service auch die freundlich-charmante Filiz Yaman) startet ganz in meinem Sinne auch mit einem Pet Nat zur Auswahl, die neuen Biodynamischen- und low intervention Weine sind immer eine spannende Bereicherung und hier zeigt ein knallfrischer und knochentrockener Sonnenschein im Glas, wie gut diese Weine heute sein können. Aus der Südsteiermark kommt der Yoko von Josef und Barbara Krenn: Birne, Marillen, eine erfrischende Grapefruit und dieses raffiniert salzige Finale auf der Zunge!

Die Gänge unseres Menüs sind mit Natur- und Farb-Assoziationen betitelt, darunter jeweils die Hauptzutaten gelistet. Ich mag das Poetische daran – und ich schätze die kulinarische Neugier und Vorfreude, die nur die Nennung der Produkte hervorruft.

APFELGRÜN

Ach. Sie mögen keinen Rosenkohl? Görke macht daraus eine federleichte Minature mit Wilkenshoffer Rosenkohl von knackig bis cremig. Süße, weiche Rosinen und Senfkaviar setzten Akzente, die Kombination mit Kaffee im durchscheinenden Chip ist genial.

So frisch kann Winter schmecken – tatsächlich fallen an diesem Abend vor den Fenstern des Restaurants dicke Schneeflocken gemächlich zu Boden.

HERBSTLAUB

Der Grüne Sylvaner 202 von Battenfeld Spanier, VDP. Gutswein in Bio ist ein frischer Anschlusstreffer mit Charakter, saftig, birnenfruchtig, kräutrig und einer stimulierenden Herbe. Ideal zum samtigen Kürbistaler unter cremiger Sanddornsauce mit schwarzer Walnuss.

Die neue nordische Küche gibt sich oft spröde und minimalistisch, hier ist ein Teller von seelenwärmender Süffigkeit, „ein echter Schlotzer“, ruft der Schwabe in mir!

RUBINROT

Das gilt auch für den folgenden Gang, einem zartrubinrotem Türmchen, dass sich bei der kleinsten Berührung in cremiges Meerrettich-Wohlgefallen auflöst, mit stückiger Roter Bete und drumherum ein Sößchen auf Basis von Pumpernickel Brot genial!

Ich habe erst vor ein paar Jahren und über Juan Amador die erstaunlichen Einsatzmöglichkeiten von Pumpernickel in der Küche entdeckt – Görkes Sauce ist, in ihrer warm-süßen Herbheit eine Götterspeise, gerade zum filigranen Bete-Türmchen.

HIRSCHBRAUN

Im Hauptgang haben wir den Fleischgang gewählt, Fleisch (und gerade auch Wild), von Meisterhand zubereitet ist für mich immer noch ein ganz besonderer Genuss. Und hier kommt ein Hirschfilet aus der Lüneburger Heide, in einer Perfektion, ich habe nicht mal eine Ahnung wie sowas geht, einen Hirschen Im Brotmantel derartig auf den Punkt zu garen.

Der Brotmantel hauchzart und knusprig wie Toast, das Fleisch dann entgegen der Mode eben mal nicht Sous vide, sondern mit Hitze gegart, mit Struktur und Biss. Ein Erlebnis dazu die Steinpilzcreme, die ihr Grau stolz trägt, ein saftiger Raviolo mit Hirschkeulen-Ragout gefüllt, eine tief-würzige Sauce, was für ein Genuss.

Fleischgang des Jahres für mich.

FEIGENBLAU

Und weil ich es nicht so mit Desserts habe, wähle ich wie immer den Käse-Gang. Es ist überhaupt jede Köchin und jeder Koch extra zu loben, der die gute Tradition des Käsedesserts noch pflegt.

Vor meinen Käse hat der kluge Herr Görke aber ungefragt ein Zwischendessert gesetzt, das mich lehrt, nicht allzu pauschal das süße Finale zu übergehen. Herrjeh, was für ein fluffig-samtiger Knödel badet da in Vanilleschaum mit kalt gerührten, knackig-säuerlichen Preiselbeeren. Österreich und Südtirol schweigt andächtig.

Auch richtig gut, die bitterzarte, süß-säuerliche Terrine von Radicchio und Sellerie, ein filigran-würziges Mille Feuille, grandios zum Friesisch Blue vom Backenholzer Hof, mit eingelegten Bärlauch Knospen.

Fazit

Mit süßem „Naschkram“ endet unser schöner Abend im Heimatjuwel, dass seine alten Stärken zu pflegen weiß: eine saisonale Naturküche mit den kulinarischen Schätzen des Nordens und von größter Präzision und Handwerk, dabei zugänglich, überraschend, behaglich und warm.

Görke ist in Hochform und ein heißer Anwärter für einen neuen Guide Michelin Stern in der Hansestadt – der wäre hier angebracht! Bis dahin freuen wir Hamburger uns einfach still über dieses Kleinod an großer Küche. Bleibt alles neu im Heimatjuwel.

Heimatjuwel

Stellinger Weg 47
20255 Hamburg

heimatjuwel.de

Dienstag – Donnerstag, 18 – 23:00 Uhr

Freitag – Samstag, 17 -23:30 Uhr

Sonntags und montags geschlossen.

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