Meister und Schüler revisited – Four Hands Dinner mit Robert Stolz

Zurück in der Küche für einen gemeinsamen Menüabend mit Nordic Cuisine-Pionier Robert Stolz - eine kulinarische Reise auch zurück in meine Lehrzeit…

Selbstverständlich habe ich sofort nein gesagt, als Robert Stolz mich Anfang des Jahres einlud, zu einem Vier-Hand Dinner in seinem Restaurant Robert Stolz eat.share.live in Plön. Zuviel der Ehre. Robert Stolz ist einer der frühen Pioniere der Nordic Cuisine in Deutschland, der regional geprägten nordischen Küche. Seit mehr als 20 Jahren geht er diesen Weg, lange bevor das modern und modisch wurde.

In der Küche des vielfach ausgezeichneten Spitzenkochs (erster Micheln Stern 1997!), gaben sich schon Gastköche wie René Redzepi (Noma, DK), Esben Holmboe Bang (Maaemo, N), Paul Cunningham (Kirkeby Krog, DK) oder Magnus Ek (Oaxen Krog, S) und Søren Selin (AOC, DK) die Ehre.

Und jetzt also der Paulsen. Natürlich habe ich mehrfach dankend abgelehnt. Kochbuchautor mit Sterne-Gastronomie-Erfahrung, freilich in einem anderen Leben, einem anderen Jahrhundert mittlerweile. Natürlich habe ich nein gesagt. Und Robert hat nicht lockergelassen. Und wieder gefragt. Und nochmal.

„Stevan, ich habe Dir das beigebracht!“

Und irgendwann hat er dann den entscheidenden Satz gesprochen: „Stevan, ich habe Dir das beigebracht!“

Das ist richtig, darum war ich eingeladen und darum haben ich letztendlich auch alle berechtigten Bedenken über Bord geworfen und zugesagt, denn: Robert Stolz war auch mal Souschef im Restaurant Waldhorn in Ravensburg, bei Chefkoch Monsieur Albert Bouley. Wilde Zeiten. Auf dem Entremetier-Poste für Beilagen zuständig damals: ein gewisser Juan Amador. Ich war da Lehrling.

Albert Bouley, Ende der 1980er Jahre in der Küche seines Restaurant Waldhorn († 2013)

Es war eine prägende Zeit bei Albert Bouley, einem der ganz großen Meister unter den deutschen Spitzenköchen. Sein vielfach ausgezeichnetes Restaurant Waldhorn mit dem gleichnamigen Hotel in Ravensburg war, insbesondere in den 80er und 90er Jahren ein Wallfahrtsort für Gourmets – Bouley verwob als einer der Ersten Produkte und Zubereitungen der japanischen und chinesischen Hochküche mit Elementen der klassischen Nouvelle Cuisine der 70er und 80er Jahre.

Auf dem Rotisseur-Posten, streng, aber gerecht: Robert Stolz.

Nachdem Robert und ich uns, viele Jahre später, bei einer Küchenparty von Nils Henkel auf Schloss Lehrbach wiedertrafen, begann ich neuerlich von ihm zu lernen. Bei Besuchen, in Gesprächen, bei gemeinsamen Abend in Restaurants. Meine Philosophie des Salzens, die ich in meinem Buch kochen. beschreibe, basiert beispielsweise auf Erkenntnissen und Ideen die mir Robert vermittelte.

Zurück in der Gegenwart - der Abend, das Menü

Ein Abend also, an dem Lehrmeister und Schüler etwas später im Leben nochmal zusammenkommen um, durchaus auch im Geiste und zu Ehren Monsieur Albert Bouleys, miteinander zu kochen. Jeder zwei Snacks/Amuse und drei Gänge.

Der hier rechts bin ich, hier mit Kollege Edi, Grüße gehen raus!

Ich habe also ja gesagt. Und ab diesem Moment ist mir der Hintern aber sowas von auf Grundeis gegangen. Monatelang wälzte ich gedanklich Ideen zu meinen insgesamt fünf Menübeiträgen. Und dann ging es los, mit anderthalb Tagen vorkochen. Ich wollte alles fertig haben, nur noch erwärmen, finalisieren, anrichten. Es sollte sich herausstellen: gute Idee!

Die Eichentische im Restaurant Stolz und Zwei, die sich schon länger kennen bei der Begrüßung der gemeinsamen Gäste.

Ausverkauft war eigentlich direkt, 20 Gäste an den mittlerweilen zwei großen Eichentischen bei Robert Stolz eat.share.live. Erhöhte den Druck nur subtil. Auf der Gästeliste auch alte Bekannte, neuere Weggefährten und dankenswerter Weise auch Kerstin von der Elbkombüse, der wir die Bilder zum Abend verdanken, da wäre ich jetzt nicht mehr zu gekommen – danke Dir Kerstin!

Die Snacks

Eingelegte Kirschtomaten Altes Land mit fermentiertem Rettich auf Meerrettich-Schmand (Stevan)

Mit diesem Amuse Geule wollte ich meinem Gastgeber gleich zu Beginn die Ehre erweisen. Mein Auftakt geprägt von Roberts Philosophie der nordischen Regionalität, der puristischer Klarheit.

Eingelegte Kirschtomaten mit fruchtiger Süße, der fermentierte Rettich dazu erdig-würzig und beides auf einer kühlen Meerrettichcreme mit der allerletzten Pimpinelle von unserem Balkon in Hamburg.

Faux Gras auf geröstetem Brioche mit Dörrobst-Chutney (Stevan) 

Der „Brioche“ natürlich mein mittlerweile legendärer Wunderteig, Ehrensache! Dazu die Weiterentwicklung meiner Faux Gras an der ich jetzt auch schon bald ein Jahr immer wieder mal rumjustiere: als reine Butter mit einer gewürzten (wie, zeige ich im nächsten Kochbuch) Lauch-Dashi-Portwein-Reduktion geschmacklich schon nahe dran, aber mir fehlte noch Substanz.

Die hatte ich jetzt in Form von langsam geschmorten Kräuterseitlingen reingearbeitet. Mir wars am Ende nicht seidig und fein genug, ich hab halt keinen Thermomix zuhause. Ich bleib dran, da geht noch was!

Bierkartoffel mit Sc. Tatar und Ofenzwiebeln (Robert)

Die Bierkartoffel ist Klassiker von Robert, im Craftbeer-Sud gegart, das riecht beim Garen interessant, auf dem Teller sind die Knollen eine Offenbarung!

Grandios in Kombi mit einer süffigen Sc. Tatar und lange geschmorten, roten Ofenzwiebeln.

Entenleber Parfait mit Quittenchutney (Robert)

 

Meiner falschen Foie schickte Robert ein perfektes Entenleber-Parfait hinterher.

Das Quittenchutney dazu genial: kühl, erfrischen, fruchtig- herb, kaum Süße. Chutney neu gedacht.

Das Menü

Maronen-Ingwerschaumsuppe mit gebeizter Forelle Shichimi Togarashi (Stevan)

Arbeitstitel: Betonsuppe, wegen der Farbe. Schmeckt aber und ich habe der nussigen Schwere der Maronen japanische Leichtigkeit in Form von Sake und Ingwer hinzugefügt. Das war beim Vorkochen perfekt, am Abend selbst fehlt noch ein letzter Kick. Robert probierte und wies mit kollegial den Weg zur Flasche mit Verjus. Yes!

Die Lachsforellen vom Forellenhof Benecke in der Lüneburger Heide habe ich nur über Nacht mit Sake, Salz-Zuckermischung, Sishimi Togarashi-Pfeffer und Koriander gebeizt, vor dem Servieren einmal warm gezogen.

Königsberger Klops mit Rote Bete & Topinamburschaum (Robert)

Das kommt direkt in meine selten geöffnete Rubrik der Götterspeisen, auf Instagram unter dem Hastag #somebodyfeedpaulsen zu finden. Roberts Version eines Königsberger Klops ist nicht nur optisch eine Schau, da kommt alles genial zusammen:

Der fluffige Kloß aus Rinderhack mit in Butter geschmorten Apfel-Zwiebeln, verschwindet unter einem cremigen Mäntelchen von Topinambur-Schaum, getoppt mit Kapern und umschmeichelt von einer klassischen Petersiliensauce, wie wir es mal gelernt haben. Das ist so schön und köstlich und irgendwie irre deutsch und dabei doch modern und leicht.

Sauerteigbrot mit Feigensenf, Röstzwiebelcreme & gereiftem Schinken (Robert)

 

Der Brot-Gang ist bei Robert eine verschwenderisch komponierte Superstulle aus geröstetem Dinkel-Sauerteigbrot, dick bestrichen mit Sellerie-Röstzwiebelcreme, dazu polnischer Gurke, Senf-Kaviar, Sellerieasche und extra lang exklusiv für ihn gereifter Roh-Schinken aus der Blume.

Dazu gabs wahlweise ein Craftbeer, wie überhaupt mal die Getränkebegleitung mit ausgesuchten Weinen, Shrubs, diversen Bieren und hausgemachten Säften alle Gäste abholte und Freude machte.

Federkohl in Dashi mit Ziegenfrischkäse & Aubergine Nasu Dengaku (Stevan)

Ich liebe Federkohl, die garfreudige Schwester des hartleibigen Grünkohls. Albert zu Ehren habe ich das mit einem klassischen japanischen Dashi gewürzt, in dem ich zusätzlich noch ein paar gehackte und gesalzene Tomaten mitgezogen hatte. Die Kombination aus dem subtilen Raucharoma durch die Kastsubushi-Flocken im Tomaten-Dashi zusammen mit dem Federkohl und guter Butter hat ziemlich gut funktioniert.

Die kühle frische Ziegen-Frischkäsecreme gab die Brücke zwischen dem heißen Kohl und der Miso-Aubergine Nasu Dengaku, klassisch zubereitet nach einem Rezept von Frau Yoko Higashi, Sushi Meisterin und Inhaberin des Restaurant Yoshi im Alsterhaus in Hamburg. Ich hab noch Walnüsse zugegeben, weil die grade so toll sind.

Konfierte Entenkeulen mit weißer Bohnen-Sellerie-Creme, Moosbeerenkompott & Miso-Pilz-Jus (Stevan)

 

Konfierte Entenkeule möge man mir bitte als Henkersmahlzeit reichen. Hier Barbarie-Entenkeulen, die ich erst in Salz mit Gewürzen und Kräutern 24 Stunden gebeizt und dann im ersten Gänseschmalz des Jahres vom Geflügelhof Schönecke stundenlang konfiert habe.

Die Selleriecreme nochmal eine Verbeugung vor Monsieur Albert Bouley: im Ganzen gegarter Sellerie, Creme Fraîche, Zitrone, Salz –  thats it seit 1989! Ich habe noch weiche weiße Bohnen dazu getan, weil ich weiße Bohnen liebe und da nochmal so eine feine Samtigkeit und Würze beisteuert.

Gereifter Bergkäse mit Thymian-Birne & gerösteten Bucheckern (Robert)

oder

Zitronen-Waffel mit Walnussmousse & Zimteis (Robert)

Die Kompott-artig gekochten, kühlen Stücke von geschmorter Birne mit Thymian kombiniert Robert mit einem Deichkäse, der derart gereift im Handeln noch nicht erhältlich ist. Basis des Tellers ist eine Käsecreme aus eben diesem Käse, der Deichkäse kommt zusätzlich auch gehobelt dazu.

Es folgen eine bemerkenswerte Anzahl an Kräuterspitzen, Nüssen, Bucheckern, Blüten und Dolden, in Butter gerösteten Crouton – nichts ist hier willkürlich oder nur der Optik geschuldet – dieser Käse-Gang begeistert und überrascht stimmig mit jeder Gabel.

Und dann fängt Robert, kurz vor dem Finale an, frische Waffeln für seine Gäste zu backen. Für einen weiteren Teller der tausend Handgriffe, ein warm-kaltes Vergnügen mit Walnussmousse und dem besten Zimteis, dass ich je aß: nicht so süß, genau richtig, samtig in der Konsistenz und gemacht aus frisch gemahlener Zimt-Rinde. Riesenunterschied. Leider ohne Foto, müsst ihr unbedingt selber hin!

Fazit

200 Teller spätere, ist es natürlich an den Gästen, ein Fazit zu ziehen. Ich kann jedoch berichten, dass wir für den Abend viel ehrliches Lob und Applaus erhalten haben. Persönlich hat mich dieser Ausflug in die gehobene Gastküche inspiriert und herausgefordert. Nach dem ersten Amuse-Bouche ließ die Aufregung nach und ich habe den Abend genossen, das Tempo, die Interaktion mit den Gästen. Vor allem spürte ich den alten Spirit, der mich einst dazu bewegt hat, Koch zu werden.

Die Kreativität, die Schnelligkeit, die Zusammenarbeit mit dem Ziel, den Gästen einen besonderen Abend zu bereiten, macht mir heute noch Freude, merkte ich, mit dem Wissen von heute vielleicht noch mehr als damals.

Der Abend hat mir auch wieder ein Stückchen mehr Demut gelehrt. Ich habe aber ohnehin großen Respekt vor der Arbeit in der Gastronomie und erfreue mich immer wieder an den Leistungen eines gut eingespielten Küchen- und Service-Teams. Was für ein Zauberwerk der tausend Details!

Danke Dir Robert, für die Einladung und die Gastfreundschaft! Ein großer Dank geht auch an Julia und Jeannette aus dem Service, die einfach alles können: servieren und kommunizieren, einschenken und anrichten, gerne auch alles gleichzeitig. Und natürlich möchte ich mich bei unseren Gästen bedanken, die uns mit ihrem Zuspruch und ihrer Begeisterung auch in der Küche ein Fest bereitet haben!

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