Wiederbesucht: Restaurant Jante, Hannover – nordische Ideen und französische Lebensfreude

Im Ursprung mag die Küche des Zweitsternes Jante nordisch-regional sein, es ist aber immer auch ein gutes Quentchen französische Vollmundigkeit dabei. Ein Besuch.

Foto: Jante

Das Restaurant Jante von Küchenchef Tony Hohlfeld und Sommelière Mona Schrader besuchte ich 2017 erstmals, damals für die Süddeutsche Zeitung. Sechs Jahre und eine Pandemie später klappt es endlich mit dem Wiederbesuch.

Längst haben die beiden Herzblut-Gastgeber und ihr achtköpfiges Team den zweiten Michelinstern erreicht, mit einer nordisch-regional geprägten Küche, die ganz eigen ist – es mag im Ursprung new nordic sein, im Jante ist es immer auch ein gutes Quentchen französische Vollmundigkeit, die Freude an Saucen, Schmelz und Süffigkeit.

Dabei sind Tony Hohlfeld und Mona Schrader auch eher stille Stars, zu viel Tamtam ist ihre Sache nicht, die volle Konzentration gilt ihrer Arbeit und wie konzentriert die enge Zusammenarbeit zwischen dem Paar und im Team ist, zeigt eindrucksvoll die Jante-Folge der ARD Serie Am Pass-Geschichten aus der Spitzenküche:

Satffel1/Folge 2 (29 Minuten): kann man hier in der ARD-Mediathek ansehen.

Die Geschichte vom ehemaligen Klohäuschen wurde derweil oft schon erzählt, im Restaurant sitzt man so elegant wie gemütlich, modern und mit viel warmem Holz. Minimalistisch im Design und durchdacht bis in jedes Detail, Besteckschubladen öffnen sich bei Tisch – und den Servierwagen möchte ich bitte mit Nachhause nehmen.

Unser Abend mit den Hannoveraner Freunden beginnt mit einem köstlich-krustigen Sauerteigbrot (der Sauerteig reift seit der Eröffnung 2015 mit) und geschlagener Butter, dazu einer Auswahl an Aperitif-Möglichkeiten. Ich wähle natürlich den Manzanilla-Sherry, wohlwissend dass Mona Schrader und ich die Leidenschaft für die grandiosen Weine aus dem Jerez teilen.

Zum perfekt gekühlten Riá Pitá, Weingut Bodegas Dios Baco, Manzanilla aus Sancluar de Barrameda begeistert mich ein knuspriger Taler mit Steinpilzstaub und einer kühlen Creme aus Kräutersaitlingen – eine göttliche Kombi, würzig und dabei von einer passenden malzigen Süße, die an Stroopwaffeln erinnert.

Erstmals habe ich hier auch das Vergnügen die Zucht-Garnelen von Neue Meere aus Gronau (Leine) zu probieren: die Garnelen“vom Land“ stammen aus nachhaltiger Kreislaufwasserwirtschaft, sind frei von Antibiotika und Konservierungsstoffe.

Im Jante kommen sie roh auf den Teller, ein Biss wie Marzipan, klar im Geschmack – die natürliche Süße und Mineralität ist grandios kombiniert mit säuerlichem Rhabarber und einem Molke-Krustentier-Sud mit regionalem Ingwer und Apfel. Diese Interpretation einer Ceviche matched perfekt mit dem 2019 miNimus, von Weingut Chatzivaritis Estate aus Mazedonien.

Die folgenden Fischgänge sind ein Fest, wie man es im Jante zu feiern weiß: der Saibling ist Referenz, mit seiner mild gegarten Zartheit und Würze. Unter hauchfein geschnittenem Sauerampfer badet er in einer Sauce aus fermentiertem Spargel – die umwerfend gut an Kokosnuss erinnert…

…später frage ich Tony, was ich da geschmeckt habe – die Antwort: Fermentation! Mitunter ist, was dabei passiert und herauskommt eben auch ein, in diesem Fall besonders gelungene Überraschung. Der Wein, der dazu begleiten kann, ist der 2020 Graue Freyheit, Weingut Heinrich, aus dem Burgenland. Ein hellrot-oranger, durchaus fordernder  Naturwein, der auch Begleitung braucht und hier klappt das!

Der Zander ist pointiert gegart, auf Chicorée, der Bitternoten und florale Süße schenkt, obenauf knusprige Plättchen von rotem Chicorée. Der Star des Tellers kommt dann dankenswerter Weise mit dem großen Löffel: Eine unverschämt füllige, sämiges Muschel-Hollandaise – auf Basis eines Fonds aus gerösteten Muschelschalen. Dazu der 2011 Antica, Malvasia, Weingut Roxanich, Istrien, Kroatien – eine Freude im Glas und ein guter Einstieg in die Welt der Orange-Weine – so frisch und gleichermaßen charaktervoll, insgesamt eine trinkleichte Freude!

Überhaupt: Mona Schraders Empfehlungen kommen mit einer mitreißenden Begeisterung an den Tisch, man muss und sollte folgen – die Weinbegleitung ist ein Gewinn, zum Wohl des aufgeschlossenen und neugierigen Gastes!

Natürlich gibt es auch eine liebevoll durchdachte und in der Herstellung nicht unaufwendige alkoholfreie Weinbegleitung, die an unserem Tisch in Teilen auch eingeschenkt wird. Mir erscheinen diese guten Bemühungen aber auch anderswo immer wieder wie ein durchaus gutes Satelliten-Gericht zur eigentliche Komposition, dass aber letztendlich zu viel ist.

Persönlich schätze ich zum besonderen Essen Weinerlebnisse wie den 2018 Alta Mora, Carricante, Cusumano, Sizilien zum regionalen Wagyu das als Filet und Zunge mit Lauchkern, Lauchöl und Pis en lit-Löwenzahn kombiniert seinen würdevollen Auftritt hat. Der weiße Äthna-Wein dazu ergänzt mit seiner Zitronenfrische, warmer Quitte und herbem Rauch ganz subtil diesen Teller, wie ein Hauch von Gewürz!

Das Dreierlei von der Wachtel mit säuerlich animierender, fermentierter Stachelbeere, saftiger Brust, perfekt gegarter Keule im Röstpastinaken-Mantel und einem Chip aus Wachtelhaut mit einer Creme aus Pastinake, die subtile Lebernoten mitbringt – das ist großes Rotisseurs Handwerk! Bäm.

Dessert-Reigen-Auftakt mit einem „Müsli“ von säuerlichen Fichtensprossen und Sellerie unter Cerealien-Crunsch – das hat kaum klassische Süße und macht großen Spaß – gerade auch mit dem 2013 Furmint Brut Nature, Vino Gross, Stajerska aus Slowenien.

Sanft gelingt der Übergang in die süße Abteilung, nächster Stopp eine kleine Bombe aus cremigem Haselnuss-Eis mit Holunder und Karamell, da blinken fruchtige Noten auf und ein Hauch Lakritz zieht vorbei, soviel Geschmack auf kleinstem Raum!  Dazu der 2020 Edelspatz, Riesling, Weingut Diehlheim, Südafrika, der aus rosinenartig an der Rebe getrockneten, edelfaulen Trauben gewonnen wird – ein „Süßwein“ ohne Vergleich, klar und kühl mit Tiefe ein „mundvoll“ und doch filigran.

Ein Genuss auch zum abschließenden Hefegebäck mit Creme und Blaubeeren. Hier enden die Aufzeichnungen – denn der Barwagen fährt mit einer Auswahl an After Dinner Drinks vor, die am Tisch frisch zubereitet werden. Ich wähle den Espresso Martini, der in Bestform nochmal die Sinne erfrischt. Ich denke, es dauert nicht wieder sechs Jahre bis zum nächsten Wiedersehen.

Epilog:

Eingecheckt haben wir im me and all hotel – ein junges Hotel, nur eine knappe Viertelstunde zu Fuß vom Hotel gelegen. Nette (kleine) funktionale Zimmer, tolle Betten mit guter Matratze und drei Kopfkissen (love it!). Im Foyer ein großer Barbereich mit DJ-Pult und Diskokugel, die sich immer Donnerstagabends dreht!

Eine echte Entdeckung war die historische Holländische Kakao Stube – Konditorei und Café Friedrich Bartels“ von 1895. Herrliche Kuchen- und Confiserie-Auswahl zwischen niederländischen Kacheln und einer Täfelung aus geflämmter Birke, das angeschlossene zweistöckige Café wie aus der Zeit gefallen, elegant und freundlich.

Die mittlerweile selten servierte Kaffeehausspezialität Ragout fin, kommt hier nicht aus der Dose, ordentlich serviert auf feuerheißen Tellern! Das Kalbfleisch ist zart, der knusprige Blätterteig aus der Backstube und die traditionell zugehörige Worcestershire Sauce wird Silber-ummantelt gereicht! Unbedingt mal reinschauen!

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