Pitti Taste, Florenz: die etwas andere Food-Messe.

Italienische Handwerks-Kulinarik vom Feinsten: 10 der spannendsten Ausstellenden auf der Pitti Taste 2024

Header Foto: Pitti Taste Press

Vor Jahren schon raunte es unter Kolleg*innen, ich müsse unbedingt zur kulinarischen Handwerksmesse Pitti Taste nach Florenz. Endlich ergab es sich, dass ich diesen Februar der Empfehlung folgen konnte. Und ich werde ab jetzt wohl jedes Jahr vor Ort sein…

Was die Pitti Taste so besonders macht

Foto: Pitti Taste Press

  • Die Pitti Taste ist eine reine Handwerksmesse. Die großen Food Messen in Deutschland sind ja allermeist, in Teilen durchaus innovative Leistungsschauen der Industrie, mit ein paar StartUps und Trendgeschichten in der Peripherie. Auf der Pitti Taste trifft man ausschließlich handwerklich arbeitende Produzent*innen.
  • Die Pitti Taste ist riesig, dabei angenehm familiär. Unfassbare 660 Ausstellende konnte man in diesem Jahr an ihren Ständen besuchen, darunter traditionelle Manufakturen, ökologische Landwirtschaft, Familienbetriebe, StartUps und junge Unternehmen.

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  • Die Pitti Taste macht gleich. Statt protziger Großbauten von Kraken wie Néstle, sind auf der Pitti Taste alle Ausstellenden gleich: alle Stände sind gleich, in Ausstattung und Auftritt, hier zählt nur das Produkt und die Menschen, die es machen.
  • Die Pitti Taste hat Stil – auch die Besucher*innen. Wo es in Deutschland vor Messeständen gerne zu Rangeleien um „Bratwurst-Lollis“ oder Käse-Samples kommt, wartet hier jeder geduldig, verkostet erst zum Gespräch – und es gibt tatsächlich an jedem Stand alles zu probieren.

Pitti Taste 2024 – meine Top Ten der spannendsten Ausstellenden

Anderthalb Tage war ich auf der Messe, viel zu kurz (alleine Süßes und Gebäck hat eine eigene Halle). Ich habe schnell begriffen, es braucht Schwerpunkte, wenn man nur so kurz da ist. Darum fehlen auf meiner persönlichen Liste der zehn spannendsten Entdeckungen auch Olivenöl und vertiefend Käse. Dafür alleine bräuchte es jeweils einen Tag. Hier meine Highlights aus anderthalb Tagen:

1. Panettone mit Parmesan und Mortadella

In Italien Kulturerbe, bei uns seit ein paar Jahren ein echter Hyper-Trend: die Panettone und ihre österliche Form, die Colomba Taube. Ich habe wahnsinnig gute Handwerks-Panettone auf der Pitti Taste probiert, fluffig, saftig, intensiv schon im Duft.

Begeistert hat mich die salzige Panettone der jungen Bäckerei und Kaffeerösterei Forno Brisa aus Bologna: mit Parmesan und Mortadella!

Das wäre ein Knaller in jeder Weinbar! Ohne Konservierungsstoffe nur zehn Tage haltbar. Die geht aber schneller weg.

2. Salumi di mare: Fisch-Charcuterie

Auch bei uns ein noch eher kleines, aber wachsendes Trendthema: Schinken und Wurst aus Fisch. Auch als Resultat der Bemühungen, Fisch und Meeresfrüchte nachhaltig und „Schwanz zu Kieme“ zu verarbeiten, schaffen Menschen, wie bei uns Sebastian Baier, durch Trocknung, Reifung, Fermentation und Rauch neue Geschmacksbilder.

Bei den Machern von Trota Altura verkostete ich eher klassische Räucher und Beiz-Filets – von regionalen Fischen aus den Alpen und von höchster Qualität.

Filippo Castaldi von Marificio und die jungen Leute von Shark – Bottega Del Pesce gehen das Thema weiter an und fabrizieren Schinken aus z.B. Thunfisch und Wurst aus Pulpo (der die Bindung selbst mitbringt). Faszinieren und köstlich, ganz eigene neue Geschmackserlebnisse.

3. Alte Liebe, neu entfacht: Mortadella

Ich liebe Mortadella, einer der wenigen Wurstaufschnitte, die ich überhaupt noch esse, das aber mit Begeisterung, ich hab da kaum eine Bremse. Aber. Die muss halt gut sein. Nicht dieses fettschaumige Brät, sondern fleischig im Biss.

Auf der Pitti Taste traf ich Simona Scapin von Artigianquality in Bologna, die ich als Erbin der Mortadella-Kunst schon in einer Ausgabe des Feinschmeckers vor ein paar Monaten kennen lernen durfte.

Die Mortadella-Variationen des Familienbetriebes Artigian Quality gehören mit zum Besten, was man in Italien bekommen kann, hörte ich. Und Vater Silvio Scapin produzierte bereits früh zertifizierten Bio-Mortadella die auch das Slow Food Siegel des Presidio Mortadella classica trägt.

Scapin und seine Kinder Francesco und Simona orientieren sich in der Produktion an Originalrezept aus dem 16. Jahrhundert. Die Ergebnisse sind grandios, die Mortadella würzig, puristisch, auf den Punkt.

Das gilt auch für die Mortadella des amtierenden italienischen Königs der Mortadella. Mec Palmieri hat es schwarz auf weiß: Ausgezeichnet als der beste Mortadella-Produzent Italiens in 2024. Ja, das schmeckt man. Seine Mortadella ist nach alter Handwerks-Tradition in Schweinehaut gehüllt, selbst die straffenden Kordeln kommen aus eigener Produktion.

Übrigens: Mortadella wird hier nicht ausschließlich dünn aufgeschnitten, sondern auch in kernigen Stücken (wie von einem Döner) geschnitten – maximaler Biss und Genuss!

4. Im Glas: Die beste Dosentomate der Welt (das wusste schon Sinatra!)

Bei der Agraria Paolo Petrilli in Puglia leben sie einen Traum: auf dem Anwesen der Familie wachsen Wein, Weizen und Tomaten, im Grunde der Dreiklang der italienischen Küche.

Das Besondere an dieser ökologischen Landwirtschaft ist auch die Art, wie Tomaten gemacht werden: mit der gleichen Liebe und Sorgfalt, die für den Wein aufgewendet wird.

Reife rote und grüne Tomaten werden separiert, die grünen Tomaten herausgeschnitten, um den roten Tomaten noch mehr Kraft zu geben. Nach der Ernte werden die Tomaten gehäutet, gesalzen und nur im eigenen Saft eingelegt.

Ein Unterschied, den man bereits sehen kann: statt dicker Pulpe aus Abschnitten, umschmeichelt ein klarer, intensiver Tomatensud die ganzen Tomaten. Weltklasse seit Generationen.

Das wusste auch Frank Sinatra, der bei der Familie regelmäßig seinen Tomaten-Vorrat nach New York bestellte. Das solltet ihr übrigens auch, die Gläser sind limitier und immer schon bereits am Strauch eigentlich ausverkauft: versucht Eure Glück auf Gläser der kommenden 2024er Ernte im Shop!

5. Berühmter Balsamico der Weltspitze

Giuseppe Giusti Aceto Balsamico in Modena ist die älteste Aceto Balsamico Manufaktur der Welt (seit 1605). Die Möglichkeit, auf der Pitti Taste einmal aller Produkte des Hauses hintereinander zu probieren, war ein Erlebnis.

Der supersympathische junge Chef Claudio Stefani Giusti führt die Acetaia Giusti schwungvoll und mit innovativen Ideen in die Neuzeit, u.a. entwickelten sie das Rezept für einen Vermouth der Spitzenklasse – er reift nachhaltig in alten Balsamico Fässern, die sonst keine Aufgabe mehr gehabt hätten.

Beim göttlichen Banda Rossa entwickelte ich spontan die Idee, man könne doch z.B. in einen Negroni, direkt ein paar Tropfen des alten Balsamicos träufeln.

Auf dem Empfang und zum Negroni Giusti: Tatar mit Zitrone und gereiftem Balsamico/Das wahrscheinlich einfachste und schönste Rezept mit altem Balsamico – einfach über geröstetes Brot kleckern/Pappa al pomodoro

Höfliches nicken am Stand, erst Abends auf dem Messe-Empfang der Firma, in der Rooftop-Bar des legendären Kaufhauses La Rinascente, wurde mir bewusst: man war bei Giusti natürlich längst selbst auf die Idee gekommen. Mixologist oft he world: Nachmachen!

6. Pastificio Dei Campi – alte Freundschaft

Pasta. Auch so ein Thema, für das man auf der Pitti Taste vielleicht konzentriert ein bis zwei Tage einplanen sollte, das Angebot an handwerklich gemachter Pasta ist überwältigend.

Ich habe alte Freunde besucht, seit 2013 ist die Pasta von Giuseppe Di Martino aus Gragnanon meine Lieblings-Pasta. Leider konnte ich den charismatischen Chef  an diesem Tag nicht selbst treffen, ich habe aber hier aufgeschrieben, wie der Mann mal mit seiner Pasta-Manufaktur Pastificio dei Campi den Weltmarkt für Pasta-Getreide revolutionierte:

Nachdenken über Nudeln – Besuch beim Pastakönig

7. Parmesan - gereift und aus Höhenlagen

Na gut, einen Käse will ich doch empfehlen, die Parmesan-Variationen von Cantarelli 1876 begeisterten mich.

Nicht nur die unterschiedlichen Reifegrade. Große Klasse der Berg-Parmesan aus Höhenlagen und eine innovative Verpackung, die die „Regal-Zeit“, wie ich lernte, verdoppelt.

8. Neue Liebe: Culatello di Zibello PDO

Ich liebe, wer nicht, italienische luftgetrocknete Schinken. Parma-Schinken! Coppa! San Daniele! Weil ich nicht doof sterben will, habe ich mich am Stand der Salumificio Dallatana geoutet: was ist denn bitte Culatello di Zibello?

(lacht Ihr nur!)

Der Rohschinken aus dem Örtchen Zibello und angrenzenden Dörfchen in der Provinz Parma gehörte im Anschluss direkt zu den besten Schinken die ich je probiert hatte. Die Schweine für den Keulenschinken stammen aus der Emili-Romagna oder der Lombardei kommen. Kochsalz, Pfeffer, Knoblauch und Wein dürfen ran.

Immer in den Wintermonaten wird für den folgenden Winter produziert, im Ergebnis ein Schinken von samtzarter Struktur und, ja, elegantem Geschmack, das Fett alleine macht Freude!

9. N‘Duja

Und nochmal Wurst, es tut mir leid, aber für mich ist das ein großes Thema, weil es so viel Mist gibt, der klaglos geshoppt wird – mich fasziniert schon immer das Handwerk des Wurstens, der Schinkenherstellung. Und diesen Mann muss ich Euch dazu noch vorstellen!

Luigi Caccamo von L’Artigiano della ‘Nduja macht, so flüsterte man mir zu, die beste N’Duja der Welt. Die pikante kalabresische Rohwurst mitgetrockneten Pfefferschoten vom Berg Poro, ist ein streichfähiges Vergnügen und eine dankbare Würzung. Leicht gewärmt auf Brot, zum verfeinern von Saucen und Ragouts, oder einfach als schnelles Spaghetti-Gericht gibt es tausend Möglichkeiten.

Die N’Duja aus Spilinga und von Luigi Caccamo dürfte tatsächlich zur Weltklasse gehören: Würzig ohne zu ballern, elegant in der Schärfe, fleischig und fein im Geschmack.

Und es ist Signore zu verdanken, dass er irgendwann die Tradition Tradition sein lies und seine Wurst nicht nur in Darm, sondern auch in Gläser füllte. Die halten länger und lassen sich verschicken!

10. Kochbücher

Kochbücher gabs natürlich auch, am Stand einer großen Vertriebsgesellschaft konnte man einen Blick in italienische Kochbücher und internationale Übersetzungen werfen.

Ich hab mir gerne auch Zeit zum stöbern genommen, denn auch das kann Messe sein: mal Zeit haben, nur für sich.

Auch richtig super: schwarzer Knoblauch von Nerofermento/die besten Blutorangen ever, von Tenuta Serravalle/Weltmeister-Porcetta und Chips von Venditti

Warum man immer noch einen Koffer in Florenz haben sollte.

Am Ausgang der Pitti Taste steht ein Messe-Supermarkt der einen Großteil der kulinarischen Schätze der 660 Ausstellenden zum freien Verkauf und zu Messepreisen anbietet.

Ich habe hier viel gelernt: über biologischen Trüffelanbau, über die Liebe des Fior Di Latte zur Pizza und das auch Wagyu zu Bresaola werden kann.

Insofern gebe ich gerne den goldenen Tipp meiner Gastgebenden weiter:

Ja, man kann für zwei Tage mit Handgepäck anreisen, auf dem Rückflug von der Pitti Taste macht aber dennoch ein Koffer Sinn, den man aufgeben kann.

Mal weiterschauen und Pitti Taste im Auge behalten?

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