Juam Mateos, Bodegas Lustau(Foto: Jan Bürgermeister), Alcázar, Sherryfass mit Durchblick.
Die Deutschen sind natürlich wieder überpünktlich. Ein laues Windchen weht durchs Abend-Idyll die, Kellner in weißen Schürzen rücken die letzten Stühle im Innenhof der Festungsanlage Alcázar zurecht. Weiße Tischdecken, ein Gläsermeer unter Plamen, die Abendsonne liegt warm auf den alten Gemäuern. Wir sind Gäste beim Erntedank des Consejo Regulador de Jerez, der Fiestas de la Vendimia.
Eine Woche lang gibt jeweils eine andere Bodega ein Gastspiel im traumschönen Setting, dazu werden wechselnd zwei Menüs serviert, das Foodpairing ist moderiert. Auf Spanisch. Das macht Sinn! Und weil unsere Reisegruppe ja flexibel ist, klatschen wir einfach an den richtigen Stellen euphorisch, lachen mit, sobald gelacht wird, machen eigene Notizen und fallen wirklich kaum auf!
Was für ein Schauspiel: die Kellner sausen herbei, mit unzähligen Portionen, schenken Sherry ein und zwar üppig, die gastgebende Bodega ist heute die Grupo José Estévez, mit der Önologin Victoria Frutos Climent und los geht es mit einer Mandelsuppe mit Minze und Tatar von Gambas zum kalten Fino Tío Mateo. Das kann man jetzt analysieren, Fakt ist das passt mal wieder grandios! Immer wieder spannend und überraschend, was Sherry als Essensbegleitung bedeuten kann, klasse! Es wird viel und wild geklatscht!
Ein Amontillado Del Príncipe begleitet eine unfassbare saftige Riesensardelle mit kleinem Gemüsesalat, leicht salzigem Forellen-Kaviar und Tomaten-„Mermelada“, einer dichten, würzig eingekochten und kalten Tomatensauce. Wie der Amontillado mit dem Salz spielt und die Sardelle trägt, sich ans Brot schmiegt. Applaus!
Das Oloroso irgendwie immer ziemlich gut mit Fleisch geht, haben wir ja gelernt jetzt, der Oloros Almirante zum Ochsen-Carpacchio mit Parmesan und Rettich Sprossen macht da keine Ausnahme, wenngleich ich das Sprossengedöns auch fern der Heimat nicht brauche, es addiert doch selten was dazu.
Zum extra lang gereiften Oloroso Covadonga VORS werden würzig-scharfe Roquefort-Gorgonzola Pralinen in Krokant serviert, der Käse ist reif und brennt im Mund, mit der Süße des Cream Sherrys wird es perfekt, wie eine eigenständige Speise, grandios, man möchte nicht mehr aufhören, Umami-Alarm.
Zum Moscatel Promesa, der so viel mehr ist als nur ein Süßwein, nuanciert und füllig, gibt es frische und getrocknete Zitrusfürchte mit weißem Nougateis und schwarzem Pfeffer – das ist so gut, das klau ich!
An diesem Abend treffen wir viele unserer Gastgeber der letzten Tage wieder, wir sind dankbar, überall so herzlich aufgenommen worden zu sein, großzügig und gastfreundlich geht es in den Bodegas zu. Auch in jenen, die wir am letzten Tag besuchten.
Morgens empfing uns Mr. Juan Mateos (siehe Bild ganz oben!) in der Bodegas Lustau in Jerez, einige Lustau-Sherrys sind auch in Deutschland relativ barrierefrei zu bekommen und ich schätze die Bodegas über alle Maßen. Dennoch bin ich nicht vorbereitet auf diese umfassende Range an 45 (!) Top-Sherrys, brillant, klar akzentuiert, ein Genuss, der sich mit jeder Qualitätsstufe steigert, am Ende bin ich andächtig. Diese Sherrys gehören für mich ganz klar mit zu den besten Sherrys der Welt.
Und als wolle er noch einen draufsetzen, schenkt Juan Mateos auch noch eine Neuentwicklung des Hauses über große Eiswürfel ins Bar-Glas: Vermouth! Der ist ja gerade auch bei uns in der Barszene derzeit ein Riesenthema, immer neue Vermouth kommen auf den Markt, ich schätze die Range von Belsazar aus Berlin. Der Lustau Vermouth hier ist aber nochmal Welten entfernt davon, ein hochkomplexer, schmeichelhafter Vermouth, samtig, würzig, vielschichtig mit Tiefe. Sollten Sie Gelegenheit haben…
Am Mittag geht es weiter zu einem Giganten der Sherry-Welt: Bodegas Gonzáles Byass. Hier ist der charmante Däne Leth-Nissen unser Gastgeber, kundig führt er uns durch die heiligen Hallen und Ströme von Touristen – Gonzáles Byass haben eine Erlebniswelt geschaffen, zwischen Bimmelbahn und futurischem Besuchercentrum, zwischen Tradition und Moderne.
Im Trubel soll nicht vergessen werden, dass auch dieses Traditionshaus einige der besten Sherry produziert, vom einfachen aber guten (!) Tío Pepe für einen Weltmarkt, bis hin zu exklusiven Kleinstauflagen und Raritäten. Bei Gonzáles Byass ist man zudem extrem experimentierfreudig, immer wieder zeigt unser Gastgeber uns Fässer in denen Neues versucht wird, mit sehr alten Weinen.
Nach der Führung und einer ausführlichen Degustation exzellenter Sherrys der Bodegas, (die ich kurz für diesen Bremen2-Radiobeitrag über die Renaissance des Sherrys verlassen muss, live aus Jerez!) Haben wir ordentlich Hunger und Leth-Nissen weiß Rat: mitten in Jerez liegt das Restaurant Cruz Blanca mit einer Auswahl an so einfachen wir handwerklich einfach gut gemachten Tapas – Produktküche die neidisch macht!
Mit dem Eingangs geschilderten Erntedankfest endet unsere Zeit im Sherry-Land und ich war schon immer Sherry Fan, gehe auch diesmal als Sherry-Freund und werde nicht wieder zehn Jahre warten, bis ich zurück kommen. Es gibt Sherry-Weine die nur dort zu bekommen sind, landschaftlich und klimatisch macht Andalusien sowieso Sinn, vor allem aber haben die regionale Küche und das Verständnis für die Kombination aus Sherry und regionaler Küche deutlich zugenommen, das habe ich auf dieser Reise ganz besonders genossen.
Das Reisefieber kann befeuert werden! Keine Angst vor Sherry, einfach mal eine Flasche Fino, Manzanilla, Oloroso oder Amontillado zum Einstieg mitnehmen, beim Weinhändler, im Fachgeschäft, im gut sortierten Supermarkt und dann: ordentlich kühlen und aus Weißweingläsern genießen. Vielleicht mit ein paar grünen Oliven, ein paar Salzmandeln anfangen. Ab da wissen sie dann schnell selbst, was noch so passen könnte, ich bin mir sicher! Sherry ist sehr inspirierend!
Und hier gehts zu:
Teil 1. (Jerez De La Frontera, Bodegas Tradicion, Williams & Humbert, Degustationsmenu im Albalá)
Teil 2. (Die Weinberge, Sanlúcar de Barrameda, Bodegas La Guita, Bodegas Barbadillo, Sherrymenü im La Carboná)
Teil 3. (Sherryland – eine Entdeckungsreise (3): Erntedankfest in Jerez, die Bodegas Lusta und Gonzáles-Byass, Tapas-Lunch im Cruz Blanca)
Offenlegung: ich danke dem Consejo Regulador de Jerez, sowie dem Sherry Informationsbüro Deutschland für die Einladung und ganz besonders auch unseren Gastgebern in den Bodegas! Für das Erstellen der Reiseberichte erhalte ich kein Honorar und meine persönliche Meinung bleibt auch von der Einladung selbst ungetrübt: ich bin sowieso schon seit Jahren Sherry-Fan und Botschafter.