Sherry Land – eine Entdeckungsreise (1): Jerez De La Frontera, Bodegas Tradicion, Williams & Humbert, Degustationsmenu im Albalá

Aus der Hitze treten wir in den Schatten des Innenhofes der Bodegas Tradicion, unter Weinlaub queren wir den Hof, tauchen in die Kühle des ebenerdigen „Kellers“, wo im hohen, luftigen Raum, der Sherry in schwarzen Fässern reift. Schwere Bastmatten vor den Fensterbögen halten die Mittagshitze draußen, es weht ein Lüftchen, ich atme tief durch die Nase ein. Wie das hier riecht, wie das hier duftet! Jede Bodega im Sherry-Dreiecke zwischen den Städten Jerez de la Frontera, Sanlùcar de Barrameda und Puerto de Santa Maria hat ihren ganz eigenen „Hausduft“, in der Bodegas Tradicional riecht es nach Holz und süßen Rosinen, ein Duft von Orangen und Hefe, es riecht nach guten alten Sherrys – willkommen in Jerze de la Frontera, der Sherry Hauptstadt in Andalusien, Spanien.

Vor zehn Jahren war ich zum erste Mal hier, seitdem hege ich eine Liebe zu Sherry, diesem maximal unterschätzen Wein aus der Palomino Fino Traube, dessen Vielfalt auf der Arbeit im Keller beruht, der Reifung (Crianza) unter eine natürlichen Hefe-Schicht, im Fass, im Criaderas y Solera-System, aufgespritet zum gewünschten Alkoholgehalt, mit Brandy.

Heraus kommen brillante funkelnde Weine, mit betörenden Düften und geschmacklicher Raffinesse, Sherry schmeckt einzigartig und die Vielfalt ist groß, vom erfrischenden Fino, trocken, gelbfruchtig und kräutrig, dem kräftigeren Olorosso, dem bernsteinfarbenem Amontillado mit dem Duft von Nüssen, Mandeln, getrockneten Äpfeln und süßen Früchten, bis zum frischen, mineralischen Manzanilla aus der Küstenstadt Sanlùcar, dem nussigen, intensiv-geheimnisvollen Palo Cortado und den tiefen süßen Sherry -Weinen wie Pedro Ximenez und Cream.

Es ist , wie so oft mit den richtig guten Dingen, etwas komplizierter. Am Morgen erhalten wir eine so vergnügliche wie interessante und lehrreiche Einführung in die Materie von César Saldaña, dem Direktor des Consejo Regulador de Jerez.


Sherry-Schuljahrgang 2017 (v.l.n.r.): Paulsen, Gastgeberin Diana Maisenhölder (sherry.wine/de), Dorit Schmitt (chateau-et-chocolat.de) und Fotograf Jan Bürgermeister (fotostate.de)

All das Wissen um den Sherrry ist auch schon aufgebarbeitet auf der offiziellen Sherry-Wein-Seite nachzulesen – und hier gibt’s ein prima Erklär-Video des The Culinary Institute of America, da lernen Sie César Saldaña direkt kennen und einiges über Sherry dazu:

In der Praxis sind meines Erachtens allerdings lediglich vier Dinge zu verinnerlichen, um Sherry fröhlich zu entdecken, zu genießen:

– Sherry wird gekühlt getrunken, alles zwischen 6-16 Grad ist erstmal prima, das kann von Wein zu Wein variieren, falsch machen kann man nix.

– Die traditionellen Sherry-Coppas sind nicht mal mehr im Sherryland in Benutzung, Sherry trinkt man heute aus Weißwein-Gläsern, in denen der Wein Raum findet, seine ganze Komplexität zu entfalten.

– Sherry ist kein Likör. Die Lebenszeit des Weins ist, einmal geöffnet, eine vergängliche Angelegenheit. Sherry hat eine lange Reifezeit hinter sich, möchte dann aber frisch genossen werden. Suchen Sie sich ein paar Freunde und leeren sie die Flasche.

– Essen Sie was dazu! Sherry ist ein fabelhafter Essensbegleiter (hier gehts zu meinem Frühlings-Sherry Menü vom Mai), dazu mehr im Laufe unserer Reise! Der Alkoholgehalt von Sherry beginnt bei 15 Volumenprozent, Sherry ist darüber hinaus durch die Hefe-Reifung extrem bekömmlich, es wird auch nichts zugesetzt, keine Sulfite, kein Schwefeldioxid, keine Holzchips, kein Zucker. Sherry ist Genuß ohne Reue, Sherry ist: Natur und Zeit.

In der Bodegas Tradicion, dem ältesten Keller der Region, hat man sich auf die Reifung gekaufter Weine spezialisiert, Qualität statt Quantität. Los geht es ab einer Reifezeit von zwanzig Jahren, das sind Giganten. An der Wand der Verkostungsecke hängen Werke vom jungen und sehr jungen Pablo Picasso, Kacheln die Picasso als Kind bemalte. Die Bodegas Tradicion sind seit 2006 auch offiziell Museum für spanische Malerei und wir staunen als wir wenig später in den Museeumstrakt geführt werden, ein echter Goya! Hier hängt auch eine Version von Francisco Pradilla y Ortiz Meisterwerk „Übergabe Granadas an Ferdinand und Isabella“. Ein Besuch der Bodegas Tradicion lohnt definitiv, hier gibt es Informationen dazu!

Ein ganz anderes Kaliber und ebenfalls beeindruckend: Europas größte Bodega William & Humbert, 1977 entstand der imposante Neubau, 750 Meter lang ist die „Hauptstrasse“ die diagonal durch den Keller führt. Der ist, wie alle Keller in der Sherry Region ebenerdig, die konstante Kühlung der luftigen Hallen, basiert auf architektonischen Überlegungen, der Ausrichtung der offenen Fensterbögen „zum Wind“, der Bewässerung der Bodega-Böden und der damit verbundenen Verdunstungskühle. Raffinierte Überlegungen und Ideen, die Jahrhunderte alt sind und bis heute dafür sorgen, dass es in den Bodegas selbst, auch bei Mittagshitzen von über 40 Grad, immer ziemlich konstant 18-20 Grad hat. Ideal für die reifenden Weine in den Fässern. Die sind übrigens matt-schwarz, damit der Kellermeister Feuchtigkeitsaustritt durch Risse oder Lecks sofort erkennt.

Hier bei Williams & Humbert entstehen seit 1877 berühmte Sherrys wie der Dry Sack, der erfreulicher weise sogar im gut sortierten deutschen Supermarkt zu bekomme ist und der sich als eleganter, frischer Einsteiger ins Sherry Thema empfiehlt! Wie viel mehr meisterhafte Sherrys die Kellermeister von Williams & Humbert produzieren, erschmecken wir bei einer beeindruckende Probe – alleine der Unterschied zwischen Dry Sack und 15 Jahre gereiftem Dry Sack ist ein großes Vergnügen, von so großen Weinen wie den zwanzig Jahren gereiften Canasta oder Don Guido ganz zu schweigen. Mein Favorit: 20 Jahre gereifter Dos Cortados. Hier schmeckt man wieder deutlich: Terroir, das bedeutet hier der Keller, die Arbeit der Kellermeister und der Önologin Paola Medina, deren Familie die Bodegas Williams & Humbert in zweiter Generation führt.

In der Hontoria Garden Bar in Jerez genießen wir ein spätes Mittagessen mit in Sherry geschmorter Hühnerleber (klau ich!), dem hier typischen Meeresfrüchte-Salat mit Tomate und grüner Paprika, eine erfrischende Angelegenheit bei 38 Grad, dazu kalte Tomatensuppe mit Ei und gereiftem Schinken, dann gegrilltes Secreto vom Iberico Schwein mit ganzen, gekochten, panierten und dann fritierten Kartoffeln.

Nach einer sinnvollen Siesta geht es am Abend ins Albalá einem modernen, jungen Restaurant in dem man sich auf das Pairing hervorragender Sherrys mit spanischen Schmankerln spezialisiert hat, Küchenchef ist Israel Ramos.

Wir genießen:


La Guita En Rama, einer meiner absoluten Lieblings-Sherrys mit Sardellenfilets auf Safran-Mayonnaise und knusprig-luftigem ungesalzenem Brot.


Sanchez Romate Fino zum Thuna Tatar mit Guacamole und überreifen Tomaten


Grandios: Lustau Rare Amontillado Escuadrilla zu Spargel-Tempura mit Aioli


Bertola Palo Cortado Sherry (12y) mit dicksämig-würzigem Eintopf mit Thunfisch und kleinen Röhrennudeln


Don José Olorosso zum in Sherry geschmorten Rind auf Kartoffelschnee


„Kinder Bueno“ heißt das Dessert aus Oblaten, weißer und dunkler Schokolade, süßem geröstetem Malz, Schokoladeneis und Schokoladensauce – sehr lustig und tatsächlich erinnert der Geschmack entfernt an die gleichnamige Süßigkeit, eben in einer sehr eleganten Variante. Dazu ein Süßwein aus der Palomino Traube und ein Pedor Ximenez der Bodegas Rey Fernando De Castilla

Morgen besuchen wir die Weinberge zwischen Jerez de la Frontera und Sanlúcar de Barrameda, besuchen die Küstenstadt und die Bodega La Guita, kosten den Manzanilla, der nur von dort kommen darf, stehen staunend in „La Cathedral“ der Bodega Barbadillo und kehren ein: es gibt Fisch in der Marisqueria Poma in Sanlúcar und Abends das kulinarische Highlight der Reise, ein Sherry Menü im La Carboná, Jerez.

Und hier gehts zu:
Teil 2. (Die Weinberge, Sanlúcar de Barrameda, Bodegas La Guita, Bodegas Barbadillo, Sherrymenü im La Carboná)

Offenlegung: ich danke dem Consejo Regulador de Jerez, sowie dem Sherry Informationsbüro Deutschland für die Einladung und ganz besonders auch unseren Gastgebern in den Bodegas! Für das Erstellen der Reiseberichte erhalte ich kein Honorar und meine persönliche Meinung bleibt auch von der Einladung selbst ungetrübt: ich bin sowieso schon seit Jahren Sherry-Fan und Botschafter.

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