So, ich hab das Buch mal gestern in einem Rutsch weggeknattert. Mit Vergnügen. Ich war ja auch wirklich gespannt auf Roland Trettls „Abrechnung eines Spitzenkochs“, so die Ankündigung auf der Rückseite des Buches. Denn seit Jörg Zippricks Kritiker-Buch „In Teufels Küche“ von 2011 hat sich niemand mehr so wirklich an der Hochküche gerieben und Roland Trettl ist per se schon einer, der was zu erzählen hat: er kochte als Gastgeber, Impresario und Küchenchef im Salzburger Hangar-7 mit einigen der besten Köche der Welt, mit über 120 Spitzenköchen. Denn das war und ist das Konzept im Hangar 7: jeden Monat ist dort ein neuer Spitzenkoch zu Gast, kocht mit einer hochflexiblen Stamm-Küchenmannschaft „sein“ Menü. Der Patron im Hintergrund ist Eckart Witzigmann, Roland Trettl war bis 2013 der Zirkusdirektor in der Manege des Restaurant Ikarus und dem Hangar 7.
„Serviert“ heißt das Buch mit Trettls Erinnerungen und Anmerkungen, der Untertitel verspricht: „Die Wahrheit über die besten Köche der Welt. Ein Insider berichtet.“ Von einer kulinarischen Streitschrift ist zudem im Klappentext die Rede und nicht zu knapp war das Vorab-Raunen in der Branche: das, gemeinsam mit Journalist Christian Seiler verfasste Buch sei, trotz vorauseilenden Text-Streichungen durch Rechtsanwälten, immer noch geeignet, den ein oder anderen Eklat vom Zaun zu brechen, munkelte man.
Gemach. Selbstreflexiv geht der Autor ans Werk, rechnet sehr sympathisch erstmal mit sich selbst und der eigenen Biographie ab, erzählt launig von seiner Karriere, die eng verwoben mit Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann ist und Trettls Beschreibung wie jener einmal eine ganz besondere Möhre schälte, gehört zu den frühen und sympathischen Höhepunkten des Buches, ebenso wie der Abdruck eines geradezu rührenden Briefes des verehrten Meisters, an sein damaliges Sorgenkind Roland Trettl.
Die angekündigte Warheit über die besten Köche der Welt ist dann überwiegend Folgende: die besten Köche der Welt sind die besten Köche der Welt und darüber hinaus höchst unterschiedliche Persönlichkeiten. Neben zwei drei menschlich-charakterlichen „Ausfällen“, die nicht namentlich benannt, aber für Kenner durchaus identifizierbar sind, war für mich der Blick in die Küchen der Großen auch ohne die ganz großen Enthüllungen wirklich interessant und das Buch für mich sowieso immer dann am erhellensten, wenn Trettl lobt: Koch XY und seine Küche sind einfach nur geil, weil….
Dankenswerter Weise gibt es in diesen Momenten immer auch die Rezepte der Gelobten ich sag nur Misobutter und Pedro Xiémenez Zwiebelragout. Großartig.
Einer kriegt es auch namentlich ab und in Folge mit dem großen Gérard Depardieu persönlich zu tun. Das Kapitel „Die Arroganz des Yannick Alénno“ macht Spaß und everybodys darling Alénnos dickes Fell dürfte umfänglich sowieso an sein letztes Kochbuch heranreichen.
Roland Trettls Abrechnung mit den Gastrokritikern von Michelin und Gault Millau ist ein zentraler Teil des Buches und die Kritik am System ist nicht eben neu, Trettl kann aber aus seiner reichen Erfahrung und der Zusammenarbeiten mit den besten Köchen der Welt, einfach sehr gut und schlüssig argumentieren, er zeigt auf, warum das Konzept der Führer so absurd und dennoch so mächtig ist.
Unerklärlich bleibt die Buchgestaltung. Dem gelungenen Cover kann die graphische Gestaltung nicht folgen, diese Westernschrift über den Kapitel ist Geschmacksache, die Farbgebung im Buch erinnert allerdings stark an die pädagogischen Beltz&Gelberg Titel der 70er Jahre.
Die komplett verpixelten Fotos sind ein Ärgernis, man kann nur erahnen, wirklich zu sehen gibt es nix. Wirklich schlimm sind die schwarz-weiß (!) Fotografien von Gerichten der besten Köche der Welt.
Ab der Buchmitte wird es ein bisschen wild und atemlos, Roland Trettl schreibt sich Meinungsstark durch sämtliche Probleme der jetzigen Kulinarik und Gastronomie, spannt einen Riesenbogen von Gastrokritikern und Foodbloggern über Alkohol in der Spitzengastronomie, die Nordic Cuisine und das Molekulare, Kellner und Köche, Raucher und Nichtraucher, TV-Kochshow und Gäste-no shows, schreibt über Portionsgrößen und Weinbegleitungen, zum Thema Frauen in der Küche und sogar zum Streetfood-Trend gibt es ein paar (weise!) Zeilen.
Was er zu sagen hat, zeugt von großer Erfahrung und für denkenden Kulinariker auch von gesundem Menschenverstand. Bis auf die Sache mit dem Brotkorb und dem Gruß aus der Küche, teile ich beispielsweise Trettls Ansichten und Einsichten vollumfänglich – so geht Gastronomie heute sehr oft und so könnte sie oft besser gehen. Trettl prangert nicht nur an, er bietet auch Lösungsvorschläge. Das ist der Gewinn aus dem Buch, dass durchaus so manchem Gastronom, wie auch Gast, still und leise, mit Empfehlung aufs Nachtschränkchen gelegt sei. Alle anderen interessierten Kulinariker dürften einfach nur Spaß haben, am kurzweiligen, klugen Leservergnügen.
Serviert
Die Wahrheit über die besten Köche der Welt
Roland Trettl, Christian Seiler
zs Verlag, 2015
www.zs-verlag.com/buch/serviert/
Hardcover, 208 Seiten, 22,99 €
ISBN: 978-3-89883-493-3