No Reservations – Tour de France Sud (1): Villefranche-sur-Saône – Seillans – Hyères

Wir sind einfach losgefahren, ohne Reservierung, kein Restaurant angefragt, kein Hotel reserviert. Nur wir und der Van. Einfach mal raus aus diesem Leben, dass ja schon das ganze Jahr über ein stetiger Fluss an Terminen, Reservierungen und Verabredungen ist. Der Kalender gibt uns vor, wo wir wann sein müssen. Wie schön wäre es, einfach mal wieder in den Tag zu leben, ins Blaue zu fahren, selbstbestimmt!

Frankreich mal wieder, eine alte Liebe. Wir haben also aufgehört uns Gedanken zu machen, sind im Schwarzwald ein paar Tage runter und zur Ruhe gekommen, jetzt geht sie los die No Reservations-Tour de France. Der einzige Plan: ans Meer wär schön!

Villefranche-sur-Saône

Wir sind spät im Jahr unterwegs, das ist gut, überall enden die Ferien, auch in Frankreich. Am ersten Tag schaffen wir es bis kurz vor Lyon, wir wollen nicht in die Stadt. Mit dem Smartphone suchen wir nach Campingplätzen, der erste, direkt an der Sâone gelegen, hat eine Bezahlschranke, die wir nicht bedienen können. Wir sind einfach zu blöd. Ihr müsst da anrufen, rät ein Fußgänger und zeigt auf die kleingedruckte französische Nummer am Automaten. Erstmals zweifeln wir an der Genialität unserer Idee.

Im Supermarkt kaufen wir Baguette und Käse, Saint Maure, Reblochon, eine Label Rouge-Saucisson – Supermarkt können die hier! Die Abendsonne rät zum Aufbruch – nur wohin? Rasch die Stellplatz-App aktiviert und schon geht’s hinauf in die Hügel von Villefranche-sur-Saône, wir fahren auf den Hof eines sehr einsam gelegenen Weingutes und begreifen dass „Stellplätze“ eher für Wohnmobile gedacht sind – keine Waschmöglichkeiten und ein windiges Klo in einem Rohbau – wir fahren weiter, jetzt hektisches googeln, da ist noch ein Campingplatz, der schließt um 19:00 Uhr – in 8 Minuten. Wir fliegen hinunter ins Tal, 19:04 Uhr. „Na gut“, sagt augenrollend die Dame und öffnet gnädig die Schranke bevor sie in den Feierabend entfleucht. Picknick aus dem Supermarkt, zwei kalte Bier aus der Bar, das Leben ist schön. Wir schwitzen uns im Bus in den Schlaf, lauschen dem Zirpen der Grillen und dem Rauschen der wirklich sehr nahen Autobahn. Es ist noch Luft nach oben!

Seillans, Provence-Alpes-Côte d’Azur

Anderntags früh weiter gen Süden, heute haben wir ein Ziel! Es entstammt jener Google-Maps-Karte, die meine Frau rund ums Jahr mit schönen Destinationen füttert, die ihr in Magazinen, Zeitschriften oder online über den Weg laufen, digitale Ausrisse, eine Landkarte lohnender Ziele, nichts gerät in Vergessenheit. Noch am Abend haben wir reserviert, und es war auch noch was frei, der Gott der Planlosen, ist uns gesonnen. Über die Route du Soleille ab in den Süden, irgendwann ab und hoch in die Berge, ein Helterskelter an Kurven und dann, wau: Seillans! Das mittelalterliche Dörfchen gehört zu den Les plus beaux villages de france und wir können das nach kürzester Zeit bestätigen. Es folgt direkt nach Ankunft ein schlimmer Fotoanfall.

Hotel des Deux Rocs

Das Hotel des Deux Rocs befindet sich tatsächlich vis a vis zweier imposanter Felsen und einem mittelalterlichen Stadttor. Wir checken ein, das Hotel wirkt wie ein Museum, angefüllt mit Kunst und Antquitäten, alter Malerei, verblassten Fotografien. Und alles ist ein bißchen schief, auch im hübschen kleinen Zimmer mit wankelmütigen chinesischen Tischchen, und wunderschönen Amaturen im Bad. Durch die Sprossenfenster fällt warm das Sonnenlicht des Nachmittages.

Nach einem frischen Bier unter Platanen, in der lokalen Bar des Dorfes, freuen wir uns auf das Abendessen auf dem Platz vor dem Hotel. Kühl plätschert der Brunnen, die Tische werden eben eingedeckt und kurze Zeit später ist der ganze Platz voll mit Gästen, ein auffallend junges Publikum feiert gutgelaunt einen wirklich prächtigen Sommerabend. Wir waren auf „einsames Bergdorf und Tomatensalat von der grummeligen Pensionswirtin eingestellt“ und erleben eine Freiluft-Sause im Michelin-Restaurant, in dicken Mini-Kokotten wird Gänseleber unter einer Schicht duftendem blonden Fett serviert, Brot dazu. Da kommen in sechs Löwentässchen zweierlei Weinbergschnecken, einmal mit geschmolzenen Tomaten, einmal mit Pilzen, Spinat und Knoblauchbutter, gedeckelt mit Minitoasts und brüllend heiß.

Der Hauswein schmeckt nach Blümchen, morgen bestellen wir eine Flasche! Aber das schmälert die Freude nicht am Risotto mit cremig-luftigem Blumenkohlschaum und einer amtlichen Schmorrippe vom Schwein mit schwarzen Linsen. Dazu der offene Rote, das passt jetzt auch!

La Glorie de mon Pere

Den nächsten Tag gammeln wir, ich schreibe über unseren Schwarzwald-Aufenthalt und verzweifel dabei am lahmen Netz – aber ich hab ja sonst nix!

Mittags gehen wir fremd für einen Salade Niçoise im anderen guten Restaurant des Dörfchen, La Glorie de mon Pere, mit aufmerksamem und super-herzlichem Service. Der Salade Niçoise wird hier, ganz in der Nähe der namensgebenden Stadt Nizza, als riesige bunte Mega-Bowl serviert, mit knackfrischer Paprika, leuchtenden grünen Bohne, Salat, Eivierteln, milden weißen Zwiebeln, sensationellen kleinen Oliven, prallen Kapern, Thunfisch aus der Dose und herrlich dicken, salzigen Sardellenfilets. Essen wie Gott in Frankreich, wir erinnern uns wieder!

Das große Grillen

Zurück im Hotel ziehen Rauchschwaden durch die Gasse, bis hinauf auf die Petite Placette des jeux de ballon (da will man doch wohnen!) Der Feuerring wird entfacht, das Metal mit Öl eingerieben, in der Mitte brennt geschlagenes Holz noch unruhig. Heute ist es wirklich schwierig noch einen der ca. 80 Plätze zu bekommen, wir haben Glück, um 21 Uhr ist noch was frei! Die Schiefertafel mit den Steak-Cuts ist da schon sehr ausgedünnt, eben will ich bestellen, da fährt die Kreide kreischend durch das gelistete Filet Secret!

Dieser herbe Schicksalsschlag entpuppt sich zwanzig Minuten später als ausgesprochener Glücksfall: vor mir neun Holzfeuer-gegrillte Garnelen, saftig, rauchig, knackig im Biss. Doch der eigentliche Star ist das dazu servierte Tomaten-Gemüse, eine Art Caponata aus grob geschnittenen Tomaten, die in Olivenöl mit Knoblauch, Zwiebeln, reichlich Kapern und süßen weichen Rosinen eingekocht wurde. Einmalig! Auch die Assiette de Fromage enttäuscht nicht, regionale Käse mit Charakter, jeder einzelne ein ganz eigener Genuss. Das Töpfchen Honig braucht es nicht. Wir schwelgen. Mehr Wein!

Hyères

Ist das heiß hier, schon morgens knallt die Sonne auf die Läden, die Kirchturmuhr schlägt eben Sieben. Heute gehts endlich ans Meer! Der Campingplatz, den wir uns am Vorabend ausgesucht haben, entpuppt sich als semi-ideal – schöne Anlage, aber getrennt vom Strand durch die fleißig befahrene Küstenstraße. Menschen in Badeklamotten rennen mit wehenden Handtüchern auf dem schmalen Zebrastreifen um ihr Leben. Weil das die no reservation-Tour ist, fahren wir gelassen weiter und erreichen gegen Mittag Hyères. Der Campingplatz, den wir uns dann während der Fahrt ausgesucht haben, ist voll besetzt, auch das ist die no reservations-Tour.

Und so landen wir letztendlich und zu unserem Glück auf der Halbinsel Giens und dem Campingplatz Olbia, nicht verwandt oder verschwägert mit der sardischen Küstenstadt. Supernettes Personal, man hilft uns sogar mit einem Leihkabel für Strom aus, ob ich das erste mal Campe will die Dame wissen, errötend verschweige ich, dass ich sogar ein Buch darüber geschrieben habe.

Zum Strand geht es auch hier über die Straße und dann durch ein Naturschutzgebiet mit einen Pinienhain von ergreifender Schönheit. Der Kieselstrand ist schwierig ohne Badeschuhe, das Wasser flach und Badewannen-warm…aber die Aussicht ist aber schön!

Auf dem Campinplatz wird schnell klar, warum es noch so voll ist im Süden, wir hören es genau: Bayern und Baden Württemberg haben noch späte Sommerferien und das wussten wir nicht. Wir genießen die gepflegte Anlage, das Leben am Camper. Am ersten Abend besuchen wir die Pizzeria auf dem Gelände, anderntags backe ich zur Mittagszeit die Pizza-Reste in einem selbstgebastelten „Ofen“ aus Bratpfanne und Kochtopf auf.

Abends gibt es dann grobe Bratwürste zu einem fruchtig-saftigen Salat aus reifen Pfirsichen und Tomaten, knackigen Gurken und einer halben gewürfelten Zwiebel – alle Zutaten aus dem kleinen Camping-Supermarkt. Die zweite Zwiebelhälfte brate ich in Scheiben geschnitten, mit den Würsten mit – et voila: Schmorzwiebeln.

Vom Campingplatz aus suchen wir unser nächstes Ziel, ein kleines Bed & Breakfast in der Provence, nahe Uzés, mit dem klingenden Namen Les Sardines aus yeux bleu – die haben noch ein Zimmer frei!

Und hier geht es weiter:

No Reservations – Tour de France Sud (1): Villefranche-sur-Saône – Seillans – Hyères

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