No Reservations – Tour de France Sud (2): Cassis – Aigaliers – Uzès

Wir sind einfach losgefahren, ohne Reservierung, kein Restaurant angefragt, kein Hotel reserviert. Nur wir und der Van. Der zweite Teil unserer Reise führt zur Hafenschönheit Cassis, in ein traumschönes Bed & Breakfast auf dem Land und nach Uzès!

Cassis

Weil wir frei und mehr oder weniger ohne Plan (und vor allem ohne Termindruck) reisen, fragen wir immer auch unsere Gastgeber nach Tipps. Beim Auschecken im Hotel Des Deux Rocks empfiehlt man uns, Cassis nicht zu verpassen.

Eine Spielfilmlänge später stehen wir im pitoresken Hafen des Städtchens und können uns nicht satt sehen, an den bunten Häusern, dem grünen Hausberg. Palmen säumen die hellen breiten Strassen, im Schatten der Gassen liegen kleine und winzige Läden die duftende Würste feilbieten, Käse und süße Gebäcke.

Das blöde an traumschönen Orten ist: das spricht sich rum. Cassis ist total überlaufen, in der Peripherie des Städtchen einen Parkplatz zu bekommen gleicht einer Lotterie-Teilnahme. Und dann erwischt uns auch erstmals ein Problem, dass uns öfter auf der no reservations-Tour ereilen wird: wer spontan reist, weiß auch nicht so richtig gut, wo genau jetzt essen gehen.

Angesichts einer Perlenschnur von Restaurants rund um den Hafen (und noch mehr Gelegenheiten in den Seitenstraßen) tippe ich hektisch auf dem Smartphone rum. Tripadvisor kann man direkt vergessen. Da schreibt irgendwer, da schreiben viele, ganz Unterschiedliches, meist ist alles „zu wenig und zu teuer“ und alles ist darum am Ende immer so mittelgut bis gut, dabei  null aussagekräftig. Michelin ist ein Anhaltspunkt aber auch da gibt es in jedem französischen Städtchen so viele gelobte Restaurants, das hätte man sich vielleicht mal in Ruhe durchlesen sollen, nicht in der Mittagshitze am Kai von Cassis.

Alle Restaurants sehen überdies gleich aus, einige rustikaler, andere etwas moderner, das Angebot auf den Speisekarten ist nahezu identisch, Muscheln, gerillter Fisch. Irgendwann sitzen wir vor einem Lokal, dass wir nach dem Prinzip „karierte Tischdecke“ ausgesucht haben und über das meine Frau später sagen wird: darüber schreibst Du aber hoffentlich nicht! Das Essen ist in Ordnung, der Blick hinter die Kulissen nicht. Trost erfahren wir in der Eismanufaktur L’Artisan Glacier in der ich, ohne Übertreibung, das beste Pistazieneis meines Lebens auf der Zunge schmelzen lasse: nussig, naturgrün, cremig wie samt. Zweite Kugel: Salzkaramel, ich geh rein und sags Fred und Anne Julie: „Formidable!“

Wieder eine traumschöne Fahrt über Land, hinein in die Provinz, plötzlich ist der Herbst da, die Felder in Gold getaucht, die Bäume werden bunter, rotbrauner Fels, hohe Brücken über tiefe Schluchten die der Sommer ausgetrunken hat.

Les Sardines aus yeux bleu

Am Nachmittag erreichen wir Les Sardines aus yeux bleu in Aigaliers. Ein Bed and Breakfast wie aus einem dieser französischen Filme, wo viel gekocht, lang gelitten und stürmisch geküsst wird. Ein Landhaus mit Geschichte und Geschichten in jedem schiefen Winkel.

Unsere Gastgeber begrüßen uns bitten uns herein in die gute Stuben, wir mögen doch bitte Platz nehmen, es wird parliert, Smalltalk, ich bin einsilbig und wundere mich. Erst später begreife ich: das sind superfreundliche Leute, das ist ein kleines Haus mit wenigen Zimmern, die Gastgeber wollen einfach wissen, wer da wohnt.

Uzès

Wir holen uns einen Tipp fürs Abendessen und fahren eine Viertelstunde ins nahe Uzès. Wir verlieben uns sofort in diese Stadt, die da steht wie ein Bollwerk, dicke Mauern die durch alte Zeiten führen, gestreichelt von warmer Abendsonne. Boulevards und kleine Gässchen münden immer wieder in große stille Plätze. Belebt ist an diesem Spätsommerabend nur der große Hauptplatz, der Place aux Herbes, gerahmt von einer Bogengasse und unzähligen Restaurants – unter den Arkaden wurden Szenen für „Cyrano von Bergerac“ mit Gérard Depardieu gedreht.

Wir trinken Duché d’Uzès – Wein in der Dämmerung des ausgehenden Tages, sitzen vor dem Les Terroirs, einer kombinierten Weinbar mit „Boutique Gourmande“ mit regionalen Spezialitäten. Angenehm vertreiben wir uns die Zeit, wir haben heute einen Tisch in einem anderen Restaurant, empfohlen von unseren Gastgebern. Allerdings, Aufgrund der späten Anmeldung, erst in der zweiten Runde ab 21:30 Uhr.

Le Bec à vin

Das Warten hat sich gelohnt, im Handtuch-schmalen Innenhof des Restaurants Bec à vin ist es urgemütlich, der junge Service von heiterer Zugewandtheit, der Wein schön kalt. Saftige, richtig knusper-fettige, fleischige Lamm-Kotelettes werden serviert, mit buttrigen Kräutern auf einem kernig-schlozigen Dinkelrisotto mit Schafskäsecreme.

Das Dessert haben wir nur aus Neugierde bestellt und es nicht bereut: dieses köstliche Kunstwerk ist nicht weniger als die Umsetzung eines Snickers-Riegels durch eine geniale Pâtisserie – es ist ein Traum an Karamelmousse, Schokoladeneis und zartbitteren Schokoladenblättchen, gerösteten Haselnusskernen und buttrigem Sandgebäck.

Anderntags ist Badetag bei den blauäugigen Sardinen, am Pool rumgammeln, lesen, schwimmen, das Wasser ist herrlich kühl!

Gegen Nachmittag schlendern wir nochmals durch Uzès, gestern waren alle Geschäfte schon geschlossen. Ich kaufe im Maison de la Brandade verschiedene Stockfisch-Cremes (Brandade de morue) von La Nimoise aus dem benachbarten Nîmes. Die Stockfischcremes unterscheiden sich durch den unterschiedlich hohen Anteil an Stockfisch, der Zugabe von Milch oder Wein. Ich kaufe vier verschiedene Gläser, nachdem Madame mir nur ein paar erste Rezeptideen zuflüstert.

Es gibt auch viel Nepper-Schlepper-Quatsch-Läden, etwa der Trüffelladen, der ein Glas regionaler Trüffel auf dem Tresen stehen hat, und ansonsten hunderte „Trüffelprodukte“ aus italienischer Produktion, alle aus reichlich Champignons mit Trüffelöl und nur Spuren echter Trüffel. Oder der überzuckerte Bonbon-Saal in bester Lage. Man fährt gut damit, die Handwerker zu besuchen, die Fleischer, die Bäcker, Läden wie das Terroir oder den grandiosen Bauernmarkt (Mi und Sa) auf dem zentralen Place aux Herbes.

Apropos Handwerk! Am Tag der Abreise spreche ich unseren Gastgebern ein Kompliment für das fantastische Baguette und das bislang beste Croissant der Reise aus. So buttrig! So zartblättrig! Madame dankt und berichtet aufrichtig, die Baguette seien vom Handwerksbäcker aus Uzès, die Croissants hier im Haus frisch aufgebacke und ansonsten aber: „von einer Firma“. Ich werde mich stark dafür einsetzen, dass die Bäckereien daheim künftig auch von dieser Firma beliefert werden.

Auf nach Arlés!

Und hier geht es weiter:

No Reservations – Tour de France Sud (1): Villefranche-sur-Saône – Seillans – Hyères

No Reservations – Tour de France (2): Cassis – Aigaliers – Uzès

No Reservations – Tour de France Sud (3): Arlés – Camargue

No Reservations – Tour de France Sud ‎(4): Cavaillon – Lacoste – Menérbes

No Reservations Tour de France Sud (5): Beaunes – Andernach

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