Doin‘ The Duc – von Japan nach Vietnam und zurück, ein panasiatisches Wochenende in Berlin

Kennen Sie das? Wenn Reisegruppen oder Urlaubsbekanntschaften gegen Ende gemeinsam verbrachter Tage beschließen, sich doch bald mal auch in der Heimat wieder zu sehen? Klappt nie! Umso erstaunlicher, große Teile der internationalen Vietnamreisegruppe vom vergangen November, in Berlin wieder zu treffen. Unser Gastgeber, The Duc Ngo, hatte in seinen Kiez geladen, da wo er aufgewachsen ist, an der Ecke Kantstrasse / Schlüterstrasse (und weit darüber hinaus) betreibt der Koch und Erfolgsgastronom mit vietnamesischen Wurzeln mittlerweile eine vielzahl panasiatischer Restaurants, deutschlandweit sind es elf: jedes einzelne ist ein so individuell wie liebevoll gestalteter Ort der Gastlichkeit, mit eigener Philosophie, Thematik und Gästestruktur. Unser Wochenende beginnt Freitagabend mit einem Besuch im:

893 Ryõtei

Achten Sie auf die kleine Leuchtschrift über dem Eingang, ansonsten weist nichts an diesem grauen Wohnblockhaus mit zugesprayten Fenstern im Erdgeschoss auf eines der derzeit angesagtesten Restaurants der Stadt hin, The Duc Ngo kocht hier japanisch – man sollte mit reichlich Vorlauf planen und reservieren! Hinter Tür und Vorhang: ein so elegantes wie gemütliches Restaurant, die offene Küche und die Bar zieht sich wie ein leuchtendes Schiff durch den Raum, es riecht gut, es ist ordentlich was los. Alle sind wunderbar entspannt, das Personal, die Gäste, und auch die Show- Musik- und TV-Prominenz, die hier ihre Ruhe hat. Tolle Stimmung.

Samtige Shiitake und Kräutersaitlinge in Schnittlauch-Dashi  werden gereicht, richtig gute Edamame auch. Dann geht es los, alles auf den Tisch und teilen: Tako – gegrillter Oktopus in erfrischendem Sojas-Sesamdressing mit Tomaten. rohen Zwiebeln und reifer Avocado- „Horenso & Truffel“ ein Spinatsalat mit schwarzen Trüffeln und Su-Miso. Gegrillte Auberginen „Nasu Ponzu“ in Ponzu-Sauce, irre gut! Rinder-Tataki mit Ingwer und Nori, dass auf der Zunge schmilzt. Eine hawaiianisch inspirierte Poke vom Adlerfisch, zart mit Biss, Säure, Schärfe, eine nussige Cremigkeit –  alles da! Saftige Garnelen-Tempura auf grünem Salat mit scharfer Schnittlauch-Sesamsauce – es ist ein Fest!

 

Der kurz gebratene Thunfisch in negi abura Öl von gerösteten Frühlingszwiebeln ist elegant und nur subtil gewürzt, eine Ahnung von Rauch, der Fisch darf glänzen! Bildschön und von bester Güte das Sashimi – der Thunfischbauch und vor allem die rohen Scheiben von der Jakobsmuschel waren dabei meine Highlights.  Es kommt japanisches Brat-Hähnchen, wie es sein soll, butterzartes, ausgelöstes Schenkelfleisch, eine herrlich salzig-knusprige Haut, eine tiefe Sauce, die man schlürfen möchte. Dazu gibt es Udon-Nudeln mit Pilzen und Pak Choi in cremiger Miso-Sauce.

Und dann kommt der Schwarze Heilbutt „Miso Cod“ und der supersympathische Rapper vom Nebentisch sagt: „Das ist mein Lieblingsgericht!“ Und meins jetzt auch. Brillant, technisch, geschmacklich, jetzt schon ein „Teller des Jahres“ für mich! Und zu diesem Zeitpunkt war mein Urteilsvermögen, isch schwör, noch ungetrübt vom Enter Sake Sekiya Silver, Junmai Ginjoy, auch ungetrübt vom 2016 Haus Klostergarten Riesling, Markus Molitor, dessen Qualität wir im weiteren Verlauf des Abends mehrfach überprüfen mussten (seine frische Vitalität, mit elegant eingebundener Restsüße empfiehl ihn zu asaitischem und scharfem Essen!). Darum gibt’s auch kein Foto vom göttlichen Grüntee-Tiramisu, noch vom erfrischend intensiven Mandarinensorbet mit Yuzu Mandarinen-Creme, Chicoree und gepopptem Buchweizen – alles einfach weggelöffelt und darüber sogar das Foto vergessen!

893 Ryõtei

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Madame Ngo

Die Nacht war lang und zum Frühstücken gehen wir nach Vietnam, das liegt in der Kantstrasse, genau schräg gegenüber von Japan, wo wir gestern Abend waren. In den Fenster simmern fette Brühen in hohen Töpfen, gekochte Hühner stehen Spalier, goldgelb, die Schnekel hoch, dampfend und duftend. In der Küche: noch mehr Riesentöpfe, in denen es simmert und brodelt – Phở-Time! Im aufgeräumt, schlichten, warmen Restaurant wird das Nationalheiligtum Vietnams in Perfektion gereicht. Ich habe im vergangenen Jahr sehr viele Pho-Suppen gegessen, gerade auch im Heimatland der vietnamesichen Nudelsuppe selbst – und ich finde hier, in der Kantstrasse, mein Glück: die Pho ist tief und würzig, es fehlt aber jene charakteristische Glutamatkeule, die Brühe (jetzt am Vormittag „first flush“) schmeckt rein, fleischig tief und elegant, gut gewürzt mit Zimt und schwarzem Kardamom, es duftet herrlich, neue Lebensgeister erheben sich aus dem Dampft.

Noch etwas ist gänzlich anders hier: neben dem schieren, zarten Rindfleisch, das hier roh in die Suppe kommt, wird ein weiterer Teller mit gekochtem Rinderbauch aufgetragen, er hat einige Stunden im Rinderfond mitgekocht, wurde dann abgekühlt auf der Aufschnittmaschine in feinste Scheiben geschnitten und das wird mit viel frischem Ingwer zur Suppe serviert. Ich kann das garnicht mehr anders essen! Der Bauch bringt nochmal den vollen Rindergeschmack, das gelbe, kernige Fett ist köstlich. Knusprige Youtiao (chinesische Krapfenstangen) und rohe Zwiebeln, scharf mariniert, ergänzen das Festgelage und der Duc empfiehlt uns zu recht, auch noch eine Portion von seinem Rindercarpaccio zu probieren, mariniert mit Hoisin und Sriracha-Sauce – spicy, like Carpaccio never happened! Bei Madame Ngo gibt es noch viel mehr zu probieren (hier die Speisekarte!), ich muss wiederkommen!

Madame Ngo – une Brasserie Hanoi – Indochine French Cuisine

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Thanh Koch – die inneren Werte Vietnams

Wir fahren raus nach Lichtenberg zum legendären vietnamesischen Großmarkt, Marie Kondo hätte Kreislauf: beindruckend viel Klamotte, Kitsch und Krempel, extrem beeindruckender vietamesischer Frischemarkt! Doch der Duc hat noch anderes mit uns vor, wir besuchen, ganz in der Nähe und doch ausserhalb des Dong Xuan Centers, ein Restaurant, dass der Duc ganz besonders empfiehlt: bei Than Koch kann man eine wirklich authentische vietnamesische Küche genießen, mit Speisen, die man anderswo in der Republik wohl überwiegend vergeblich auf den Karten vietnamesischer Nachbarschaftsrestaurants sucht. Mit saftigem Bananenblattsalat und gebackenen Garnelen (echt dicke Dinger!), werden wir geködert. Dann geht es buchstäblich : ans Eingemachte.

Die hausgemachte Wurst, in Kastenform und im Reisblatt gedämpft, ist würzig und von appetitlicher Saftigkeit – das machen auch die glasigen Stücke von der Schweineschwarte, im ansonsten feinen Brät. Zur Challenge gerät mir die vietnamesisch Schlachteplatte mit eine so intensiven wie ausgezeichneten Blutwurst, zarten Lappen vom Herz, Leberstücken und dann gehts los: „Schlund“ schmeckt fleischig und intensiv nach Schwein, bei den Stückchen vom Darm (supersauber und ohne Fehlnoten) kaue ich optimistisch los und gebe dann aber auf – zuviel Kopfkino. Insgesamt große Klasse: zu den Innerenein schmeckt die scharfe Schalotten-Dip -Sauce und vor allem die vietnamesischen Kräuter bringe einen ganz eigen Frische an die Schlachteplatte. Definitiv etwas, dass ich in meiner Küche vertiefen möchte – es muss ja nicht gleich Darm sein.

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Golden Phoenix im Hotel Provocateur

Wir nächtigen im Provocateur, einem Hotel mit ganz besonderem, burlesquem Flair, Berlin-Paris, die 1920er Jahre… neben all der angedeuteten eroticness, ist das ein elegant gestaltetes, modernes Hotel in alten Gemäuern, die Betten sind groß und kuschelig, es gibt reichlich Kopfkissen (liebe ich!), das Personal ist, insbesondere an der imposanten Bar, superfreundlich, kompetent und hilfsbereit.

Überhaupt müssen wir kurz über die Bar sprechen, denn so sehen Sieger aus, und zwar Doppelsieger! Bei den renommierten Mixology-Bar-Awards zeichneten die KollegeInnen vom Mixology Magazin die Provocateur Crew mit gleich zwei Preisen aus, in den Kategorien „Hotel Bar of the Year 2019“ und „Bar Team of the Year 2019“ – und ja, das merkt man, großartiger Service! Abends, zumindest am Wochenende, verwandelt sich die Bar in einen Club mit DJ, Minimal Music und housy Beats, live Perfomances.

Und eigentlich muss hier sowieso niemand weg, denn The Duc Ngo betreibt hier ein lässiges Fine-Dining-Restaurant, sie können hier also gediegen eine ganze Samstagnacht durchfeiern, mit Restaurantbesuch, Barbetrieb und Dancing zu vorgerückter Stunde! Das ist mega beliebt, es gibt Türsteher und Einlassstopps. Gut, dass wir schon drin sind!

Hotel Provocateur

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The Golden Phoenix Experience

Der Duc übergibt uns an diesem Abend in die guten Hände seines Küchenchefs Philiph, der mit seiner Crew für uns zaubert – Teller um Teller, all night long…

Los geht es mit Sashimi vom Wolfsbarsch in scharfem Chili-Mole-Öl, das mexikanische Feuer hebt Sashimi auf ein ganz neues Geschmackslevel. Seidig zart die Beef-Buns aus dem Dumpling-Körbchen, sensationell locker und großstückig die Sui Mai Shrimps, mit Jakobsmuscheln (!) und Forellenkaviar! Dragon Prawns werden serviert, dick und saftig im Kunsperteig mit Mandel, Honigmayonnaise und grüner Chili – großartig und ein augenzwinkernder Gruß an den Berliner Kollegen Tim Raue und sein Signature Dish „Wasabi Kaisergranat“.

 

Ein Highlight für alle am Tisch ist die große Schale mit würzigem Garnelenhack, Kräutern, Lauch und Röstwziebeln, das mit Hoinsin Sauce beträufelt, im Salatblatt gewickelt wird – das alleine ginge auch schon ganz gut, den ganzen Abend. Krachend frischer Gurkensalat mit rohen Enoki-Pilzen begleitet zarten Spicy-Beef Salat mit Goji gesäuert. Geröstete Aubergine badet in dunkler süß-sauer Sauce mit geräuchertem Spicy-Salt.

Eine elegante, französisch anmutende Runde folgt mit Foie Gras und Pfirsich (um Welten besser als die ewigen ollen Apfel-Kombinationen), mit gebratenene Jakobsmuscheln, grünem Sellerie und roher Birne und einer Art sauer-scharfen Katsu Sando Sauce. Ein Highlight ist der perfekt gebratene Wolfsbarsch mit zarten Nudelblättern und einer süffig-sämigen Beurre-Blanc-Sauce mit Kaviar – klassischer geht es nicht und ich bin immer dankbar für solche Gerichte, das ist die Basis der Kochkunst, culinary french coture! Möge es immer Gastronomen und KöchInnen geben, die diese Kunst pflegen und beherrschen – weiterentwickelt wird ja überall und nicht immer zum Besseren.

 

Der Duc hat Feierabend und gesellt sich zu uns, bestellt eine Peking-Suppe wie ich noch keine aß, dicke Entenfelischfetzen, tiefe ausgefeilte Aromatik, Balsamessig säuert elegant. Knuspriges Backhähnchen macht süchtig, auch jetzt noch, wir sind längst gesättigt, doch auch Ducs Version des Klassikers Tournedo Rossini findet noch begeisterte Abnehmer. Ein erfrischendes Dessert mit Ananas kickt uns raus und rüber, in die Bar des Jahres. Gut, dass wir später nur noch die Treppe hoch müssen!

Golden Phoenix Restaurant

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