9 Sterne zum Frühstück: der Sylter Sterneköche-Brunch im Budersand Hotel

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Diese Frühstücksbrigade würde sich wohl so manches Hotel wünschen: zum Auftakt des diesjährigen Festival der Sterne im Budersand Hotel Golf & Spa hatten sich alle sechs Sterneköche der Insel eingefunden um erstmals gemeinsam für die Gäste des Sylter 9-Sterne Brunch aufzukochen. Vorfreude bei einem frischen Glas eisgekühltem Billecart-Salmon Champagner extra Brut, für mich eine beeindruckende Neuentdeckung.

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Die Gastgeber Rolf Brönnimann und Kai3-Sternekoch Jens Rittmeyer begrüßen Gäste und Gastköche im Foyer des Hotels. v.ln.r.: Johannes King, Alexandro Pape, Christian Mathiak (in Vertretung für Holger Bodendorf, Jens Rittmeyer, Sebastian Zier und Jörg Müller)

Ausverkauftes Haus, viele Gäste sind weit gereist für diesen außergewöhnlichen Vormittag, der lichte Frühstücksraum mit Meerblick füllt sich schnell. Ich finde Platz in einem schönen Nebenraum, direkt an den Kochstationen von Alexandro Pape und Jörg Müller. Auf das reiche, klassische Frühstücksbüffet verzichte ich, um mich ganz auf die Gänge der Meisterköche zu konzentrieren.

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Ich beginne bei 2 Sterne-Koch Alexandro Pape vom Fährhaus Sylt, der mit seinen Kollegen einen delikate Vielschichtigkeit im Cocktailglas anrichtet: getauchte Jakobsmuscheln, perfekt gebraten und mit zart schmelzender Blutwurst vermählt, getoppt von Birnen-Schalotten-Chutney, Creme und Espuma von der Pastinake, Schmorschalottenschaum, Feldsalat und Röstschalotten. Bißchen viel Schaum denke ich noch und entschuldige mich gedanklich sofort, es ist zum weglöffeln gut, jede Zutat findet Raum und das Zusammenspiel von Zutaten, Aromen, Würze, Texturen und Temperaturen ist perfekt.

Zudem lerne ich Alexandro Pape als humorvollen und eloquenten Gesprächspartner kennen, der weit über den Tellerrand blickt und in kulinarischer Hinsicht auch gesellschaftspolitisch ein Denker ist – der kleine Cliffhänger sei erlaubt – da kommt bald ein tolles Projekt von dem sicher auch hier zu lesen sein wird.

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Weiter geht es zu Jörg Müller vom Restaurant Hotel Jörg Müller, sicher nicht nur für mich ist der Mann eine Legende. Schon als ich in Ende der Achtziger Jahre bei Albert Bouley kochen lernte, gehörte er zu den klingensten Namen der Republik, erfürchtig blickten wir in seine Küche. Müller ist eine Erscheinung, blenden sieht er aus, der Mann mit dem schwungvoll gezwirbelten Bart ist sich treu geblieben – handwerkliche und geschmackliche Perfektion ohne jede Effektascherei: seine perfekt gegarte Roulade von Seezunge und Wildlachs zergeht auf der Zunge, dazu aromatisches Nage-Gemüse und Champagnersauce – auf den Punkt!

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Johannes King vom Söl´ring Hof serviert ein Onsen Ei, ursprünglich eine japanische Zubereitung, bei der Eier in den heißen Quellen, den Onsen, langsam und gleichmäßig gegart wurden. Bei King kommen die Eier aus dem Wasserbad, 70 Minuten bei 63 Grad, „da müssen Sie schon ein bißchen pingelig sein, sonst gerinnt das Eiweiß“, erklärt der Meister, der in diesem Jahr vom FEINSCHMECKER zum Koch des Jahres gekrönte wurde. King kann´s und im Glas findet sich ein perfekt gegartes, aus der Schale geflutschtes Ei von beinahe cremiger Textur – auf dicken Bohnen (toll, mit Biss!) einem Kartoffelschaum zum Reinspringen, dazu Apfel und Stücke vom Aal, festfleischig, aromatisch.

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Christian Mathiak, Küchenchef des Landhaus Stricker, vertritt seinen Chef, Holger Bodendorf. Der Teller zeigt aufs schönste, was große Küche heute (auch) ausmachen kann: bildschön, ohne überladen zu sein und mit deutlichem Fokus auf wenige Aromen präsentieren sich geflämmter Kabeljau mit Gartengurken, Crème fraîche und Kaviar. Die Gartengurke duftet köstlich, als Stück (sous vide?) und würziges Gelee, der Kabeljau zerfällt und das kleine Crème fraîche-Kissen macht mit dem Kaviar zusammen richtig Spaß im Mund. Dazu gibt’s geröstetes Quinoa, das erdet die Komposition mit angenehmem Knusper und nussigem Aroma.

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Einer meiner Lieblingsgänge an diesem Vormittag kommt von 2 Sterne-Koch Sebastian Zier, Küchenchef im „La Mer“ (arosa Hotel).

Dass es ausgerechnet davon kein Teller-Foto gibt, ist dem Umstand geschuldet, dass die Wachteleier ausgegangen waren und die Kreation dementsprechend nicht mehr im Sinne des Erfinders. Dennoch, mich überzeugte ganz und gar: getrüffelte, cremige Polenta unter der sich ein Stückchen Gänseleber versteckte. Das Wachtelei dazu, konnte ich mir prima vorstellen. Ein Gang von ergreifender Schlichtheit, der durch Idee, Produkt, Handwerk und Komposition begeistert. In Zeiten von verspielt-überladenen Tellern eine wohltuender Richtungsweis.

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Dem sich der Teller des Gastgebers, Jens Rittmeyer vom Kai3 Restaurant im Budersand Hotel gleich anschloss: auch hier wenige, perfekt komponierte Zutaten, tragende Ideen und fertig ist der Genuss: Rittmeyer schneidet das Fleisch vom heimischen Rind nicht allzu fein, das verleiht seinem Tatar Charakter, ganz toll dazu der Hauch von Wachholder und die sauer-würzige Holunderbeeren, die wie Kapern eingelegt wurden. Und dazu noch eine Nocke Eis. Das geht ja gerne mal schief, in diesem Fall hätte ich das Eis auch ganz ohne alles weggelöffelt, in Kombination war der „geeiste Föhrer Senf“ sowieso ein hocherfreulicher Kracher. Chapeau!

Eine tolle Schokoladenmousse wurde auch noch gereicht und Champagner nachgeschenkt und Kaffee sowieso und da stand auch noch das herrliche Frühstücksbüffet, mit hausgemachten Aufstrichen, Räucherfischen, Schinken, Käse Krabben und Croissants – 99 Euro p.P. kostete dieser Ausnahme-Brunch der Sylter Sterneköche, zu dem ich als Chronist eingeladen war.

Jetzt geh ich raus, ein paar Runden drehen, es hat aufgehört zu regnen und es zeigt sich mal wieder: Sylt braucht keine Jahreszeit, auch jetzt ist es wunderschön zwischen Heide und Meer, der Wind macht den Kopf frei und das Herz weit und ich werde ein ganzes Stück gehe und mir wieder Hunger holen, den heute Abend ist Rolf Fliegauf Gastkoch des Festivals. Was der einzige Schweizer Koch mit insgesamt vier Michelin Sternen (zwei Sterne für sein Restaurant Ecco im Hotel Giardino in Ascona und zwei weitere Sterne für sein Restaurant Giardion Mountain in St. Moritz) heute Abend servieren wird, davon wird morgen hier zu lesen sein.

Was noch geschah:

1. Tag:
Ein Abend mit 2 Sterne-Koch Rolf Fliegauf und dem Weingut Knipser

2. Tag:
Ein Abend mit 3 Sterne Koch Klaus Erfort und Domaine de’l Horizon Weinen

3. Tag:
Ein Abend mit 2 Sterne Koch Jacob Jan Boerma und dem Weingut Kollwentzz

4. Tag:
Rittmeyer & Friends – 7 europäische Sterneköche, 7 Teller und Weine der 5 Freunde aus der Pfalz

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