Da hab ich erstmal mit den Augen gerollt, in der Buchhandlung. Kochen und Servieren im Glas, och nö, is klar, eine entbehrliche Marketing-Idee, man muss sich ja heutzutage schwer was einfallen lassen um dem Kochbuchmarkt noch was hinzufügen zu können, zwischen Hochglanzschmöker und Ramschkarussell. Ich hätte das Buch nicht in die Hand genommen, wäre es nicht von Tanja Grandits, der Küchenchefin des legendären „Stuki“ in Basel, die 2009 einen Michelin Stern erkochte und eben vom Gault Millaut zur Aufsteigerin des Jahres gekürt wurde.
Alles in Glas also. Konservative Kritiker sind dieser Darreichungsform schon etwas länger überdrüssig, da wurde in den vergangenen Jahren doch das ein oder andere Schaumsüppchen zuviel im Reagenzglas serviert, für viele Feinschmecker ist die Glasnummer auch schlichtweg effekthascherischer Kitsch. Wir haben doch Teller.
Nicht so schnell, möchte man rufen, spätestens nach Lektüre von Tanja Grandits wunderbarem Buch. Sie zeigt die Stärken der Glasnummer: mitunter gelingen wunderschöne Miniaturen, das Glas gibt ganz andere Anrichteregeln vor und sorgt auch dafür, dass ganz anders gegessen wird. Von oben nach unten nämlich, fährt die Gabel oder der Löffel durchs Glas, der Genießer hat stets alle Komponenten eines Gerichts gleichzeitig am Gaumen, das ist ein ganz besonderes Erlebnis wenn verschiedene Texturen oder Temperaturen zusammen spielen. Dieses Zusammenspiel gelingt ausschließlich im Glas und bedeutet weit mehr als ein visuelles Gimmick.
Tanja Grandits Küche ist geprägt von eben diesem Miteinander der Aromen, Farben und Texturen und die Meisterköchin legt neben einfach nachkochbaren, aber raffinierten Kompositionen wie Gersten-Selleriesuppe mit Bresaola und grünem Apfel, Ziegenkäsekuchen mit Estragon und Datteltomaten oder Fenchel-Avocado-Salat mit Orangen und Pistazien-Vinaigrette, auch sehr ambitionierte Rezepturen für Fortgeschrittene vor: Geeiste Tomatenessenz mit Sternanis und knusprigem Perlhuhn-Lolli, Jakobsmuschel-Wasabi-Crumble mit Erbsen-Ingwer-Püree und Lammhaxenravioli mit Amaretti-Kürbispüre und Birnen-Sambal, beispielsweise.
Ein großer Zugewinn ist das Buch auch durch die viele Rezept in denen das Aroma-schonende Kochen im Glas angeregt wird: Langustinen und Tomaten in Vanilleöl konfiert, Poulet-Piment-Fleischkäse mit Kartoffel-Karamellschalotten-Salat, Maispoularden-Tagine mit Salzzitronen und Oliven, Steinpilz-Frittata mit Zitronenthymian und Pecorino, im Glas geschmorte Kalbsbäckchen mit Ras el hanout und Karotten-Coucous.
Die wenigen hier zitierten Rezepttitel zeigen es, Grandits Küche ist stark inspiriert von der asiatischen und arabischem Gewürzküche, auch das macht dieses außergewöhnliche Buch so besonders, Glas hin oder her, dies ist eine raffinierte und kompositorisch sehr spannende Küche, mit erfreulich hohem Anteil an vegetarischen Gerichten.
Nicht zuletzt sei der Fotograf Michael Wissinger genannt, der mit klarer, zurückhaltender, Bildsprache die Miniaturen in sanftes Licht tauchte und mit seiner Arbeit auch schon da Buch „Der große Lafer“ prägte.
Alles klar ist sehr inspirierend und anregend kreativ, die Rezepte raffinierte Herausforderungen für Geschmack und Auge gleichermassen- ich bin überzeugt, dass zumindest mich dieses Kochbuch deutlich länger beschäftigen wird als sonst üblich.
Links:
Tanja Grandits Restaurant Stucki:
www.stuckibasel.ch
Fotograf Michael Wissinger:
www.michael-wissinger.de
AT Verlag:
www.atverlag.ch
Tanja Grandits
Alles klar
Im Glas gekocht – im Glas serviert
AT Verlag, Baden, CH
200 Seiten, Format 18,5 x 25 cm
102 Farbfotos, Gebunden, Pappband
ISBN 978-3-03800-473-8
EUR D 24.90
CHF 39.90
EUR A 25.60