Ein kulinarisches Wochende in Valencia (1): Tapas und Sterneküche – ein Abend bei Bernd Knöller im RIFF

Zwischen Tradition und Avantgarde: Valencias bunte Gastroszene feiert Vielfalt und eine neue Regionalität - ohne Denkverbote!

Auf den ersten Blick. 2018 war ich das erste Mal in Valencia und verliebte mich auf der Stelle in diese sonnige Stadt am Meer. Die freundlichen, lässigen Menschen dort, die blühende junge Foodszene.

Klassik, Regionalität und Avantgarde – wie gut das in Valencia zusammen geht.

Im Februar diesen Jahres besuchte ich Valencia erneut und erlebte als Gast ein neues kulinarisches Niveau, was für eine lebendige und gradlinige Entwicklung! Das Bewusstsein für das eigene kulinarische Erbe ist mit großer selbstverständlichkeit nochmals gewachsen.

Geblieben ist die Weltoffenheit und auch der sympatische Eigensinn, mit dem sich die junge valencianische Küche rasant entwickelt und die Stadt erneut als Hot Spot für Foodies empfiehlt.

Das 2020 Valencia Culinary Festival, Anlass meines Besuches, zeigte erneut die ganze Bandbreite der Gastronomie und das kreative Potential dieser Stadt.

Dann kam der Lockdown der in Spanien bekanntermaßen um einiges härter und konsequenter durchgeführt wurde als anderswo.

Jetzt ist die Stadt zurück. Die Gastronomie hat es leidlich überstanden und freut sich darauf, endlich wieder internationale Gäste willkommen zu heißen. Und ich freue mich doppelt, Euch Appetit auf Valencia zu machen!

Boquerones deluxe im La Santa

Valencia zu besuchen, ohne zuvor einen Tisch beim Schwaben Bernd Knöller zu buchen, ist möglich aber sinnlos. Knöller lebt und wirkt seit nun beinahe 30 Jahren in Valencia, sein mehrfach ausgezeichnetes Restaurant RIFF gehört seit Jahren zu den besten Adressen der Stadt, Knöller zu den besten Köchen des Landes.

Ich freue mich darauf wieder bei ihm essen zu können, seit meinem ersten Besuch vor zwei Jahren sind wir locker freundschaftlich verbunden, zuletzt sahen wir einander auf der Frankfurter Buchmesse, auf der Bernd Knöller als kulinarischer Botschafter Valencias auftrat.

Jetzt stehe ich aber erstmal vor verschlossener Tür, ich lerne das nicht mehr, in Spanien isst man spät. Wirklich. Kaum ein Restaurant macht vor 21-21:30 Uhr auf. Macht aber nix, ich gehe um die Ecke ins La Santa, eine freundlich einladende Taperia und bestelle eiskaltes Bier und Boquerones en vinagre mit grünen Oliven. Ich liebe die eingelegten Sardellen und was da kommt, sind die besten die ich je hatte: dicke fleischige blütenweise Filets, von milder Säuer und mit Basilikumöl beträufelt. Es ist köstlich.

El Albero Taberna - Apero Andaluz

Blick auf die Uhr, immer noch Zeit. Und eine Ecke weiter ein wunderbarer Ort: El Albero Taberna (Link führt zu Facebook) ist rappelvoll mit fröhlichen Einheimischen, zur Begrüßung gibts ein Scheibchen Weißbrot mit Salami, ich bestelle Sherry, der hier herrlich eiskalt ausgeschenkt wird – und wo ich schon mal da bin, auch direkt nochmal ein paar Boquerones. Man kommt schnell ins Gespräch, mit Händen und Füßen und Englisch.

Jetzt aber:

Ein Abend in Bernd Knöllers Restaurant RIFF

Tatsächlich bin ich an diesem Abend der erste Gast im Restaurant und so ist Zeit für ein Schwätzchen mit Bernd Knöller, der unruhige Zeiten hinter sich hat: nachdem im vergangenen eine Pilzvergiftung im Restaurant festgestellt wurde, ging der Sternekoch mit Ruhe, Akribie und Gelassenheit in die Aufklärung und ist heute von allen Anschuldigungen und Verdächtigungen frei gesprochen. Ein Einbruch war das dennoch. Knöller und sein Team hielten durch (insbesondere die hier und da beschämend reißerische Berichterstattung), unterstützt von namhaften Koch-Kollegen aus ganz Spanien, wie den Roca-Brüdern und Quique Dacosta.

Jetzt ist Knöller wieder da, das elegant puristische Restaurant ist wieder gut und gerne besucht.

Zum Glas Cava werden Macadamianüsse gereicht, würzig gepudert mit geräuchertem Paprika Pimenton de la Vera und Ras El Hanout gewürz!

Knusprige Gemüseblätter begleiten ein Tapa aus kross gebackenen Süßkartoffelblättern, gefüllt mit dem Tapa-Klassiker, dem Gemüsesalat Insalata Russa, den Knöller mit frischem Meerrettich abgeschmeckt hat, bestäubt mit Aonori.

Das grüne Algenpulver schafft den geschmacklichen Brückenschlag zu hauchzarten Knusperplatten aus galizischen Algen mit einer tiefen, cremigen Oliven-Tapenade.

Es folgt ein Knöller-Klassiker auf den ich heimlich gehofft hatte: Mojama de Atún – im Haus gesalzener und dann über Tage in Paprikapulver gebeiztes Thunfisch-Filet. Seine dezente Rauchnote und der marzipanigem Biss, passt gut zur Creme aus weißen Mandeln. Gutes Olivenöl, eine Silberzwiebel mit gereiftem Balsamessig – das ist alles, das ist eine Welt, das ist Knöller!

In wenigen Tagen beginnen die Fallas – Valencias traditionsreiches Volks-Fest zieht sich über Tage. Die ganze Stadt verwandelt sich in ein großes Museum kurzlebiger Kunst. Rund 800 überdimensional große Figuren aus Holz, Pappmaché und andere Materialien werden in Gruppen von den Menschen in den einzelnen Stadtteilen entworfen und gebaut. Die später dann haushoch zusammenstehenden Fallas-Figuren werden in der Nacht vom 19. auf den 20. März in lodernden Freudenfeuern verbrannt. Das ist ihre Bestimmung und macht zugleich ihre Einzigartigkeit aus. Nur eine Figur pro Jahr übersteht durch Publikumswahl und kommt ins sehenswerte Museo Fallero.

Musik, reichlich Feuerwerk (Mascletà) über Tage und Nächte, traditionelle Gewänder und Tänze sind weitere Elemente, welche die Fallas zu einem einzigartigen Fest machen, dass von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe erklärt wurde. Im RIFF bekommen wir einen Vorgeschmack in Form eines Fallas-Krapfen, der hier luftig gebacken und warm, mit Frischkäsefüllung und Sesamsauce gereicht wird. Feierei!

Zu „Austern und Apfel“ wird ein perfekt gekühlter Lustau Riserva Manzanilla Sherry gereicht, der zwingend zum Gericht gehört, wie erklärt wird und: ja!

Der nächste Teller feiert die Gemüsefelder La Huerta (L’Horta) – Valencias grüne Nutzgärten, das ist wirklich einmalig: eine Landschaft aus Gemüsegärten, Orangen-Hainen und Reisfeldern, mittten in der Stadt! 15 Kilometer Radweg führen durch die Naturlandschaft.

Knöller lässt die Gemüse selbt von ihrer Qualität erzählen, roh und knapp gegart, eine cremige Aioli begleitet das frühlingsfrische Allerlei zu dem ofenwarmes Sauerteigbrot gereicht wird.

Auch der folgende Gang beschäftigt sich mit dem kulinarischen Erbe Valencias, ein Gang der es sofort in meine ewige Liste der Götterspeisen schafft: Basis der luftigen Schaumsauce ist die Horchata, die „Orxata de Xufes“, eine Erdmandelmilch aus der Tigernuss. Die erdig-nussiger und doch fruchtige Milch ist am ehesten vergleichbar mit einer guten Mandelmilch und ist überall in der Stadt als kühle Erfrischung zu bekommen.

Die typisch marzipanigen Noten erfahren bei Knöller eine appetitliche Salzigkeit, das geht perfekt zusammen mit dem bei Niedrigtemperatur geraten Tintenfisch, der in seiner Konsistzen ebenfalls leicht an Marzipan erinnert, mit leichtem Biss.

Und was da an Algen erinnert, ist tatsächlich Mauerpfeffer (Fetthenne), Knöller hat die dickfleischigen Blätter der sukkulenten Pflanze sauer eingelegt. Ungekannt und überraschend, wie hochkulinarisch die neue Regionalität hier weiter gedacht und entwickelt wird.

Knöller kauft seinen Fisch seit über 20 Jahren selbst und weiß morgens auch noch nicht, was Abends auf der Karte steht. Ganz sicher aber: nur das Beste! Heute ist das eine Stachelmakrele, taufisch, kurz gebeizt und mit zerdrückten Himbeeren auf Radiccio mit Pinienkernen serviert. Feine Würfel von Roter Bete und geschmorten Zwiebeln schaffen einen fleischig-erdigen Hintergrund. Bäm.

Jeder Teller hier ist ein Spektakel, dabei komplett unaufgeregt, im Detail superspannend, zugänglich gedachte Regionalität.

Wenn Ihr das RIFF besucht, könnt ihr Euch auf jedenfall schonmal auf den Reis-Gang im Menü freuen – immer mit valenzianischem Reis, immer anders und heute: Schmutziger Reis – cremig gekocht und bepudert mit einer Umami-Sensation: die bei 80 Grad gebackenen Innereien vom Tintenfisch schenken, als feiner Staub, dem Reis eine tiefe mediterrane Würze. Zwei Götterspeisen für die Ewigkeit an einem Abend, das ist selten und hier der Fall.

Zweierlei vom Spitzkohl mit Trüffel, Speck und Steinbutt – ich freue mich immer auch über Teller, deren klassisches Aromenbild einfach so gut sind, dass nichts daran zu ändern wäre, nur gutes Handwerk braucht es – und einen Denker wie Knöller, der das Gericht mit deutlichen, blumigen Zitronennoten und bitterem Frisée zur Neuentdeckung macht.

Dazu läuft übrigens im Moment „Personal Jesus“ von Depeche Mode, und in meinem Notizen ist die Musikauswahl generell an diesem Abend mehrfach lobend erwähnt, ein bunter Strauß extrem guter Songs, überwiegend aus den 1980er und 1990er Jahren – und das ist generell eine durchaus kniffelige Angelegenheit, wenn man statt Fahrstuhl- lieber populäre Musik im Restaurant spielt.

Ein Stück Lammfleisch wird serviert, einfach weil es vorhin gekommen und von unfassbarer Qualität ist, die Bernd mit mir teilen möchte. Danke!

Desserts sind ja nicht so meins, hier kommt eines, dass wir Schwaben einen echten „Schlotzer“ nennen: kühles Erdnusskürbis-Püree, eine Art cremige Anglaise mit Orange, eine Nocke aus gebrannten und gekühlten Aprikosen, zitrusfrisch. Meine Güte, probier das zuhause!

Mein erster Abend in Valencia fühlt sich bereits wie ein Höhepunkt an, ich sitze noch ein Weilchen mit Bernd zusammen, wir sprechen über die nächsten Tage, das Valencia Culinary Festival und die teilnehmende Köch*innen.

Ich ahne: das bleibt so spanned!

Fortsetzung folgt…

Offenlegung:

mein Besuch bei Bernd Knöller war rein privater und freundschaftlicher Natur, ich wurde sogar von Bernd eingeladen – darum ist das da oben keine offizielle Restaurantbesprechung – wohl aber eine durchaus faktenbasiertes Schwärmerei aus guten und besten Gründen – Reservierung schwer zu empfehlen!

Ich danke darüber hinaus dem Tourismboard Visit Valencia (VLC) für die Produktionshilfe und Organisation der Reise zum Valencia Culinary Festival 2020.

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