Zum Abschluss des Festivals der Sterne im Budersand Hotel hatte sich Gastgeber und Sternekoche Jens Rittmeyer Kollegen aus ganz Europa in die Küche seines Restaurants Kai3 eingeladen – es wurde ein Fest!
Nachmittags schleiche ich erstmals mit dem Fotoapparat in die Küche, konzentriertes werkeln an allen Posten und in allen Räumen. José Cordeiro aus Portugal mariniert große Mengen Stabmuscheln mit duftendem Chardonnay, Tanja Grandits aus der Schweiz lässt sich in die Töpfe schauen und der Hamburger Gerald Zogbaum, erklärt seinen Jungs den Plan. Hinten in der Vorbereitungsküche werden Hummer geknackt, Muscheln ausgenommen und Wachteleier getrennt.
Der Abend beginnt letztmals im Foyer zum Champagner Billecard-Salmon wird Fingerfood serviert (Garnelen-Tatar auf Algenkräcker, Vielerlei von der Möhre im Glas, ein Lebermousse). Die Begrüßung der Köche zeigt eine entspannte, hochmotivierte Küchenmannschaft der Sterne. Letztmals nehmen die Festivalgäste im eleganten Restaurant mit Meerblick platz, dann beginnt die Reise und zwar in Portugal.
José Cordeiro: Tatar von Stabmuscheln und Hummer / Sand vom gelben Maisbrot / Koriandercreme /Kaviar
Ein grandioser Teller mit frische, Aroma und edelsten Zutaten, die in Perfektion zubereitet wurden, glasig mit Biss der feine Hummer, elegant und leicht die Koriandercreme.
Die Muscheln, Stab- und Venusmuscheln, wurden mit Ingwer, Knoblauch, Meersalz und Wein mariniert und gegart, ein filigraner, feiner Geschmack. Maisbrot sorgt für Knusper und einen portugiesischen Gruß.
Der Wein kommt an diesem Abend von der „ersten Boygroup der Weinszene“, die Fünf Freunde aus der Pfalz sind zu Gast, ein Zusammenschluss gestandener Pfälzer Winzer. Seit 1991 sorgt das Kollektiv für Qualitätssteigerung und Verbreitung Pfälzer Gewächse und Pfälzer Ideen, wie dem Barrique aus heimischen Eichenwäldern. Der 2010 Chardonnay „Mineral“ trocken vom Weingut Friedrich Becker aus Schweigen, ist frisch, elegant und fein, „es war ein schwieriges Jahr, wir konntens dann selbst kaum glauben.“ erklärt lachend der Winzer, dessen Weine sich auf den Weinkarten der ganzen Welt finden.
José Cordeiro – Restaurant Chefe Cordeiro, Lissabon, Portugal
Simon Hulston: Jakobsmuscheln / Lardo / Verjsubutter / Junglauch / Fenchelpollen
Der sympathische Brite ist in letzter Minute für seinen Kollegen und Freund Adam Simmonds eingesprungen, der aus privaten Gründen leider nicht antreten konnte. Vorbereitungszeit also gen Null, das Gericht eine Offenbarung an Geschmack und Können, eine Komposition zum weglöffeln!
Eine wirklich dicke, fleischige Jakobsmuschel räkelt sich in cremiger Verjusbutter mit Lauch und süßen Sultaninen! Über der Jakobsmuschel zergeht transparent eine dünne Scheibe Lardo, getoppt mit Fenchelpollen. Ein großartiges Seelenessen, ich bin begeistert und mit nur einem Gang neuer Fan von Simon Hulston, der eine eigene 60 ha große Farm betreibt: das Fleisch und Gemüse in seinem Restaurant kommt aus eigener Produktion! Ich werde definitiv in Devon vorbei schaun!
Der Wein dazu ein frischer, säurebetonter 2012 Godramsteiner Riesling trocken, mit Anklängen von Aprikosen, ist leicht und spritzig und passt perfekt. Wieder mal sind nicht nur die Winzer zu loben, sondern auch Budersand Chefsommelier Thomas Kallenberg, der Speisen und Weine des Festivals, oft erstmal nur gedanklich, in Perfektion vermählte.
Simon Hulston – Restaurant The Elephant, Devon, England
Tanja Grandits: Saibling / Rooibosrauch / Grapefruit / Süsskartoffeldashi
Tanja Grandits finde ich großartig, ich mag ihre Aromenküche, ich habe ihre Bücher in meiner kulinarischen Bibliothek. Und es war ein ganz besonderer Moment für mich, als ich Frau Grandits am Nachmittag in den Küchengängen erstmals persönlich begegnete. Höflich stelle ich mich als Festival-Blogger vor, Tanja Grandits nickte und sprach: „ich weiß wer sie sind. Ich habe ihr Buch und ich liebe es.“ Diese Überraschung machte mich kurz sprachlos (und das passiert eher selten), Frau Grandits kehrte derweil lächelnd wieder zurück zur Arbeit.
Am Abend serviert sie einen großartigen Teller, der ihre ganze Philosophie spiegelt: ein geschmacklich nuanciertes Aromenspiel, monochrom in einer Farbe gehalten, hier sind es orangetöne, die im hübschen Asa-Teller leuchten. Harmonie und Konzentration. „Ich mag es einfarbig auf dem Teller, das ist ein sehr schönes Farbspiel im Laufe eines Menüs“, erklärt Grandits, auch wenn das manchmal kniffelig ist, beim komponieren neuer Gerichte. Auch Tee spielt immer wieder eine große Rolle in Grandits Kulinarik, der perfekt gegarte Saibling trifft hier auf feine Rooibos-Tee Aromen, dazu das fruchtig-zitronige der Grapefruit und die komplexe Dashi-Nage aus Süßkartoffel-groß!
Der 2011 Kastanienbusch Riesling VDP.Großes Gewächs trocken vom Weingut Ökonomierat Rebholt in Siebeldingen ist ein echter Lagenwein, sehr finessenreich, elegante Säure und Mineralität und er schmeckt lange nach.
Beim Anrichten der Teller helfen alle mit und das ist ein so schönes Bild, einige der besten Köche Europas drängen sich am Pass um für den jeweiligen Kollegen der dran ist die Teller anzurichten, konzentriert und mit knappem Kopfnicken Weisungen entgegen nehmend. Ein ganz besonderer Geist, weht hier durch die Küche.
Tanja Grandits – Restaurant Stucki, Basel, Schweiz
Gerald Zogbaum: Aal über Holzkohle gegrillt-glasiert / Aubergine / Miso / Mandarine
Was für ein Teller! Zogbaum pur: kein Fett, keine Sahne, hier überzeugen tiefe, intensive Aromen und die Raffinesse steckt im Detail: der gehäutete Aal wurde mit V-Schnitt entgrätet, ein Stück Räucheraal eingesetzt und der wieder zusammengesetzte Aal sous vide gegart. Später werden die Aalstücke gegrillt und dabei mit einer Jus aus Aal-Carcassen bepinselt, heraus kommt ein „Barbeque“-Aal mit reichlich Umami!
Die silbern schimmernden Muscheln sind ein gelacktes Miso-Soja-Mousse, dass würzig auf der Zunge zergeht. Die Aubergine kommt gleich in zwei Cremes auf den Teller: die eine Creme ist aus der Schale gemacht, schwarz, männlich, kräftig. Das weiße Auberginenfleisch wurde umsichtig fein gesäuert und schmeckt frisch. Ein weiterer Clou der alles verbindet war für mich die aromatisch fruchtig-bittere Mandarinen Creme. Irre gut!
Die Stimmung im Saal ist riesig, es wird viel gelacht, das macht auch Hendrik Thomas Moderation aus, der Mastersommelier ist an diesem Abend in Hochform. Wie auch der 2009 AMICI (bitte Latein-betont) weiß, trocken – eine Gemeinschafts-Cuvée der fünf Pfälzer Freunde. Streitkuktur und Trinkkultur sitzen bei einem solchen Projekt mit am Tisch, erklärt lachend Winzer Friedrich Becker, das dauert schon mal eine ganze, mitunter feuchtfröhliche Nacht, bis die Cuvée abgesegnet ist.
Gerald Zogbaum, Restaurant Küchenwerkstatt, Hamburg, Deutschland
Thomas Macyszyn: Black Cod / Artischocke / Parmesansud
Es ist ganz einfach: Mazischen. Nicht ganz so einfach ist der sensationelle Teller den Thomas Macyszyn serviert, im Zentrum der vermeintlich übersichtlichen Komposition steht der Parmesansud, ein echtes Signature des Kochs, dass er immer wieder auch mit anderen „Beilagen“ kombiniert. Heute ist es der Kohlenfisch, der in einem Sud schwimmt, wie ich noch keinen kostete: bereits auf dem Teller aufgetragen ist Zitronen-Olivenöl, dass sich mit dem heiß angegossenen Sud vermischt, der reich und komplex an Geschmack ist, beinahe speckig, würzig, ja cremig, trotz seiner Klarheit.
Wie geht sowas? Das Geheimnis ist ein Kläransatz der, in Macyszyns eigener Gewichtung und Zubereitung, im Grunde alle Zutaten eines Caesars Salad enthält – Umami pur. Dazu die rauchig angegrillten Artischocken, und Orangen-Eigelb-Emulsion – meisterhaft, ein absoluter Höhepunkt und für mich die Entdeckung des Abends. „Nichts ist schlimmer, als ein Menügang der in Vergessenheit gerät.“ erklärt Thomas Macyszyn, „dann lieber eine Bruchlandung, das ist dann wenigstens nachhaltig.“ Die Gefahr, zu scheitern oder in Vergessenheit zu geraten, dürfte allerdings bei Macyszyn gering sein, ich freue mich darauf, nach Rüsselsheim zu reisen, ich will mehr von dieser Küche probieren.
Dazu gibt es den, von GaultMillau als einer der 5 besten Weißen Burgunder in Deutschland ausgelobten 2012 Mandelberg Weißer Burgunder VDP.Großes Gewächs trocken vom Weingut Dr. Wehrheim in Birkweiler. Ein wahrlich großer Terroire-Wein, gewachsen in schwerem Lehm und Ton, kleine Kalksteineinlagerungen speichern Sonne und Wärme, heraus kommt ein funkelnder, sonnenreicher weißer Burgunder, rauchig, nussig, ein Vergnügen zum Kauen schön und die beste Wahl zu Macysznys grandiosem Gericht.
Thomas Macyszyn – Restaurant Navette, Columbia Hotel Rüsselsheim, Deutschland
Jens Rittmeyer: „Im Moor“… Diepholzer Moorschnucke / Wurzelsud / Moosbeeren / Fichtenasche
Hausherr der Küche, Sternekoch und Gastgeber Rittmeyer ist nicht nur ein großer Koch, Rittmeyers Teller erzählen immer auch eine Geschichte, transportieren seine Ideen auch formal. Diese Geschichte geht so: die Diepholzer Moorschnucke (weißfellig und mit rund geschwungenem Horn), findet sich auf Rittemeyers Teller quasi „in ihrer natürliche Umgebung“. Da liegen Moosbeeren auf dem Weg und geröstetes Moos (mit Champignonstaub!), da liegt ein Stein, der sich beim mutigen Biss hinein als kleine Heidekartoffel entpuppt, die in Pilzfond baden durfte.
Die Schnucke selbst ist natürlich perfekt gegart, ein besonders zartes Stück von der Schulter, in einem würzigen Mantel aus Trompetenpfifferlingen, ein Stück Filet unter kräutrig-knuspriger Haube, ein Genuss. Am Rand ein knuspriges Bällchen aus geschmortem Schnuckenfleisch. Dieser Detailreichtum und diese Finesse im Detail machen Spaß, das ist keine effekthascherische Bastelei sondern der klug durchdachte Gesamtposition dienlich – eine Gschichte die auf der Zunge zergeht.
Eine Geschichte hat auch der 2009 AMICI rot trocken zu erzählen, eine Assemblage der „besten Spätburgundern“, so erklärt es das Rücketikett des Weines und das ist nachvollziehbar. Noch jung und von feiner Eleganz, hat der Wein bereits Fülle und Charakter.
Jens Rittmeyer – Restaurant Kai3, Budersand Hotel – Golf&Spa, Sylt, Deutschland
André Tienelt: Thai Mango / Sauerrahm / knusprige Kokosnuss / Limettenblätter
Bereits bei der Begrüßung im Foyer hatte André Tienelt die Lacher und die Sympathie des Publikums auf seiner Seite: „Die mussten mich ja einladen, weil keiner der Kollegen Lust hatte das Dessert zu machen.“ Gut dass Rittmeyer André Tienelt geholt hat: seine Mangovariation ist von erfrischender Schwerelosigkeit und insbesondere das Sauerrahmeis hat mich begeistert.
Mit 28 Jahren war Tienelt Deutschlands jüngster Sternekoch, heute kocht der 31-jährige im Restaurant Sending in Bad Schandau, eine regionale Hochküche, 70 % aller verwendeten Zutaten kommen aus der Umgebung des Restaurants: „Natürlich auch die Mangos von unseren berühmten Dresdener Mangobäumen“, Tienelt lacht und erklärt dann ernster, dass die Flutschäden im Restaurant Sending noch nicht behoben seien, und da sei es sowieso gerade schwer mit Produkten aus der Region. Bald aber geht es wieder los in Bad Schandau!
Der Wein dazu, ein 2007 Riesling Beerenauslese edelsüß vom Weingut Siegrist in Leinsweiler, ist ein Prachtstück deutscher Winzerkunst und geeignet sich darin zu verlieren.
André Tienelt – Restaurant Sending, Bad Schandau, Deutschland
Dann das Defilee aller Köche und Servicekräfte, eine beeindruckende Mannschaft durchwandert unter großem Applaus den Saal, eine Mannschaft die in den letzten Tagen eine grandiose Leistung zeigte, Teamgeist und Fachkompetenz sowieso. Und genau aus diesem Grund geht es weiter, Direktor und Gastgeber Rolf Brönnimann erklärte ganz offiziell, dass es im kommenden Jahr ein weiteres Festival der Sterne im Budersand Hotel geben wird: vom 25.-28. Oktober findet sich die „Festivalfamilie“, wieder im Budersand Hotel ein, sicher erneut unterstützt durch viele ehemalige Mitarbeiter, die extra anreisen um zu helfen, um dabei zu sein.
Budersand Barchef Heiko Swiderski und sein Team haben gemeinsam mit Festival-Bartender Heiko Tagawa etwas besonderes zum Abschluss des Festival erdacht: an der Hotelbar gibt es an diesem Abend einen Gin-Tea-Tonic, basierend auf einem Tee-Blend, den Barchef Swiderski selbst komponiert hat, die Customized Herbal Infusion enthält: Verbene, Macis, Pfefferminze, etwas Rosmarin und Thymian. Als Gin empfiehlt sich dazu der Tanqueray N° 10, aufgefüllt wird mit Thomas Henry Tonic.
Danke!
Hui. Das war eine Sause. Meine Zeit als Festival der Sterne-Blogger endet heute, mir wars das reine Vergnügen, Online-Chronist dieses hochkarätig besetzten und inspirierenden Festivals zu sein. Mein Dank gilt den Gastgebern Direktor Rolf E. Brönnimann, Küchenchef Jens Rittemeyer, Sommelier Thomas Kallenberg und Christian Lauterbach vom Marketing, die mich einluden und mir ihr Vertrauen schenkten. Einen Riesendank an alle Mitarbeiter des Hauses, überall fand ich offene Türen, helfende Hände, ein Lächeln und einen guten Kaffee zwischendurch – das Budersand Hotel ist wahrhaftig ein gastlicher Ort und das machen die Menschen die dort arbeiten.
Vielen Dank!
Was noch geschah:
1. Tag:
Sylter Sterneköche Brunch mit allen Sylter Sterneköchen des Jahres 2013
Ein Abend mit 2 Sterne-Koch Rolf Fliegauf und dem Weingut Knipser
2. Tag:
Ein Abend mit 3 Sterne Koch Klaus Erfort und Domaine de’l Horizon Weinen
3. Tag:
Ein Abend mit 2 Sterne Koch Jacob Jan Boerma und dem Weingut Kollwentzz