Festival der Sterne, Budersand: ein Abend mit Jacob Jan Boerma und dem Weingut Kollwentz

IMG_2648Jacob Jan Boerma mit Gastgeber Jens Rittmeyer

Jacob Jan Boerma ist am (vorläufigen) Zenit seines Schaffens angekommen, im GaultMillau hält der 40jährige Niederländer 19,5 von 20 erreichbaren Punkten. Es halten sich zudem hartnäckig Gerüchte, Boerma könne sich Ende November über seinen dritten Michelin-Stern freuen.

Die Erwartungen sind ebenso hoch wie die Wertungen und zum Auftakt des Abends präsentiert sich ein so gut gelaunter, wie sympathischer Jacob Jan Boerma, mit bezauberndem Akzent im ausverkauften Kai3 Restaurant des Budersand Hotel. Mastersommelier Hendrik Thoma hat auch für diesen Abend die Moderation inne, stellt den Gastkoch und seine Philosophie vor, dann: „Kannst Du mich eigentlich verstehen?“, Boerma lacht: „Nein!“

Der Wein kommt heute vom Weingut Kollwentz, eine österreichische Institution, „Wir sind Weinbauern“, sagt der Winzer, seit 1775 belegt, eigene Weinberge, eigene Reben, eigenes Gut, keine Zukäufe. Sein Rezept für den brillant fruchtigen Sauvignon Blanc 2012 „Steinmühle“ trocken: „auf die Hefe, rein ins Fass, ein bisschen Kucken, fertig.“

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Boerma serviert dazu ein Amuse-Feuerwerk mit einem Gurken-frisch schmeckenden, Macaron von angenehmer Meerrettich-Schärfe. Eine fleischige, auf cremigem Püree gebettete Miesmuschel mit Zitronenschaum und Chorizo-Öl. Auf feinem Gurkensalat liegt ein transparentes Röllchen mit einer rohen Lachsfüllung.

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Die Vorspeise schließt sich nahtlos an, in hauchzartes Knusperpapier eingeschlagenes, cremiges Tomaten- und Avocado-Eis, raffiniert anregend geschärft, begleitet die Thunfischvariation mit Taschenkrebsfleisch-Röllchen, hauchzart-rohen weißen Rübchen, geschärften und softgetrockneten Kirschtomaten, Avocado-Tatar – fein zitronig frisch gewürzt mit Yuzu.

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In der Küche wieder diese bemerkenswert konzentrierte Ruhe beim Anrichten der Teller, niemand wird hier laut und nur am leichten Zittern einiger Hände beim Anrichten, werden Anstrengungen und Anspannung sichtbar.

Die Nächte im Neusiedlersee-Hügelland sind kühl, der 2012er „Leithagebirge“ Chardonnay trocken wächst dort auf Kalkböden, ein fettiger Wein mit frischer Säure und Mineralität und einem Hauch Holz. Das ist nicht nur Weltniveau, das ist Weltspitze, bescheinigt Mastersommelier Hendrik Thoma, der sich im Vorfeld schon bei Budersand Chefsommelier Thomas Kallenberg und dessen Team für Auswahl, Händchen und Arbeit bei diesem Festival der Sterne bedankt hatte.

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Boerma serviert dazu Kaisergranat, sein absolutes Lieblingsprodukt, „Tandoori Style“, mit kräftiger Currynote, süßem Kürbis, jungem Lauch, einer feinen Säure von Limette und würzigem Garnelenöl, ein Knaller ist das und der Wein dazu ein perfect match!

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Von schlichter Schönheit und Geschmack ist der gegrillte Steinbutt auf Topinambur mit knackig gebratenen Steinpilzen, Chicoree und Vadouvan gewürzt, Boerma zeigt hier, (wie im folgenden Gang), dass er auch in reduzierter Form auf den Punkt kommt. Beim Interview, dass ich am Ende des Abends mit Boerman führe, erklärt er mir aber, dass die „schlichteren“ Gänge des Menüs dem Umstand der Gastkocherei geschuldet seien, im eigenen Betrieb, dem Restaurant De Leest (im Provinzstädtchen Vaassen, eine Autostunde von Amsterdam entfernt) würde man schon noch eine Schippe drauflegen. Jetzt aber, erklärt Boerma, wisse er wie die Budersandküche funktioniere: „nächstes Jahr komme ich rübergeschwommen, dann kochen wir ganz groß auf!“ Bezauberndes Understatement.

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Die geröstete Taube die Boerma serviert, ist perfekt gegart, dazu eine dichte, vielschichtige Kardamomjus und „Beilagen“ zum Niederknien: geräuchertes Butterkartoffelpüree, richtig dicke Zwiebelringe, ein knuspriger Kartoffel-Quader, quasi Pommes Frites-Style, der traut sich was, notiere ich, und hat Humor. Es schmeckt einfach sensationell gut.

Andy Kollwentz füllt die begleitenden Gläser jetzt mit dem Aushängeschild seines Weingutes, dem 2009er „Steinzeiler“ trocken, ein prächtiger Roter aus Blaufränkisch, Zweigelt und Cabernet Sauvignon, mit Frucht, Würze, Eleganz und Kraft, ein großer Wein. Kollwentz Vater attestierte denn auch, das sei der beste Jahrgang seit 1979. Und ja, der kann, darf und soll altern, Andy Kollwentz sagt aber auch: „ Ein großer Wein muss zu jeder Zeit schmecken!“ Der Taube auf unserem Teller verleiht der Wein nochmals Flügel. Ein großer Abend!

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Das Dessert ist dann wieder ein mehrteiliges Wunderwerk, unbeschreiblich beinahe, wunderschön arrangiert, die „Aromen von Limone, Eiskraut und Blaubeeren mit Sauerklee-Granité und Blüten „Sensation von De Leest – Pistazien, Amarula und Kokosnuss“, dazu „Vitamine von der ganzen Welt – Guave, Kalamansi, Joghurt, Kiwi und Mango“.

„Das Dessert besteht nur aus Aromen,“ Boerma stapelt tief und empfiehlt: „essen Sie mit geschlossenen Augen“ Dann könnten wir aber leider nicht die gülden-bernsteinfarben funkelnde 2005 Chardonnay Trockenbeerenauslese edelsüß bewundern. „Der steht ja im Glas!“, bemerkt Thoma anerkennend und der Wein zergeht süß-würzig auf der Zunge.

Nach dem Kaffee treffe ich Boerma zum Interview in der Lobby, ich werde den Mitschnitt unseres Gespräches bald (und hoffentlich Anlässlich des dritten Michelin-Sternes, ich drück die Daumen) ab- und aufschreiben, einen Satz möchte ich aber schon zitieren, die Frage nach der Zukunft beantwortete Boerma so: „Erst wenn ich nichts mehr lerne, höre ich auf“.

IMG_2696 Budersand Barchef Heiko Swiderski mit Bartender Heiko Tagawa

Beim formidablen Abschlussdrink an der Hotelbar, einem „Himbeer-Shrub“, mit Himbeeressigfruchtpüree, serviert von Festival Bartender Heiko Tagawa, entdecke ich Tanja Grandits und beginne mich schon auf morgen zu freuen. Dann wird bei der Abschlussveranstaltung „Rittmeyer & friend“ Frau Grandits aufkochen und José Cordeiro, Thomas Macyszyn, Adam Simmonds, André Tienelt und Gerald Zogbaum. Ich habe mich bereits für den Nachmittag in der Küche angemeldet, um bei den Vorbereitungen mit der Kamera über die Schultern der außergewöhnlichen Küchenbrigade blicken zu können – und werde berichten!

Was noch geschah:

1. Tag:
Sylter Sterneköche Brunch mit allen Sylter Sterneköchen des Jahres 2013

Ein Abend mit 2 Sterne-Koch Rolf Fliegauf und dem Weingut Knipser

2. Tag:
Ein Abend mit 3 Sterne Koch Klaus Erfort und Domaine de’l Horizon Weinen

4. Tag:
Rittmeyer & Friends – 7 europäische Sterneköche, 7 Teller und Weine der 5 Freunde aus der Pfalz

Weitere Beiträge
Etz, Ois, Aska, Storstad … – eine kulinarische Deutschland-Österreich-Reise