Foodblog „Wo is(s)st Siebeck“, Screenshot 28.08.11
Anfang des Jahres empörte sich Wolfram Siebeck gewohnt schwungvoll in einem Artikel für das ZEIT Magazin über Foodblogs, ereiferte sich wortreich über FoodbloggerInnen und derem KommentatorInnen gleichermaßen. Insgesamt hätte es für einen Kleinsturm der Empörung in den Online-Küchen und Speisekammern des Internets gut gerreicht, oder zumindest für eine Runde Nachdenken über die Demokratisierung des Kritikerberufes, wie es Dirk von Gehlen damals, anlässlich der Veröffentlichung der Siebeckschen Schmähschrift, in seinen Digitalen Notizen auf kluge Art und Weise tat. Ansonsten aber: nüscht.
Das mag daran liegen, dass Siebecks Polemiken unter kulinarisch interessierte Menschen, im Laufe der Jahre leicht an Sprengkraft verloren haben mögen und General-Blogger-Bashing allgemein von so großer Gestrigkeit kündet, dass man sich eigentlich nur kurz fragen musste, warum die ZEIT so was in 2011 noch druckt. Es könnte aber auch sein, dass die Zielgruppe „Foodblogger“ die Schmähung gar nicht mitbekommen hat. Denn online ist dieser Artikel nie gegangen und er fehlt bis heute im umfangreichen Siebeck-Archiv von ZEIT Online. Nicht auszudenken: die Foodblogger-Schmähschrift wäre linkbar gewesen.
Die alles hätte wohl keinen wirklichen Nachrichtenwert mehr – wäre der Großkritiker nicht vor ein paar Tagen selbst unter die Foodblogger gegangen! Im Willkommenspost vom 28. Juli 2011 klingt es ein ganz klein wenig nach Rente:
„Was als kulinarischer Journalismus begann und intensiv über die letzten Jahrzehnte betrieben wurde, möchte ich nun entspannter gestalten. Meine Beiträge für die Wochenzeitung DIE ZEIT werden nun in längeren Intervallen erscheinen…“
Seitdem gibt es dort alles was Foodblogs mitunter so charmant und sympathisch macht: unscharfe Handy-Fotos von schlecht beleuchteten Tellergerichten, deutlich mit Leidenschaft formulierte Texte ohne größere Lektoratsanstrengungen, dazwischen ein bisschen Hinweis auf das eigene Schaffen („Ab heute ist der Bericht (von der ZEIT leicht verkürzt) der Reise von Lübeck über Weimar nach Bayreuth im Handel.“) und Herr Siebeck hat sogar auch schon ein paar KommentatorInnen jener Art, die er im Januar noch schmähte.
Der von mir sehr geschätzte Chris Kurbjuhn, über den ich auf das Siebeck Blog aufmerksam wurde, beschreibt in seinem Netzecke-Blog treffend den ersten Eindruck: „Viel schärfer, pointierter und bissiger als das, was er in den letzten Jahren in der ZEIT geschrieben hat. Und bessere Themen wählt er auch.“
Selbst auf Facebook ist Siebecks schmucklos-minimalistisch gestaltetes Blog überraschender Weise zu finden und da kommt man dann doch langsam ins Grübeln: ist er es wirklich? Ist er es wirklich selbst? Das Impressum des Blogs gibt sich schmallippig: Siebecks Name und eine E-Mailadresse, für die Administration zeichnet Csizmazia PR verantwortlich, das Berliner „Büro für Kommunikation und Pressearbeit“ zeigt in den Referenzen einen deutlich kulinarischen Arbeitsschwerpunkt und war auch schon für den ZEIT Verlag tätig. Hier schließt sich der Kreis und es sieht so aus, als wäre die deutschsprachige Foodblogger-Landschaft tatsächlich um einen Beiträger reicher. Herzlich Willkommen Wolfram Siebeck!
Blog:
www.wo-isst-siebeck.de
Facebook:
facebook / wo is(s)t Siebeck?