Wildpflanzen sind scheue und oft auch rare Geschenke der Natur, intensiv bis subtil im Geschmack und fordernd schon bei der Beschaffung: suchen, bücken, strecken, für den besonderen Geschmack. Das Wissen um Wildpflanzen, für die Großelterngeneration noch Allgemeingut und Überlebenshilfe in schlechten Zeiten, erfährt momentan eine Renaissance. Das Angebot der Onlinebuchhändler listet alleine für 2009/10 um die zwanzig Wildkräuter/Wildpflanzenküchen-Buchneuerscheinungen.
Jetzt ist mit “So schmecken Wildpflanzen” von Meinrad Neunkirchner und Katharina Seiser ein außergewöhnlich schönes und kulinarisch anspruchvolles Werk zum Thema erschienen. Sternekoch Neunkirncher und Autorin Seiser machen Lust und Appetit auf Entdeckungsreisen durch Wald und Wiesen, die klare, brillante Tageslichtfotografie des Fotografen Thomas Apolt bereichert elegant Rezepturen und Texte.
Der gebürtige Wiener Meinrad Neunkirchner hat bei Eckart Witzigmann gearbeitet, stand mit Marc Meneau und Pierre Troigros in der Küche, schon in den Neunzigern machte er mit seiner Wildpflanzenküche Furore in Wien, erkochte sich einen Michelinstern. In Österreich ist Neunkirchner ein Star der kochenden Zunft, in Deutschland für viele noch eine kulinarische Bildungslücke, die mit diesem Buch geschlossen werden dürfte. Im Wiener Gourmet Gasthaus Freyenstein zeigt Neunkircher, dass er nicht nur meisterhafter Kreateur von Rezepten mit frischen Wildpflanzen ist, seine Spezialität sind auch das Einkochen und Einlegen, Trocknen und Haltbarmachen der saisonal begrenzten Köstlichkeiten. Dieses Wissen gibt er, lesenswert notiert und aufbereitet von Katharina Seiser, erstmals weiter.
Katharina Seiser ist ebenfalls keine Unbekannte, in Österreich, wie auch in der Welt der Foodblogs. Die gelernte Magazinjournalistin ist ausgebildete Köchin, sie weiß also wirklich wovon sie schreib, ihre Artikel, Kolumnen und Reportagen erscheinen in Österreich u.a. im Maxima Magazin und Der Standard. Die Bloggwelt erfreut Katharina Seiser online mit ihren akribisch recherchierten und lustvoll geschriebenen Betrachtungen zur Kulinarik in ihrem Blog esskultur.at, für mich eine der ersten Adressen im Bereich der informellen Foodblogs.
30 heimische Wildpflanzen finden sich im Buch, nach Jahreszeiten gegliedert, aber eben auch immer mit vielen Bevorratungstipps und insgesamt 144 Rezepten. Umfangreich werden die Wildpflanzen vorgestellt, Tipps zur Suche gegeben, ein Hosentaschenguide zum Mitnehmen hilft auf Exkursionen fündig zu werden. Bei den Rezepturen ist es sehr wohl der Blick eines Meisterkochs auf die kulinarischen Möglichkeiten der Wildpflanzen, auch das macht dieses Buch so besonders, dennoch muss der Laie keine Überforderung fürchten: viele Rezepte sind einfach und überzeugen durch die Aromenkombination nicht durch lange Zubereitungszeiten und trickreiches Rummgefummel. Ein Kapitel mit Grundrezepten erleichtert dem Novizen zusätzlich den Einstieg in die Wildkräuterküche.
Besonders gefallen mir auch die praktischen Weinempfehlungen zu den Gerichten, keine Einzelflaschen, sondern nach Trauben- und Rebsorten ausgewiesen. Dankbar bin ich als Nichtösterreicher für das Küchenlexikon, dort lernte ich beispielsweise das Fisolen, Zeller und Blunze keine Wildpflanzen sind, sondern Grüne Bohnen, Knollensellerie und Blutwurst – auf Österreichisch.
Mehr Infos zum Buch, eine Gallerie zum Blättern und reinschauen, sowie eine Übersicht über die Bestellmöglichkeiten finden sich auf dem vorbildlich erstellten Online-Angebot zum Buch unter:
www.so-schmecken-wildpflanzen.at
Auf Valentinas Kochbuch.de findet sich zudem ein lesenswertes Interview mit Katharina Seiser über die Arbeit am Buch, mit spannenden Einblicken zur Entstehung!
Ich warte jetzt jedenfalls noch etwas dringlicher als sonst auf den Frühling.
Meinrad Neunkirchner, Katharina Seiser
So schmecken Wildpflanzen
144 Rezepte
vom Meister der Aromen
296 Seiten
Löwenzahn Verlag 2010
EUR 29.95/SFR 49.50
ISBN 978-3-7066-2463-3