Gleich zwei neue, ganz besondere Kochbücher möchte ich heute vorstellen, beide kommen Hamburg – meiner Wahlheimat und Schatzstadt – und beide Bücher feiern Hamburger Lieblingsorte. Eine Liebeserklärung an den Kiez, an das Stadtviertel St. Pauli und die Reeperbahn, ist „Kiezküche // St. Pauli“ von Koch Sven Langanke und Fotograf John Brömstrup. Und es ist noch viel mehr, schlicht: eines der schönsten und reichsten Kochbücher, die mir in letzter Zeit untergekommen sind.
Dieses Buch hat alles, was ich von einem modernen Kochbuch erwarte: es menschelt angenehm, zeigt die Menschen und Macher auf St. Pauli, es ist persönlich, die Fotografie ist emotional und eher reportagig, mit Ecken und Kanten und (sinnvollen) Krümmeln, es gibt viel zu sehen, zu entdecken und zu lesen auf über 200 Seiten, auf tollem dicken Papier. Alles zum Hunger kriegen und nicht satt sehen können!
Die Rezepte von „IndoChine“-Restaurant Chefkoch Sven Langanke, spannen einen weiten Bogen von Hamburger Traditionsrezepten bis zur Weltenküche die eben mit der Zeit erfreulicher Weise in so eine Hafenstadt schwappt: vom „Labskaus vom Tafelspitz“ bis „Chicken Tikka“ und „Bun Bo“ -Letztere zu finden im Kapitel „Weltklasse“ und alleine für die Kapitelüberschrift muss man das Buch lieben. Das Foodstyling (von Michaela Pfeiffer) ist dabei so angenehm beiläufig, ungekünstelt und appetitanregend, wie das nur wenigen gelingt. Man möchte sofort alles nachkochen. Punkt.
Dazu lesenswert Geschichten über den FC. St. Pauli, Einblicke in Eckkneipen jenseits der Touristenpfade und Menschen, Menschen, Menschen, Lebensläufe und Ideen, die „Guten Seelen der Nacht“. Da wird ein Elbfischer portraitiert, Viva con Agua vorgestellt, der Zusammenhang zwischen Gulasch und Erotik hergestellt und Mr. Kebab interviewt.
Hamburger stoßen zwischen den Seiten immer wieder auf Freunde und Bekannte, einige meiner Lieblingskneipen, Orte, Bars und Lieblingsmenschen habe ich im Buch wiedergefunden.
All das bunt und ansprechend von Rabea Meyer gestaltet, flockig lesen sich die Texte von Sandra Woelk und Sebastian Meissner. Ein Buch das lange nicht im Buchregal verschwinden wird. Echte Hamburger hätten sich übrigens den ganzen, langen Text gespart, hier macht man eigentlich nicht so viel Worte, gereicht hätte: „Jou, ne. Gladde eins!“
Kiezküche – Homepage & Blog
Blick ins Buch
Nach soviel hanseatischer Euphorie hat es der zweite Band aus Hamburg eventuell etwas schwerer, das Buch „Innere Werte“ sei aber einem wahrscheinlich kleinem Kreis von wahren Feinschmeckern sehr ans Herz gelegt, der Band versammelt die besten Innereien aus der Brasserie „Café Paris“.
Ich liebe das Café Paris, die ehemalige Schlachterei ist ein wundervoll rummeliger Ort mitten in der Innenstadt, der Tag und Nacht geöffnet ist, ein Kommen, Gehen, Sehen, sehr frankophil, die Kellner herrlich herzlich-herablassend bisweilen, hier verkumpelt sich niemand mit dem Gast. Klassiker ist der Tatar, es gibt eine wechselnde Abendkarte, schöne Weine (Michel Zemour er lebe hoch!) und die beste Auswahl an Pastis außerhalb Frankreichs.
Küchenchef Thomas Pinçon und Gastronom Michael Hermes sind die Macher und in diesem Buch geben Sie Einblicke in ihr Café Paris und öffnen die Küchentür einen Spalt. Dass sie kein best of aus dem Bauch der Brasserie gemacht haben, sondern sich der Innereien-Küche verpflichtet haben, zeugt von Wagemut und Geschmack- eine Herzensangelegenheit, wie mir scheint.
Die Rezept sind ideal für Einsteiger, der größte Teil, typisch französisch, überraschend unkompliziert. Es werden Grundkenntnisse vermittelt, Gedanken zur Innereienküche. Klassiker wie gebackener Kalbskopf, panierte Kutteln, Lammnieren in Senfsauce oder hausgemachte Blutwurst, werden gut erklärt – gewürzt wird überwiegend französisch, orientalisch und manchmal auf gut deutsch, wie bei der Leber Berliner Art.
Die Fotografie (Ansgar Pudenz) ist von ansprechender Klarheit und sehr appetitlich inszeniert. Einziger Wermutstropfen: einige wenige Bilder sind, wohl beim Druck, seltsam grobkörnig-unscharf geraten – das sollte die Freude an diesem Werk aber nicht allzu sehr trüben. Messieurs! Merci beaucoup!