Dokumentarfilmer Lutz Hachmeister (u.a. „Schleyer“, „Das Goebbels-Experiment“) recherchierte für seine 90-minütige Dokumentation ein ganzes Jahr lang in der Welt der Sterneköche, besuchte Restaurants und Küchenchefs in Italien (Nadia Santini, “Il Pescatore”,“Canneto sull’Oglio“), Frankreich (Yannick Alléno, “Le Meurice”), Deutschland (Sven Elverfeld, „Aqua“), Japan (Hideki Ishikawa,“Ishikawa“), Spanien (Elena und Juan Mari Arzak, “Arzak“), den USA (Jean-Georges Vongerichten, “Jean Georges“), Dänemark (René Redzepi, “Noma”) und den Niederlanden (Sergio Herman, “Oud Sluis”).
Herausgekommen ist ein meisterhafter Film, nicht weniger als die Bestimmung des Ist-Zustandes der gehobenen Küche, mitreißend, hochinteressant und bildreich.
Hachmeister zeigt mehr als den Arbeitsalltag der Spitzenköche, Serviceteams und Sommeliers weltweit, er zeigt auch den Ehrgeiz, den Druck, das Siegen und Scheitern der Chefs und ihrer Teams beim Griff nach den Sternen. Der Film führt direkt hinter die Kulissen der hohen Gastronomie, belegt in eindrucksvollen, dynamischen Bilder und starken Interviews, wie viel Disziplin, Logistik und Leistungswille es bedarf, ein Restaurant zu führen. Es gehe ihm um die “psychologische und ökonomische Wirkung” des Sterne-Kults erklärte Hachmeister gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Zumindest mich als ehemaligen Koch im Sternezirkus hat dieser Film bisweilen gänsehäutig gemacht.
Der Film erzählt auch vom Guide Michelin, jenem stetig expandierenden Restaurantführer, dessen Tester über Wohl und Weh eines Restaurants für ein Jahr entscheiden. Jean-Luc Naret, sonnengegerbter Direktor des Guide Michelin steht Rede und Antwort, alleine das eine kleine Sensation, die Firma ist ansonsten verschwiegen wie eine Auster.
Und hier wird Hachmeisters Film auch politisch, etwa wenn Fragen aufkommen, wie die nach dem genauen Unterschied zwischen zwei und drei Sternen. Wie kann es angehen, dass Spitzenköche und Restaurantkritiker gemeinsam Rene Redzepis Ausnahme-Restaurant “noma” in Kopenhagen zum Besten der Welt wählten, der Michelin aber den dritten Stern beharrlich verweigert? Warum gibt es kein Interesse an einer eigenen, skandinavischen Ausgabe, während in der Erstausgabe des Führers in Tokio gleich acht Restaurants mit drei Sternen gewürdigt wurden?
Und wie viel Sinn macht das Restaurantführer Ding überhaupt? Die kurze Szene im Film, in welcher Sternekoch Bernard Loiseau im Sarg an seinem Restaurant in Saulieu vorbei getragen wird, überrascht und ist tief ergreifend. Loiseau hatte sich nach dem Verlust zweier Punkte im Restaurantführer Gault Millau mit seinem Jagdgewehr erschossen. Mutig und richtig von Regisseur Hachmeister, auch das zu zeigen.
Die Köche und die Sterne
Dokumentation von Lutz Hachmeister, (Deutschland 2010, 90 Minuten)
Der Film hatte am vergangenen Sonntag auf ARTE Fernsehpremiere. Dankenswerter Weise zeigt ARTE den Film eine Woche lang online unter:
videos.art.tv/ (Direktlink zum Film)
Weitere Ausstrahlungstermine im Fernsehen auf ARTE sind:
Donnerstag, 30. September 2010, 15:10
Freitag, 15. Oktober 2010, 01:00