Schon ein bißchen wehmütig verlassen wir das Alentejo Richtung Süden, der letzte Teil unserer Reise führt uns nach Lagos, an die Algarve. Nach erstaunlich kurzer aber kurvenreicher, anderthalbstündiger Fahrt, erreichen wir unsere „Unterkunft“, das Casa Arte.
Unterkunft: Casa Arte
Casa Arte wird von der Niederländerin Sarah Kunst geführt, ein Refugium der Stille, nur wenige Autominuten vom trubelig-touristischen Lagos entfernt. Man musss ein bißchen aufpassen, dass man sich überhaupt noch auf den weg macht, das Grundstück und die wenigen Zimmer sind von klarer, mediterraner Eleganz, dabei schlicht und funktional. Morgens gibt es ein hausgemachtes Frühstück mit frischem Obst, Ziegenkäse, frisch bereiteten Säften und Eierspeisen nach Wunsch. Der Tag vergeht anschließend gerne mal am Pool, oder man macht Ausflüge an die nahen Küsten oder nach Lagos. Lassen Sie sich gerade in Restaurant-Fragen unbedingt von Sarah beraten, sie kennt viele tolle Tipps.
Lagos: Imrãos und A Tasca do Kiko
Sarah half uns auch bei der Tischreservierung in einem ganz besonderen Restaurant, dem Rei das Praias, jener Strandbude in die Juan Amador seinen Kontrahenten Tim Mälzer im Rahmen der Sendung Kitchen Impossible schickte, um den perfekten Arroz Marisco zu kosten. Doch erstmal ankommen, den ersten Abend verbringen wir in Lagos und sind ein klein wenig geschockt. Einen derartig touristischen Trubel habe ich noch nicht erlebt und beim Gang durch die Altstadt, die in Teilen wie ein einziges Strassenrestaurant wirkt, sehen wir im Vorübergehen, auf Tellern und bunt-babylonischen Speisekarten, das ganze mögliche Grauen touristischer Massenverpflegung.
Gottlob hat Sarah einen Tipp und so genießen wir am ersten Abend im Restaurant Irmãos, ein paar ausgezeichnete Muscheln und dann ein butterzartes Schnitzel in einer Hülle aus luftgetrocknetem Schinken und einer wirklich feinen Rotweinsauce (oben links)! Ein paar Tage später kehren wir, wieder auf Sarahs empfehlung hin im A Tasca do Kiko am Hafen ein. Großartiger Laden, spezialisiert auf Wein mit Tapas und Petiscos, die Weinauswahl ist riesig, die „Kleinigkeiten“ liebevoll und teils modernisiert auf Teller gebracht. Dort mochte ich besonders Maionese de Raia, ein unglaublich würzig-cremiger Karoffel-Mayonnaiseschlonz mit zerpflücktem Rochen-Fischfilet (oben rechts). Klau ich!
Arrifana (Aljezur)
Die Strände von Lagos waren nicht so unser Ding, es ist ein bischen wie an der Ostsee, flach, weit und ruhig und wir haben dann Arrifana (Aljezur) für uns entdeckt, gute 30 Minuten landschaftlich sehr reizvolle Fahrt bis an die wilden Strände und Steilküsten von Arrifana im Costa-Vicentina-Naturpark, eine Ganzjahres-Destination für Surfer, aber eben auch ein toller Strand, Mittags isst man einfach aber gut im rammelvollen Restaurante Da Praia mit grandioser Sicht. Abends wird die Aussicht noch ein bißchen grandioser im Restaurante O Paulo auf dem Hochplateau der Steilküste.
Der Sonnenuntergang ist spektakulär, wie das Angebot an Fisch, ich wurde den Eindruck nicht los, in den Schautheken und Aquarien des Restaurants wirklich alle Fisch- und Krustentiere der Weltmeere versammelt zu sehen, inklusive kiloschwere Hummer, die älter sein dürften als die meisten Gäste im Restaurant. Und das ist es, was man da oben auf dem Fels bekommt: klasse Fisch, und Krustentiere, einfach zubereitet. Wir bestellten neben den obligatorischen Venusmuscheln (die hier schräger Weise mit etwas Senf im Sud zubereitet werden!), eine Fisch-Cataplana. Riesensauerei mit Reis und Zitronenerfischungstuch, vielen Carcassen und Gräten, ich glaube man nimmt hier lieber was vom Grill und besser is(s).
Lagos: Comidinha Snack Bar
Wesentlich erfreulicher dann, einen Abend später und zurück in Lagos, der Besuch im Comidinha „Snack Bar“, einem kleinen Restaurant in einem Neubau-Wohngebiet – das leider kein Geheimtipp mehr ist, seit es in einem Reiseführer der Süddeutschen Zeitung empfohlen wurde. Unbedingt reservieren! Haben wir nicht gemacht und sitzen darum bis kurz vor 22.00 Uhr vor einer nahe gelegenen Trinkhalle, aber dann! Wirt Pedro ist so streng wie nachsichtig, erklärt gerne und gut, wenn er merkt, dass man sich für Essen und Wein interessiert, ganz besonders der Wein steht hier im Mittelpunkt. Im Grunde ist das ganze Restaurant von oben bis unten vollgestopft mit Weinen aus allen acht Anbaugebieten Portugals, stapelt sich an Wänden, auf Tischen, in Regalen, in Kühschränken – nur Pedro weiß jederzeit, wo sich gerade welche Flasche befindet. In der Küche kocht seit zwanzig Jahren Pedros Frau einen spannenden Mix aus portugiesischer Küche mit afrikanisch-brasilianischen Einflüsssen, die Kokoscurrys duften in großen Töpfen auf den Tischen, berühmt ist auch der nur zart gegrillte Thunfisch in bestem Olivenöl, das Schweinefleisch mit Muscheln war dagegen etwas langweilig. Ansonsten ist den Anweisungen Pedros unbedingt Folge zu leisten, auch beim Portwein und beim Käse!
Ferragudo (Lagoa): Rei das Praias
In Ferragudo wenden wir, hier liegt das letzte Ziel unserer Reise, das Strandbuden-Restaurant Rei das Praias, nahe des Städtchens Lagoa. Seit 40 Jahren schon brät man hier an der Steilküste der Algarve in stiller Bescheidenheit nur den frischesten Fisch. Chefin Lucília Maria Assunçāo Cabrita Martinho ist stolz auf ihren Arroz de Marisco, einem portugiesisches Traditionsgericht. Es ist entfernt verwandt mit der spanischen Paella, dabei aber wesentlich saftiger, eher ein Reis-Eintopf mit Krustentieren und/oder Meeresfrüchten in aromatisch-würzigem Sud. Die Spezialität des Hauses erfreute sich bei Einheimischen und internationalen Stammgästen immer schon größter Beliebtheit. Dann schauten im vergangenen Jahr Tim Mälzer und das Team der erfolgreichen Vox-Doku-Kochshow Kitchen Impossible vorbei – und seitdem ist die kleine, feine Strandbude auch weltberühmt in Deutschland.
Für das Kitchen Impossible-Format begibt sich Tim Mälzer regelmäßig in den Wettstreit mit berühmten Kollegen: In nahen und fernen Ländern müssen die Köche ausgefallene Gerichte ohne jede Vorbereitung möglichst authentisch nachkochen. Beim Analysieren und Nachvollziehen der Überraschungsgerichte können sie sich einzig auf ihre Sinne verlassen, eine einheimische Jury bewertet anschließend vor Ort die Erfolge der oftmals detektivischen Geschmacksforschung. Es war Drei-Sterne-Koch Juan Amador, der Mälzer an den portugiesischen Strand schickte, um dort Mutter Martinhos legendären Arroz de Marisco zu erschmecken und nachzukochen.
Zu Beginn der Reise erhöhte Amador subtil den Druck auf den Probanden Mälzer, indem er nebenbei erwähnte, dass auch schon Kochlegenden wie Heinz Winkler und Eckart Witzigmann höchstpersönlich für das Reisgericht zur Strandbude gepilgert seien: „Es gibt wohl kaum ein anderes Restaurant in dem schon so viele Sterneköche waren – und alle bestellen sie den Topf Arroz de Marisco“, so Amador. Seit der Erstausstrahlung der Sendung ist das Rei Das Praias noch besser besucht als sowieso schon während der Hochsaison: In den kommenden Wochen, erfahren wir, gäbe es nur noch am späten Abend Tische, so ab 22 Uhr. Nehmen wir! Und reisen trotzdem schon früher an, es gibt hier nämlich auch eine Strandbar mit Weitsicht und einen sehr gelungenen Sonnenuntergang. Unser Tisch ist dann auch schon früher frei und wir bestellen als Aperitif Porto Tonico (6 €), einen herben Verwandten des Gin Tonic, mit trockenem, weißem Portwein, viel Eis und Minze-Deko im Goldfischkugel-großen Glas serviert. Hübsch ist es hier auf der hölzernen, weiß gestrichenen Veranda-Terrasse, das abendschöne Meer zu Füßen, über den Köpfen dämmert ein reiches Sternenzelt, weiße Tischdecken, Kerzenlicht … Nur dass der lokale Radiosender, der aus Minilautsprechern Eurotrash-Disco und 80er-Jahre-Hits in die laue Nacht quäkt, ist auch mit fortgeschrittener Urlaubsentspanntheit nur schwer zu ertragen. An den Nebentischen haben alle deutschen Urlauber nur ein Gespräch: Tim Mälzer und der Arroz de Marisco. Und ja, die Neugier steigt, denn auch wir erinnern uns nochmals daran, was Tim Mälzer damals selig kauend in die Kamera sprach:
Tim Mälzer: „Das ist das mit Abstand Beste, was ich in den letzten Jahren gegessen habe.“
Wir genießen vorweg gebratene Shrimps in duftendem Öl mit Knoblauch, Zitrone und Paprika, stippen den Sud mit ungesalzenem Weißbrot auf. Der Service ist, wie so oft in Portugal, von freundlicher Herzlichkeit, hier kommt noch die entspannte Gelassenheit eines Serviceteams hinzu, das gewohnt ist, täglich ein paar hundert Gäste zu bewirten. Aus der üppigen Weinkarte empfiehlt uns der Chef einen körperreichen, vollmundigen Weißwein aus dem Alentejo „Herdade Do Sobroso“ Barrique Select, der wirklich hervorragend zum Arroz de Marisco passt. Großer Auftritt im knallheißen Topf: eine dampfende Riesenportion duftend würziger Reis mit zwei Kaisergranat, ein paar Garnelen und Muscheln – Geschmack pur, sehr leicht, tomatig mit fruchtiger Paprika und doch vielschichtig komplex, mit einem feinen Aroma der Krustentiere, einem Hauch Koriander, der eleganten Schärfe von Piri-Piri und einem subtilen Hauch Portwein, den Tim Mälzer damals (nachvollziehbar) nicht herausschmeckte – dennoch gab es vor Ort gute Bewertungen für seine Version des Reisgerichts.
Von uns gibt es höchste Punktzahl für das Original von Lucília Maria Assunçāo Cabrita Martinho – und wir haben uns vorab schlau gemacht: Um vergleichen zu können, genossen wir das Traditionsgericht ein paar Tage zuvor auch in einem anderen Restaurant an der Küste des Alentejo. Dort war der Arroz von eher dunkler Würze, deutlich betonter der Krustentiergeschmack auf Basis einer reduzierten Jus – dabei nicht unbedingt schlechter oder besser, anders eben. Im Rei Das Praias gefiel uns die Leichtigkeit des fein ausbalancierten Gerichts. Es wäre allerdings ein Fehler, das Angebot des charmanten Strandrestaurants auf seine Spezialität zu reduzieren. Die Auswahl an Fischen und Meeresfrüchten ist riesig, selbst zu späterer Stunde liegen glänzend frische Fische, Garnelen und Langusten auf knackendem Eis hinter glänzendem Glas. Die Köche braten nach Wunsch und auf den Punkt, wir staunen über saftige Fischfilets, die an den Nebentischen vor den Augen der Gäste von den Gräten gelöst und nur mit Salz und Olivenöl gewürzt werden. Salat dazu und Reis und ein Berg Pommes Frites – wenn gewünscht, auch zum Steinbutt!
Die Dessertkarte bietet Feigentarte und Pavlova-Baiser, Flan, Eis und Kuchen und alles ist wirklich sehr süß. So ist das in Portugal und mit einem Glas altem Portwein, der gut gekühlt serviert wird, und einem „Bica“, portugiesischem Espresso, gelingen da durchaus beglückende Kombinationen. Als wir und auf dem Heimweg machen, sitzt Lucília Maria Assunçāo Cabrita Martinho am Ausgang des Restaurants auf einem Bänkchen, verabschiedet jeden Gast mit Kopfnicken und guten Wünschen und wir danken überschwänglich und gestenreich für den schönen Abend. Senhora Martino schenkt den beiden Deutschen ein wissendes Lächeln der Bescheidenheit – ja, so läuft das hier. Schon seit 40 Jahren.
Und sonst so?
Unserer erste Portugal Reise endet hier, unten gibt es nochmal alle Links zu unserer kulinarischen Portugal-Trip. Wir wissen: wir müssen wieder kommen. Würden am liebsten gleich wieder losfahren. Und haben schon Pläne: der grüne Norden fehlt, Porto und das Douro-Tal. Wir freuen uns jetzt schon drauf.
Die ganze Tour, alle Links:
1. Lissabon
2. Alentejo