Am Morgen ein letztes Pastel de Nata bevor wir Lissabon Richtung Süden verlassen, raus aus der Stadt raus aufs Land, an die wilden Küsten des Alentejo.
Die Unterkunft
Nach gerade mal knapp anderthalb Stunden erreichen wir unser neues Zuhause, ein Pradies wie wir schnell feststellen, Cabeça de Cabra, sechs klar gestaltete Suiten (Loft/Standart) in einer ehemaligen Dorf-Grundschule. Gastgeberin Maria hat ein Refugium geschaffen für Surf-Dudes die die nahen Strände erleben wollen, für Erholungssuchende, auf Cabeça de Cabra kommt man runter, kommt an, hier lässt es sich entspannen.
Es gibt einen eigenen Garten und jeden Morgen macht Maria Frühstück, dann sitzen alle Gäste um den großen langen Tisch, genießen gutes Brot, luftgetrockneten Schinken und heimischen Käse, Rührei, Müsli und Joghurt und jeden Tag gibt es Extras: frisch zubereiteten Fruchtsaft, einen Zucchinisalat, sonnenwarme Gartentomaten, einen von Marias großartigen Kuchen, oder süßes, hausgemachtes Gebäck.
Hinter dem Haus eine Weide, mächtiges Braunvieh rupft genussvoll Walnussblätter vom Baum, Kuhglocken bimmeln. Ich sitze gerne unter den Bäumen oder im kühleren Hallengang der alten Schule, schreibe, lese, summe ein Loblied der Faulheit. Und dann eben doch Hummeln im Hintern und los und auf ans Meer – 15-20 Minuten ist man unterwegs zu den weiten Stränden, das Meer ist aufregend, wuchtig bewegt, glasklar und herrlich eisekalt, Atlantik eben.
Hier ist auch der Weg das Ziel, die Landschaft berührend, die sanften Hügel, die alten Korkeichen, die weiten Felder. Portugal habe ich mir immer trocken, steinig und verbrannt vorgestellt, jetzt im Juli ist das Land erdig-rot, weizenblond und dunkelgrün unter einem weiten blauen Himmel, in dem weiße Wolkenfetzen treiben. Malen möchte man können, plötzlich.
“Caracóis” und “Miga” in Porto Covo
Wir kommen nicht weit, am ersten Abend, fahren ins nahe gelegene Porto Covo, ein typisches Touristenstädtchen, mit Restaurant- und Einkaufssträßchen zum Flanieren, wir wählen nach Gefühl und Sympathie aus den unzähligen Restaurants eines ganz in einer Ecke am Platz, wir haben Glück, freundlicher Service, gutes Essen, kalter Vinho – Vorweg will ichs aber wissen und bestelle Caracóis: auf dem Teller ein guter Grund, warum sich die ersten Menschen am Meer, am Atlantik, niederließen. Sie beobachteten Seevögel, die sich von Muscheln und Schnecken ernährten – und begriffen schnell: hier gibt es Nahrung (und Eiweiß!), ohne die Mühen der Jagd, dem damit verbundenen Einsatz ihres Lebens und zudem in nachwachsender, schier unbegrenzter Menge! Hier bleiben wir! riefen die Leute und so kamen die Menschen ans Meer. (So was weiß ich nicht, das hab ich mir angelesen, im super-interessanten Buch: „Der Atlantik – Biographie eines Ozeans“ von Simon Winchester). Im Alentejo werden die Schnecken „Caracóis“ heutzutage im Knoblauchsud zu Bier serviert, ich habe Alentejo-Wein bestellt, weil: das Bier kenn ich schon. Nur Touristen bedienen sich übrigens der angebotenen Zahnstocher, die Einheimischen saugen lautstark und mit Genuss.
Das Filet Secreto ist zart, dazu gibts Reis und den international beliebten Touristenteller-Deko-Dreiklang: Orangescheibe, Tomatenschnitz, Salatgurkenrädchen. Ordentlich. Ich hab mir aus Neugier zusätzlich noch meine neue Lieblings-„Beilage“ bestellt: Miga (migas à alentejana) aus geriebenem alten Brot, dass mit Brühe, Zwiebeln und Knoblauch zunächst zu bröseligem Brei gekocht, und dann in der Pfanne zum „Omelette“ gebraten wird, serviert mit frischem Koriander. Der „Semmelknödel“ aus dem Alentejo schmeckt solo schon und als Beilage zu eigentlich allem.
A Choupana, Vila Nova de Milfontes
Unseren Lieblingsstrand haben wir schnell gefunden der Praia Malhão vereint an seiner Küste gleich zwei Strände und eine Bucht, von Sonnenbaden bis Wellenreiten ist alles geboten.
Im Herbst und Winter kommen die wirklich großen Wellen und die echten Surfer. Ich geb tagsüber den König der Weltmeere (lasse mich also im Wellengang durchschleudern bis ich irgendwann wieder am Strand angelandet werde). Das macht auf jeden Fall hungirg und im nahe gelegenen Vila Nova de Milfontes erleben wir zwei wirklich schöne Abende, den ersten im A Choupana.
Das A Choupana wirkt wie die protugiesische Ausgabe der Sylter Sansibar: rummelvolles Holzhäuschen mit übertriebener Aussicht, riesen Weinliste und alles vom Grill, Hähnchen, Fisch, Krustentiere. Salat dazu zum selber anmachen, Kartoffeln und sehr gut is. Obwohl wir nicht resereviert haben bekommen wir doch nach einiger, nicht wirklich lästiger, Warterei ein schönes Tischchen und essen perfekt gegrillten Fisch und Garnelen, spülen mit viel Weißwein nach und freuen uns des Lebens. So einfach so gut.
Restaurante Portinho Do Canal
Maria hat uns dieses Restaurant empfohlen, doch es ist beinahe leer. Trotz der spektakulären Aussicht über die Flußmündung. Trotz der guten Kritiken. Wir wissen: Ein Tisch bleibt immer frei, im Restaurante Portinho Do Canal, es ist der Tisch für die Fischer, die das Restaurant beliefern. Die sitzen da auch schon, ansonsten ist das Restaurant auf den Klippen über dem Fluß verwaist, frei Platzwahl, wir zögern, sind wir hier richtig? Wir bestellen Wasser, Wein und Muscheln und freuen uns erstmal der Aussicht – eine halbe Stunde später ist der Laden gerammelt voll – wir waren einfach zu früh.
Die Muscheln sind ein Gedicht, nie aß ich fleischigere Venusmuscheln, in einem dichten, konzentrierten Sud aus Fischbrühe, Knoblauch und viel Lorbeer, sämig gebunden mit reichlich Olivenöl. Es sollten die besten Amêijoas à Bulhão der gesamten Reise sein und ich habe die Muscheln fast überall bestellt. Dann komm die eigentliche Attraktion: “Arroz Marisco”, Reis mit “Trümmerstücken” von Languste, Bärenkrebs und kleinen Garnelen, in duftendem Krustentiersud, aus dem ganz großen, brüllend heißen, Topf.
Wir löffeln den würzigen Reis, zuzeln und knacken die Schalen, schlürfen, essen mit den Händen irgendwann, und mein Hemd ist von oben bis unten eingesaut und vollgespritzt, macht nix, noch eine Kelle und einen Schluck gut gekühlten Vinho Verde dazu – auf das Wohl unserer Wirtin Maria, die uns dieses Himmelsplätzchen am Wasser empfahl.
Und sonst noch so?
Ein paar Kilometer von Cabeça de Cabra entfernt, auf einer Art Hochebene gelegen, aß ich im Örtchen Sonega im Café Restaurante a Casinha, die besten Shrimps der ganzen Reise (s.u. rechts), der Sud war so gut, dass wir Brotstücke darin einweichten, bis die Teller trocken waren. Wir wurden durch den verwaisten Gastraum ganz nach hinten durch in eine Art, naja, also in eine Garage geführt, dort saßen auch die anderen Gäste, an Biertischen, überwiegend Einheimische aus dem Dorf. Mutter kocht, Mutter und Tochter servieren, sie tragen Namenschilder an den Schürzen. Der Vater ist Angler, er grillt in der zum Hof hin offenen, angrenzenden Werkstatt den Fang des Tages. Die Leute stehen daneben, schauen zu, rauchen und schwatzen. Viel näher waren wir nicht mehr dran, an “Land und Leuten”.
Apropos Fleisch, in Porto Covo durfte ich im Restaurante Zé Inácio “Abanicos” kennen lernen, kros gegrilltes, saftiges Filet secreto, in Streifen geschnitten, serviert mit unfassbar viel rohrem Knoblauch (s.o. links!) und frisch gehacktem Koriander. Ich habe mir ein bißchen Sorgen gemacht wegen des wirklich üppig gestreuten, wirklich rohen Knoblauchs. Aber wenn man erstmal damit angefangen hat, entwickelt das Gericht seinen ganz eigenen Reiz, man kann nicht mehr aufhören, roten Landwein dazu, fabelhaft. Anderntags hat man keine Knoblauchfahne, sondern eher eine Knoblauch-Festtagsflagge.
Wir also mit echt würzigem Atem rein ins Auto und zum letzten Zielpunkt unserer Portugal-Reise. Der Süden Portugals, die Algarve. Und wir waren auf einer Mission. Wir wollten herausfinden, ob der Arroz Marisco in dieser Strandbude, in der Tim Mälzer genau dieses Gericht für die Sendung Kitchen Impossible nachkochen musste, ob dieser Reis also tatsächlich so gut und besser schmecken würde, als der im Portinho do Canal. Dies dann im dritten Teil der kleinen kulinarischen Portugalreise.
Die ganze Tour, alle Links:
1. Lissabon
2. Alentejo