Wenn ich auf Reisen bin, besuche ich immer auch die Supermärkte meines jeweiligen Gastlandes, nirgendwo erfährt man schneller mehr über die Ess- und Genusskultur der Menschen vor Ort. Die großen Schweizer Supermärkte rangieren da knapp hinter dem märchenhaften Schlaraffenland, was die breite und Güte des Warenangebotes angeht, ich hätte gerne ein Foto meines Gesichtsausdrucks als ich im Coop in St. Moritz/Bad ein Slow Food-Regal entdeckte, mit regionalen Spezialitäten. Auf der Kooperationsseite der Supermarktkette las ich später:
„Mit dem Angebot von Produkten aus Slow Food Presidi fördert Coop die traditionelle Herstellung von Lebensmitteln, die Schweizer Esskultur und nicht zuletzt die Vielfalt des Genusses. Die Produkte werden im Einklang mit der Natur hergestellt. Coop unterstützt den Erhalt von jahrhundertealtem Wissen über traditionelle Herstellungsverfahren einzigartiger, regionaler Spezialitäten.“
Wohlgemerkt, Coop ist eine Supermarktkette. Schweiz, Du hast es besser. Im Regal u.a. ein Baumnussöl, gelagerter Vialone Nano Reis, Linsen aus der Schweiz und ein Päckchen grüngrauer Algen. Algen? Ich sah genauer hin, das hatte ich noch nie gesehen. Schweizer Dörrbohnen las ich auf dem schönen Etikett, aus Bio-Anbau und bei 35 Grad schonend luftgetrocknet. Und noch während ich mich fragte, wer denn wohl und vor allem warum irgendwer grüne Bohnen trocken wolle, stand ich schon an der Kasse. Für 100 g der Slow Food Dörrbohnen aus Bioanbau zahlte ich knapp 10 Franken, etwa 8 Euro. Die müssen schmecken!
Neben der klitzekleinen Kochbeschreibung auf der Packung selbst, wurde ich natürlich verlässlich fündig im Schweizer Foodblog Lamiacucina, erfuhr nach weiteren Recherchen, dass ich einen wahren Schatz in den Händen hielt. Die Schweizer sind verrückt nach ihren getrockneten Grünen Bohnen, einem Schweizer Kulturgut, leider waren wohl in den vergangenen Jahren kaum noch Dörrbohnen aus heimischem Anbau erhältlich. Der überwiegende Teil der sich im Umlauf befindlichen Ware komme aus China, erklärte man mir vor Ort und es sei ein Segen, dass es jetzt wieder Schweizer Dörrbohnen zu kaufen gäbe, die aus China taugten nämlich nichts.
Die Zubereitung der Dörrbohnen ist denkbar einfach: sie werden über Nacht in Wasser eingeweicht, dann mit in Butter geschmorten Zwiebeln (und nach Geschmack gehacktem Knoblauch) durchgeschwenkt. Für die „Berner Platte“ kommen Speck und Rippchen dazu, dann wird mit Fleischbrühe aufgegossen und alles knapp bedeckt im geschlossenen Topf oder Bräter 25-30 Minuten gegart. Die Berner Platte wird zusätzlich mit Würsten und Sauerkraut serviert. Ich habe norddeutsche Kochwürste und geräucherten Speck mitgegart, später noch mit wenig Salz, etwas Pfeffer gewürzt und frisch geschnittene Petersilie zugegeben.
Die Bohnen schmecken dann wie eine Reduktion von grüner Bohne, tief und intensiv. Sie entfalten einen einmaligen, durch die Trocknung verstärkten Geschmack und haben ein außergewöhnlichen, „fleischigen“ Biss. Kein Wunder, dass die Schweizer verrückt nach Dörrbohnen sind und diese sogar verwenden, wenn eigentlich frische Bohnen Saison haben.
Ich habe auch von einem rahmigen Dörrbohnen-Kartoffeleintopf mit Speck gehört, den mache ich das nächste Mal, die Dörrbohnen sind aus!
Weiterführende Links:
Diese Bio-Dörrbohnen aus der Schweiz habe ich mitgebracht und probiert, sie können auch online bestellt werden: bei gruenboden.ch
Alles über Dörrbohnen auf der ohnehin empfehlenswerten Seite kulinarischeserbe.ch