London (7): Dine with Dos Hermanos at Tayyabs & verliebt im Lexington

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Der Laden ist riesig. Angefangen hat alles vor über 30 Jahren, Londons erstes Pakistani-Restaurant war bei Eröffnung eine kleine Garküche für heimwehkranke Auswanderer. Heute hat Tayyabs 300 Sitzplätze auf zwei Stockwerken, die mehrfach am Tag besetzt werden, alleine in der Abendschicht bis zu dreimal, hier speisen täglich über 1200 Gäste. Schon am Vormittag stehen die Menschen Schlange für einen Mittagstisch, 1 Tonne Lammkoteletts gehen hier pro Woche über den Tisch, das Haus genießt einen ausgezeichneten Ruf.

Wir sind dem Ruf von Autor, Foodblogger und Iron Chef Jury Mitglied Simon Majumdar gefolgt, der uns eingeladen hat, bei einem der legendären Dine with Dos Hermanos dabei zu sein. Regelmäßig treffen sich dazu Freunde des gleichnamigen Blogs, Foodies und Foodblogger zum gemeinsamen Essen in Londoner Restaurants. Heute sind es vierzig Menschen, die sich an einer langen Tafel im Erdgeschoss des Tayyabs eingefunden haben.

img_5720Unsere Gastgeber, Wasim Tayyab und Food-Autor Simon Majumdar

Die mitgebrachten Weine werden entkorkt, das Tayyabs hat keine Alkohol-Lizens, rundum wird eingeschenkt und ausgeschenkt. Kachelboden, Backsteinwände, grünes Diskolicht, ein technicolor-beleutetes Riesenaquarium das nur von stetig aufsteigenden Luftblasen bewohnt wird, blubbert lautlos vor sich hin. Aus den Boxen tönt seufzende Bollywood-Filmmusik im Wechsel mit hammerhartem, indischem Kirmes-Techno. Es ist sehr laut. Die Gäste brüllen sich an, die Kellner schreien rum. Der Laden ist eine Erfahrung!

Zu Essen gibt es auch was. Rauchende Eisenpfannen mit Bergen von Fleisch werden aufgetragen, Lammkoteletts, Hähnchenfrikadellen und feine Lammhackspieße, es duftet mouthwatering. Die dramaturgisch sehr interessante Rauchentwicklung und den Duft verdanken die Gäste einem schlauen Einfall der Küchencrew: unter dem Fleischberg, direkt auf den Boden der glühend heißen Pfannen wurden Zwiebestreifen gestreut, die dort effektvoll verbrennen.

img_0066Tayyabs mixed grill, Foto: Dos Hermanos

Die Lammkoteletts sind unterschiedlicher Prägung, zwischen zäh wie Leder bis saftig-zart ist alles dabei, sie schmecken überwiegend nach Tandoori-Gewürz, warum die Leute sich dafür anstellen ist mir rätselhaft. Für die übrigen Fleischspeizialitäten hingegen würde ich mich sofort anstellen. Saftig, würzig, aromatisch!

img_5703Herd mit drei Garstufen: sehr heiß, sehr heiß und sehr heiß

Das Fischfilet aus dem Tandoori-Ofen hat es leider auch nicht überlebt, die Gemüsegänge und das typisch pakistanisch, trocken geschmorte Fleischcurry, sind dagegen wieder eine würzige Wucht. Zarte, geräucherte Mini-Auberginen auf Möhren-Kartoffelcurry, cremiges Dal Linsengemüse und scharfes Gurken-Kürnis-Curry und eben Dry Meat, schwarz geschmortes zartes Lammfleisch begründen dann doch den donnerhalligen Ruf des Hauses. Spitze!

Vor dem Dessert (mit bunter Sahne und Glitzerstreuseln verzierte Muffins), läd uns Wasim Tayyab zur Küchenbesichtigung. Wir staunen. 1200 Gäste täglich werden bekocht aus einer winzigen Zweiraumküche, sechs Köche arbeiten bei Sauna-Temperaturen an zwei langen Grills, einem Herd und dem Tandoor-Ofen. Die Hitze ist gewaltig, die Kohle knistert, flammen erhellen die verschwitzten Gesichter der Köche.

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Die italienische Foodbloggerin Francesca (Foodtrotterevents.com) und Freund Florian folgen beherzt der Einladung zum Fladenbrot backen. Dazu werden weiche Hefeteigfladen auf ein, mit einem Küchenhandtuch bezogenes, Rundkissen gelegt und von dort mit einer ruckartigen Schleuderbewegung direkt an die glühenden Wände der Ofenhölle geklatscht.

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Dort erblüht der Hefeteig in sekundenschnelle zu einem fluffigen Fladenbrot. Selbiges passiert übrigens auch mit der Hand des Bäckers der beim Fladenwerfen auch nur kurz zögert.
Mit spitzen Gabelstangen werden die fertigen Fladenbrote von den Wänden gepflückt.

Zurück im Restaurant ist die fröhliche Runde in Auflösung begriffen, fürs Essen legen alle zusammen. Für das mehrgängige Menü mit Wasser werden pro Nase umgerechnet knappe 12 Euro fällig. “If you spend 20 Pounds at Tayyabs, your showing off!“, lacht Simon Majumdar und verabschiedet uns mit kräftigem Händedruck.

The Lexington

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Es war Liebe auf den ersten Blick. The Lexington ist ein in die Jahre gekommenes Schmuckstück in dem es sich gepflegt Nachtschicht halten lässt. The Lexington ist Club, Bar und Bühne in einem. Meterhohe Wände lassen Platz für Gedanken, verschwiegene Samtvorhänge lauschen den Gesprächen der Trinker, ein entspanntes Publikum dass sich nicht festlegen lässt, versammelt unter Kronleuchtern und Tiergeweihen.

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Zur Hangover Sunday Lounge spielt der DJ große Stromgitarren, Punkrock, alten Swing, Rockabilly, die guten Achtziger, Countrymusic. Wenn selbst der DJ schläft, bedienen die Gäste die Musikbox, hier leben Brian Ferry, The Residents, die Violent Femmes, Johnny Cash, Devo… “we got a whole lotta strange stuff in it”, sagt die Lexington Chefin lachend. Die Jukebox kostet nichts.

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Meterlang die große Bar, meterlang die beeindruckende Bandbreite an amerikanischem Whiskey auf den man sich hier spezialisiert hat. Wortkarge, schöne junge Frauen und Männer servieren hier beiläufig das Gewünschte.

Ich habe mich verliebt in das Lexington. Nur zwei Nächte hatten wir. Würde ich in London leben, ich wäre dort zu finden.

Links:

Tayyabs

The Lexington

Simon Majumdar

Dos Hermanos

Und hier gehts zu:

London (1): Gourmet Odyssey, Nahm, The Squar, Wild Honey

London (2): The Waldorf, Bohemian Lounge Bar, Tây Đô Restaurant

London (3): Covent Garden Real Food Market, Brick Lane Food Market

London (4): Menü im Blue Print Café mit Jeremy Lee und Michael Smith

London (5): Báhn Mì & Phở im City Càphê

London (6): Ein Abend in Fergus Hendersons ST. John Bread & Wine

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