Jeremy Lee (Blue Print Café) und Michael Smith (The Three Chimneys)
Über die frisch gestrichene Tower Bridge queren wir die Themse, vorbei an Butlers Warf und rüber zum London Design Museum, hier findet sich das Blue Print Café. Es ist der 10.10.2010 und es treffen sich heute im Rahmen des London Restaurant Festival zwanzig der besten britischen Küchenchef (insgesamt 12 Michelin Sterne), um in zehn Londoner Restaurants gemeinsam ein Menü zu kochen.
Im Blue Print Café am Themse-Ufer begegnen sich beim 10-10-10 Projekt Michel Smith vom Restaurant The Three Chimenys auf der Isle of Skye, Schottland und Blue Print Café Küchenchef Jeremy Lee. Letztmals bitten uns dabei unsere Gastgeber von Visit London in Kooperation mit American Express zu Tisch.
Wir werden herzlich von der jungen Serviceleiterin begrüßt und bekommen einen Tisch an der langen Fensterfront mit Blick auf Themse und Towerbridge. Zum Auftakt servieren Lee und Smith eine gekochte Schwarzwurzel in einer hauchdünnen Parmesan-Hippen-Hülle, daneben ein mürbes Salztartelette, mit kühlem Zigenjoghurt bestrichen und mit kurz ansautierten Pfifferlingen und Trompetenpfifferlingen gekrönt.
Klare Aromen prägen den wunderbar herbstlichen Einstieg ins Menü, Hauptrolle spielen hier die Texturen, die weiche Schwarzwurzel in ihrer krossen Hülle, das mürbe Gebäck mit weicher Creme und schlozigen Pilzen.
Auch der zweite Gang lebt stark von den unterschiedlichen Texturen, vereint Blutwurst und Auster. So sehr ich Blutwurst liebe, so sehr lehne ich Austern ab, ich esse keine Austern. Ich habe die gängigen Autsernsorten probiert, die Idee der Auster erschließt sich mit nicht, ich bin durch mit dem Thema.
Da ich aber auch Kulinariker bin, folge ich treu der Idee der Küchenchefs, führe einen Happen Blutwurst mitsamt der Auster zum Munde um zu verstehen. Das Grauen beim Kauen ist namenlos.
Die Muschelsuppe ist ein Segen, mit knackigem Staudensellerie, Porrestreifen, Fenchel, Pfahlmuscheln, Bouchot Muscheln und Venusmuscheln in einem köstlichen Sud der nicht gebunden ist. Der 2008er Chablis von William Fèvre aus dem Burgund begleitet in Vollendung.
Auch hier zeigt sich deutlich die gemeinsame Küchenphilosophie der Köche, Lee und Smith stehen beide für beste Produkte, klare Aromen und einfache Zubereitung, das Produkt ist der Star in der Küche. Das Menü der Beiden ist insgesamt programmatisch für die New British Cuisine, die sich selbstbewusst der traditionellen Klassiker erinnert, umsichtig modernisiert, klar und einfach mit höchsten Ansprüchen an die heimischen Produkte. Klingt vertraut nach dem, was länderübergreifend die Mehrheit der Köche seit Jahren gebetsmühlenartig auf die Frage nach ihrem Kochstil antworten. Hier nimmt man den Vorsatz beim Wort.
An die gute Tradition des klassischen Sunday Roast erinnert der Hauptgang, typisch sind die Beilagen, geröstet Kartoffeln und buntes Gartengemüse, hier Möhren, gelbe Bete und Mangold zum butterzarten Reh mit Backpflaumen, kühler “Gin Sloe”-Schlehen-Sauce und einer mit Koriander perfekt aromatisierten, kräftigen Wild- Jus. Ganz groß.
Wir trinken dazu einen 2008 er Loire Wein mit dem wunderbaren Namen In Côt We Trust von Thierry Puzelat, ein vielschichtiger, dennoch komplexer Rotwein mit vollen Beerenfrüchten und Anklängen von Tabak und Lakritz. Chapeau, Monsieur Puzelat!
Das erste Dessert dient erneut dem Lob des vermeintlich Einfachen. Unter wilden schottischen Blaeberries verbirgt sich supercremiger Zitronenjoghurt. Thats it. Thats it!
Wir lernen unsere Tischnachbarn kennen, einen ebenso wild fotografierenden Malaysier nebst Begleitung. Es ist der Londoner Foodblogger Bellaphon und er zeigt uns die anderen drei Foodblogger im Restaurant. Wir sprechen über Foodbloggen in London und das ist dort eine so ganz und gar völlig andere Geschichte als in Deutschland, dass ich darüber zu einem späteren Zeitpunkt noch einen eigenen Beitrag schreibem möchte, ich war jedenfalls mehr als erstaunt.
Einen ersten Hinweis auf die Rolle von Foodbloggern in London, mag der Umstand liefern, dass wir zwischen den Desserts in die Küche gebeten werden: um Fotos machen zu können und Fragen zu stellen.
Ich bin baff. Sprachlos macht mich aber erst das Dessert, ein warmer Pudding von luftiger Struktur, weihnachtlich in der Würzung, nach Orangenmarmelade duftend, bitter-süß mit Karamell-Noten, in einer cremigen See aus Sahne und Drambuie, einem schottischen Whiskylikör mit Heidehonig. Dram buidheach heißt der “Trank der glücklich macht”.
Wir sind sehr glücklich.
Links:
Und hier gehts zu:
London (1): Gourmet Odyssey, Nahm, The Squar, Wild Honey
London (2): The Waldorf, Bohemian Lounge Bar, Tây Đô Restaurant
London (3): Covent Garden Real Food Market, Brick Lane Food Market
London (5): Báhn Mì & Phở im City Càphê
London (6): Ein Abend in Fergus Hendersons ST. John Bread & Wine
London (7): Dine with Dos Hermanos at Tayyabs & verliebt im Lexington