Und was ist eigentlich mit dem Krieg? Jenem Bürgerkrieg der beinahe zehn Jahre tobte, in dem aus Nachbarn Feinde wurden, beginnend mit dem 10-Tage Krieg in Slowenien (1991), gefolgt von den Kriegen in Kroatien und Bosnien und dem Kosovo (1999). Die Gedanken an die Jugoslawienkriege haben uns während unserer Tage hier in Kroatien immer wieder begleitet, offensichtlich sind die Spuren der jüngeren Geschichte kaum noch.
Wir begegnen dem Krieg am Ende unserer Reise in den Gassen der Altstadt von Dubrovnik, am Haus des Künstlers Ivo Grbić, in der westlich gelegenen Shopping-Gasse Od Puča 17, finden sich großformatige Fotografien des Bombenangriffes der Jugoslawischen Armee auf Dubrovnik. Am 6. Dezember 1991 war das Haus des Künstlers eines der ersten Ziele (siehe hierzu: Nensi Brailo, Dubrovnik under Siege, pdf). Eines der Fotos zeigt Ivo Grbić vor seinem brennenden Atelier, die Strasse ist mit Trümmern übersäht, Grbić trägt einen Kochtopf auf dem Kopf, eine Faust gen Himmel gestreckt, trotzig grinsend.
Auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt findet sich die War Photo Limited-Galerie, aus dem Sonnenlicht treten wir in die kühle Dunkelheit der modernen Ausstellungsräume. Noch bis Ende Oktober 2012 ist hier die Ausstellung „Broken Lights of Yugoslavia“ des Fotografen Emmanuel Ortiz zu sehen, eine umfassende Fotodokumentation aller Jugoslawien-Kriege, der Vertreibungen, der „ethnischen Säuberungen“.
Das ist so beeindruckend wir verstörend, die Bilder lassen mich weiter ratlos zurück, es will mir nicht gelingen, diesen Krieg einzuordnen, in dem sich Nachbarn, Brüder, Landsleute die Köpfe einschlugen, in rasender Gewalt, zehn Jahre lang, im entstehenden Europa. Und wenn auch die Fakten die in diesen Krieg führten offen daliegen – Titos Erbe der zusammengebrochenen Ökonomie, ethnische und religiöse Problematiken – ist doch immer noch schwer nachzuvollziehen, wie daraus jene Walze der Agression werden konnte, in der Hunderttausende den Tod fanden.
Die Rückkehr in den sonnigen Tag fällt schwer, wir erklimmen die Stadtmauer, die die Altstadt Dubrovniks komplett rahmt und die Schönheit der Dächer und Gassen, das weite Funkeln des Meeres, ist wie ein Triumph des Lebens über den Krieg.
Tatsächlich habe ich selten etwas so Schönes gesehen und erlebt, wie den Gang um Dubrovniks Altstadt in luftiger Höhe, über schmale steingefasste Wege und Aussichtsplattformen, der Blick fliegt über Stadt und Meer über Gässchen, Gärten, Balkone, Terrassen und Strassen – ein Wimmelbild der Lebensfreude unter einer heißen Sonne.
Und ganz am Ende unserer Reise machen wir auch noch eine kulinarischen Entdeckung. Der Zufall führt uns weit weg vom touristischen Trubel der „Innenstadt“ und an den Rand der Stadtmauer, nahe des Eingangs Buža findet die Liebste eine romantische, weinumrankte Konoba, wie in Stein gemeiselt und über zwei Freiluftetagen zieht sich das wunderschöne Dachgarten-Restaurant.
Nur der Name! Konoba Lady Pi-Pi, ist ja schrecklich! Wir lachen und ich wage die Behauptung, dass es eventuell gar nicht so ist, wie wir denken, eventuell ist ja der Pi-Pi ein wunderschöner heimischer Singvogel und Damen und Restaurant nach eben diesem benannt! „Yes, it´s beautiful- but not a bird.“ erklärt mir die herzliche Bedienung trocken und zeigt ins grüne Gestrüpp am Eingang. Die Liebste hat dann ein Bild davon gemacht:
Wir bestellen Grasevina-Wein und Calamares und Ćevapčići und alles ist fabelhaft! Die würzigen Calamares schwimmen in Olivenöl und frisch gehacktem Knoblauch, dazu gibt es ein würziges Gemüse aus Zucchini, Mangold, Kartoffeln und Bohnen (dass ich sofort klauen werde).
Die Hackröllchen sind genau wie sie sein sollen, die Pommes dazu handgeschnitzt und von einer besonders aromatischen Kartoffelsorte, dazu krachend rohe Zwiebeln und pikantes Ajvar – alles in absoluter Top-Qualität. Wir sind dankbar für diesen letzten Tag und diesen schönen Abschluss, am Ende unserer wunderschönen Zeit in Kroatien. Ein Geschenk!