essen & trinken, das erste Heft vom Oktober 1972 und die aktuelle Ausgabe des Magazins
Am vergangenen Freitag war ich Gast der Auftaktveranstaltung zum 40. Jubiläumsjahr von essen & trinken, ein Pressefrühstück in der Versuchsküche, für mich ein Besuch bei Freunden. Fünf Jahre hatte ich ab Mitte der 90er Jahre in der Versuchsküche der Redaktion gearbeitet und die jüngeren Kolleginnen und Kollegen von damals, sind die Stamm-Mannschaft von heute: jene neun Köchinnen und Köche, die jeden Monat neue, exklusive Rezepte erdenken und erfinden, ausprobieren, prüfen und aufschreiben. Bis heute sind das 28.000 Rezepte.
essen & trinken Chefredakteur Stephan Schäfer mit Versuchsküchenleiter Achim Ellmer
„Helden!“ nannte der neue Chefredakteur Stephan Schäfer (36) die Küchencrew gleich am Anfang des Gesprächs mit Verlagsgeschäftsführerin Julia Jäkel. Seit über einem Jahr betreut Schäfer das Magazin, führte essen & trinken in kürzester Zeit aus dem vorangegangenen Auflagentief. Eine seiner allerersten Amtshandlungen: Schäfer hat die Küchenmannschaft ins Heft und vor die Kamera geholt, die LeserInnen wissen jetzt nicht nur wie, sondern auch wer für sie kocht. Das Herzstück der Redaktion sei die Küchenmannschaft, erklärte der Chefredakteur, ihre Kreativität der größter Schatz von essen & trinken.
Persönlichkeit als Beleg für authentische Küche: in der aktuellen Ausgabe von essen & trinken zeigt beispielsweise Koch Michele Wolken seine neuen Pasta-Rezepte
Dem Geburtstagskind geht es gut: 2,84 Mio. LeserInnen werden derzeit erreicht (AWAW 2011) und die aktuellen IVW-Zahlen zeigen im 4. Quartal 2011 ein Plus von 48 % im Einzelverkauf (gegenüber dem Vorjahr). Von Print-Pessimismus keine Spur und mit den Onlineangeboten ist man auch im Reinen: wer ein bestimmtes Rezept sucht, landet mittlerweile sowieso in den meisten Fällen auf einem hauseigenen Angebot. Es wird Geld verdient mit Plattformen wie chefkoch.de und essen&trinken.de, die machen aber das Heft nicht überflüssig, denn das bedient eben gerade nicht die Einzelsuche, sondern bietet etwas ganz anderes: umfassende Inspiration mit Bildern und Geschichten, die Lust auf neue Rezepte machen.
Beinahe auf den Tag genau, stand ich vor siebzehn Jahren das erste Mal in den heiligen Hallen der essen & trinken-Versuchsküche, im Januar 1995.
Jugendfrisch: Herr Paulsen als Versuchskoch im vorigen Jahrhundert (Ausriss)
Die Wartezeit auf einen Studienplatz an der Hotelfachschule Heidelberg hatte mich in den Hamburger Hafen gespült, mit großen Augen und klopfendem Löwenherz stand ich am ersten Tag meines Praktikums vor der beeindruckenden Schiffsarchitektur des Verlagshauses und staunte. In der Versuchsküche mit ihren sechs vollständig eingerichteten Kochblöcken traf ich dann die Menschen deren Arbeit ich zum Teil seit Jahren verfolgte, schon meine Mutter hatte ein essen & trinken Abonnement. Ungewöhnlich schweigsam ging ich in der ersten Woche meiner Aufgabe nach: es galt, die Rezepte der Versuchsköche auf ihr Gelingen zu überprüfen – für einen gelernten Koch, der zu diesem Zeitpunkt sechs Jahre in Sternerestaurants gekocht hatte, sicher keine große Herausforderung, völlig verschüchtert machte ich mich dennoch mit großer Akribie und gebotenem Ernst ans Werk. Bis heute werden für die essen & trinken Geling-Garantie alle Rezept dreimal gekocht, bevor sie ins Heft kommen, einmal beim Entwickeln, einmal beim Fototermin und nochmals von den PraktikantInnen der Versuchsküche.
So vertieft war ich in meine Arbeit, dass ich während der gesamten ersten zwei Wochen meines Praktikums nicht bemerkte, dass beim damaligen Schwestermagazin schöner essen (später VIVA!, 2008 mit dem Start von Für jeden Tag eingestellt) eine Stelle ausgeschrieben war, eine Kollegin musste mich auf die Vakanz aufmerksam machen. Ich bewarb mich. Die Aufgabenstellung: 25 Rezepte mit Frühlings-Gemüsen sollte ich mir ausdenken, 10 davon für die Redaktion kochen und eine Woche lang, jeden Tag zur Mittagszeit, eines der Gerichte „nach oben“ bringen – zu Angelika Jahr, der großen Verlegerin und essen & trinken-Erfinderin. Es ist nur den aufmunternden Minen der wunderbaren Vorzimmerdamen von Frau Jahr zu verdanken, dass ich das Chefbüro damals überhaupt betrat, Besteck und Teller klapperten jedenfalls verräterisch, wenn ich mit zitternden Händen das Tablett auf Frau Jahrs Schreibtisch abstellte und mich, einen verhuschten Diener andeutend, schnellstens wieder entfernte.
Am Freitagnachmittag bot sie mir dann einen Arbeitsplatz an, Versuchskoch mit Redakteursvertrag für schöne essen und essen & trinken, ich war zu diesem Zeitpunkt komplett verstummt und Angelika Jahr interpretierte das gottlob als Zeichen meiner Zustimmung. Heidelberg sagte ich erleichtert ab und für mich begann damals eine zweite Lehrzeit. Zwar hatte ich während meiner Lehr- und Wanderjahre als Koch mein Handwerk erlernt – es fehlte aber komplett an kulinarischer Erfahrung. Erstmals erlaubte mir mein neuer Job auch als Gast in besseren Restaurants essen zu gehen, vom Gehalt eines Commis oder Chef de partie war das damals nur sehr selten zu bestreiten, ferne Länder(küchen) zu bereisen sogar ein Ding der finanziellen Unmöglich. Bis heute glaube ich, dass das der Grund für viele Mißstände in der Gastronomie ist: nur wer selbst hin und wieder mal Gast sein kann, wird verstehen wie Gäste denken, was Gäste wünschen und welche (durchaus erfüllende) Kunst es ist, ein guter Gastgeber zu sein.
Schweißtreibende Angelegenheiten waren die vielen Presseeinladungen zu denen lobenswerter Weise auch wir Köche geschickt wurden. Ich war 25 Jahre alt, immer und überall der Jüngste und ich trug zu diesen Anlässen stets bemerkenswert schlecht sitzende Anzüge in herausfordernden Schnitten mit unglücklichen Krawatten-Kombinationen, bis sich dankenwerter Weise eine Frau meiner annahm. Die Abende und Nächte in jenen Anzügen und an Tischen mit journalistischen Urgesteinen, Spitzensommeliers, kulinarischen Dampfplauderern und gekrönten Küchenchefs bleiben als Lebensschule in bester Erinnerung, ich fuhr jedenfalls gut mit meiner damaligen Strategie „Maul halten. Zuhören. Merken. Freundlich sein.“
5 Jahre habe ich in der Versuchsküche gearbeitet, für schöne essen, essen & trinken, später mit den Kollegen auch für Living at home. Ich entdeckte den Beruf des Foodstylisten, gleichzeitig wuchs in mir der Wunsch auch über Essen zu schreiben, das war zu jener Zeit aber nicht denkbar, ein schreibender Koch. 2000 wagte ich darum den Sprung in die Selbstständigkeit. Meinen ersten Auftrag bekam ich von Angelika Jahr, noch während des Kündigungsgesprächs.
Am 4. Oktober 1972 erschien die erste Ausgabe von essen & trinken, dementsprechend erscheint auch das große Jubiläumsheft erst zum Geburtstag, im Jubiläumsjahr sind aber durchgängig viele Aktionen geplant, beispielsweise wird es einen Koch-Wettbewerb geben, bei dem die LeserInnen aufgefordert sind, ein Dreigang-Menü „Deutsche Küche – neu interpretiert“ einzureichen. Besonders reger Beteiligung dürfte sich auch die Mitarbeiter-Verlosung erfreuen:
Gewinne, Gewinne, Gewinne! (v.l.) Hege Marie Köster, Achim Ellmer, Anne Haupt, Stephan Schäfer, Michele Wolken, Jürgen Büngener,Marcel Stut, Anne Lucas, Marion Heidegger, Kay- Henner Menge
Im Jubiläumsjahr haben LeserInnen jeden Monat die Möglichkeit einen Mitarbeiter “zu gewinnen“, können sich dann zum Beispiel ihr sommerliches Grillfest von essen & trinken-Koch Marcel Stut ausrichten lassen, oder mit Chefredakteur Stephan Schäfer ein Menü im Dreisterne-Restaurant la vie in Osnabrück genießen.
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Herzlichen Glückwunsch essen & trinken! Auf die nächsten 28.000 Rezepte!