Es ist Bewegung im Food-Zeitschriftenmarkt und die Richtung ist: abwärts. Schuld geben die Verlage sinkenden Leserzahlen und dem Umsatzrückgang im Anzeigengeschäft, reagiert wurde mit Entlassungen und Vorruhestandsmodellen, beim altehrwürdigen Der Feinschmecker wurde schon im August für 5 Monate die Kurzarbeit eingeführt. Positiv belebt wurde das Geschäft durch den neuen Mitbewerber Effilee, ein Foodmagazin mitten in die Krise hinein geboren, damit hatte nun wirklich niemand gerechnet. Der Gruner & Jahr Verlag legt jetzt, nach dem Aus für Viva! und dem zärtlichen Relaunch von Living at home, das Genießerflaggschiff des Verlages, die Zeitschrift essen & trinken in neuer Gestaltung vor.
Der Umschlag ist elegant matt gehalten und fasst sich gut an, ein herbstliches Tellergericht ist mit kräftigem Unschärfeverlauf fotografiert, nur allein auf den Relaunch will man nicht vertrauen und darum grüßt Starkoch Johann Lafer aus einer Art Bullauge im oberene rechten Eck und lädt zur Begehung seiner Heimat. Erste Neuerung: dem Editorial von Chefredakteurin Katja Burghardt folgt die Seite mitarbeiter, in Lifestylzeitschriften und kreativen Magazinen ist diese Art der Leser-Blattbindung durch die Vorstellung der Mitarbeiter längst gebräuchlich, ich selbst schätze den kleinen Blick durchs Schlüsselloch und entdecke neben vielen bekannten Gesichter auch gleich den Fotografen Jörg Lehmann dessen Foodblog Gourmetpilot ich schon lange schätze.
Schon beim Einstieg ins Heft fällt die neue Großzügigkeit auf, luftig gestaltet sich die Präsentation der Gerichte und Rezepte, dazu kommt ein für meinen Geschmack gewöhnungsbedürftig-verspielter Umgang mit Schriften. Aber der Bildbeschreibungs-Zwang ist weg! Hier animieren die Rezeptfotos jetzt ganz ohne die sonst üblicherweise eingeschobenen Werbeslogans, die oft in erklärender Absicht direkt auf das Foto gehauen wurden. Jetzt stehen ganz unten schlicht Rezepttitel und Rezeptseitenzahl. Fertig. Prima.
Leider wird schon bei der nächsten Rezeptstrecke der Rezepttitel als Gestaltungselement missbraucht und schlängelt sich um die Teller. Hier sollte man lieber die Arbeit von Koch, Fotograf und Stylistin für sich sprechen lassen, die Bilder haben visuelle Gimmicks garnicht nötig.
Überhaupt das Styling. Vieles was redaktionell bislang zumindest umstritten war, zum Beispiel die Verwendung so genannten „Flohmarktstylings“, also Vintage-Geschirr auf wettergegerbten Flächen oder vor lacksplitternden Wände, wurde jetzt zum dominierenden Stilmittel erhoben.
Die Bildsprache ist insgesamt mutiger. Es wird, dem Trend folgend, emsig von oben belichtet und während andere Zeitschriften schon wieder in die absolute Schärfe wandern, dürfen die Einführung der Unschärfe, sowie einzelne, mundwässernde Nahaufnahmen für essen & trinken durchaus als Neuland angesehen werden.
Böswillige Kritiker werden an dieser Stelle spöttisch bemerken, dass diese Art der Fotografie bereits zur Jahrtausendwende von Donna Hay in Deutschland eingeführt wurde und ab 2001 flächendeckende Verbreitung durch Jamie Oliver und Konsorten erfuhr. Ich empfinde diesen Stil keineswegs als überaltert, es ist ansprechend, warme Foodfotografie die Appetit macht und es ist einem Verlag und einer Redaktion unumwunden zu zugestehen, mit der Einführung neuer Bildsprachen zu warten bis sich die Überzeugung gefestigt hat, dass der Leser diese Bildsprache jetzt wirklich versteht und goutiert, auch wenn das mal knapp zehn Jahre dauert.
Inhaltlich bleibt alles beim Wohlbekannten, alle lieb gewonnenen Rubriken haben sich aufgeräumt sortiert, die Rezepte sind goodlooking simple bis raffiniert, die lesenswerten Reportagen sind von Jörg Lehmann und Julia Hoersch reich und schön bebildert.
Ein gelungener Relaunch finde ich und bin gespannt auf Ihre Meinung!