Revisited: zu Gast bei Anton Schmaus im Storstad, Regensburg

Im Winter 2015 besuchte ich erstmals das Storstad (schwedisch für Großstadt) in Regensburg und verfasste damals eine ziemliche Lobeshymne, die damit endete, dass ich der Küche von Sternekoch Anton Schmaus glücklichmachende Eigenschaften attestierte. Der Einladung als Podiumsteilnehmer auf einem kulinarischen Symposium in München folgend, reiste ich vergangene Woche einen Tag früher und über Regensburg an, das nur eine Zugfahrt von 90 Minuten von der bayerischen Landeshauptstadt entfernt ist – um das mit den Glücksgefühlen mal zu überprüfen.

Im Restaurant selbst, sind sich Anton Schmaus und seine Frau Anna treu geblieben, ansprechender Minimalismus skandinavischer Prägung mit indirektem Licht, warmem Holz und Leinen-Läufern, der Star ist hier der Blick auf den Dom, über die Dächer der Stadt.

Mit einem Glas Raumland Trauben-Secco beginne ich den Abend auf Wunsch alkoholfrei, eine elegante und feinperlige Prickelei, begleitet von zartsplitterndem Leinsamen-Gebäck.

Der Gruß aus der Küche wäre anderswo ein eigener Gang,: durchgehend zartrosa gegartes Kaninchenfilet in einem würzigen, leicht bitterscharf-stimulierenden Sud aus Bachkresse, dazu naturbelassene Tupfen von Crème Fraîche, die eine schöne Schlonzigkeit ins Gericht bringen. Knackige Radieschenscheiben toppen den Frühlings-Gruß aus der Küche. Das Kaninchen wird künftig mein Referenz-Kaninchen sein, wenn es um Qualität und Garstufen dafür geht.

Zum Weißburgunder Odinstal 2017 kommt schon ein absolutes Highlight des Abends, eine Kombination von rohem Thunfisch und, festhalten, Blutwurst! Die Blutwurst ist als warme Füllung mit Thunfisch- und Blutwurstwürfeln, von Thunfisch ummantelt, getoppt mit luftiger Hollandaise und feinen Röstzwiebeln, gerösteten Blutwurststückchen. Das Ganze rahmt ein runder und vollmundiger Apfelsud, etwas Süße. leichte Säure – genial! Rückt man dem Kunststück mit Messer und Gabel zu Leibe, wird’s schnell martialisch auf dem Teller, egal, jede Gabel überrascht erneut, mit dieser für unmöglich erachteten Kombination – und was hier alles passiert, an Geschmack, Konsistenz, Temperatur – das ist einer jener raren Teller, die im kulinarischen Langzeit-Gedächtnis bleiben werden.

Der Auxerrois von Michael Andres funkelt grün und klar im Glas, duftig, blumig, kräutrig, frisch und saftig. Perfekt zum nächsten Teller, der so ein bißchen zeigt, wofür Anton Schmaus immer schon stand: der Verknüpfung skandinavischer und asiatischer Elemente. Dabei darf das Skandinavische in Schmaus Küche nicht vorschnell mit der populären Nordic Cuisine verwechselt werden, die eher der oft schon asketischen Reduktion verpflichtet ist. Schmaus kocht klar und aufgeräumt, er schafft dabei aber eine Süffigkeit, die seiner Küche eigen ist – und meiner Meinung nach den immer wieder auch elegant aufblitzenden, klassisch-französischen Elementen geschuldet ist. Dieser Teller hat all das: nur hauchzart geflämmte, beinahe noch rohe Jakobsmuscheln, so dünn geschnitten, wie alle übrigen Zutaten. Unter den Jakobsmuscheln schier durchschimmernde Scheiben von Raf-Tomate, in klarer und tiefer Tomatenessenz, fein säuerlich gewürzt, mit japanischen Edamame und fleischigem Tomates Concassées. Bäm.

Und noch so ein skandinavisch-aisiatisches Wunderwerk mit einem Quentchen französischer Freundschaft: eine Seezunge, komplett glasig, saftig in Perfektion gegart (und zuvor für eine unvergleichliche Festigkeit und durchgängige „Salzigkeit“ in Salzwasser gezogen), getoppt mit Eismeergarnelen, von so derartig intensivem Eigengeschmack, dass sie beinahe schon die Aromatik eines Krustentierfonds erreichen – das würzt die Seezunge! Für Schmelz sorgt dünn geschnittener Lardo der über allem durchscheinend zergeht. Dankenswerter Weise schwimmt die Schlemmerschnitte auch noch in einer Sake Beurre Blanc, erstmals am Abend ordere ich den Saucenlöffel, der leider auch hier nicht mehr Selbstverständlich ist, auf Wunsch aber rasch nachgedeckt wird. Korianderkresse und knusprig dünne Scheiben von Gewürzbrot ergänzen das Gericht ideal (beim wirklich duftigen Brot war ich zunächst unsicher). Dazu grüßt, in gewohnt beiläufiger Grummeligkeit, der Bär von Zeter, auf dem Etikett eines 2017er Sauvignon Blanc Fumé.

Die Blindverkostung des nächsten Weines lässt mich schwimmen, was ist das? Apfel-trüb, in der Nase eben jene Quitte, etwas Birne, ein Naturwein, spontan vergoren…und ausgesprochen süffig und frisch. Die Lösung: ein Riesling! Gut, darauf wär ich jetzt nicht gekommen, jedenfalls überzeugt mich der Riesling M vom jungen Ökologischen Weingut Schmitt in Flörsheim-Dalsheim, Reinhessen. Das M steht für die Lage, am Monsheimer Silberberg. Und er passt, mit seinen zitrus-frischen Grapefruit Noten perfekt zum zarten Fleisch vom Wagyu-Beef mit Trüffel-Jus und Pfifferlingen. That’s it und es ist großartig, dicht und tief und komplex, dazu die Konsistenz vom marzipan-zartem Fleisch, den Pfifferlingen mit ihrer Knackigkeit. Dazu läuft übrigens gerade Nirvana – Come as you are. Genau mein Humor und die Playlist im Restaurant ist wirklich wahnsinnig, eine geschmackssichere Auswahl guter Musik aus allen Dekaden, mit Iggy Pop, The Cure, den Beatles, die Red Hot Chili Peppers, gerade so laut, dass zuhören kann wer mag  – mutig in einem Sterne-Restaurant, und es funktioniert.

Der Niederbayer Anton Schmaus kommt aus einer Gastronomen-Familie, ist Gastgeber in 13. Generation, ging da aber früh eigene Wege und denkt Dinge gerne neu und anders. Damit ist er lange schon erfolgreich, er lernte bei Franz Feckl und arbeitet  u.a. in St. Moritz (Talvo), Stockholm (F12) und New York (Per Se) bevor er in die Heimat zurückkehrte. Seit 2011 hält er einen Stern, den er sich auch nach dem Umzug aus dem Historischen Eck und zur Neueröffnung des Storstad 2014 wieder erarbeitete. 2016 eröffnete er in Regensburg ein weiteres Restaurant, im Sticky Fingers gelingt die entspanne Fusion aus Bar und Restaurant, eine junge und lässige Adresse. Und seit 2017 ist er auch Chefkoch der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Als Anton Schmaus und ich am Nachmittag vor dem Restaurantbesuch auf einen Kaffee in sein neues Café Antoinette im Stadtschloss St. Emmeran einkehren, frage ich ihn wie er das denn alles so gewuppt kriegt? Anton Schmaus hebt er kurz die Schultern und erzählt er von neuen Plänen.

Auf dem folgenden Teller duftig-luftiger Schaum von grünem Curry zum dunkel geschmorten Fleisch von der Ochsenbacke, knackigen Lotuswurzeln, beinahe rohen Streifen von der Zuckerschote und Fingerlimette – ein Lieblingsgang vom Chef, ein Lieblingsgang auch vom Service, wie ich erfahre, wer wäre ich, mich nicht anzuschließen! Was serviert man zu so einem Wein? Nee, klar: Le Grand Blanc von Peter Fischer, Château Revelette, Millésime 2015 – ein reinsortiger Chardonnay, zu einem Drittel für sieben Monate ins Eichenfass gepackt, Rest im Tank ausgebaut, später verschnitten. Eine Bombe, die das aromenstarke Gericht elegant begleitet. Nimmermüde erzähle ich ja, dass ich zwar Wein-Enthusiast, aber kein Weinkenner bin. Diese Weinreise ist jedenfalls abwechslungsreich, überraschend und trefflich ausgewählt! Und auch der Bick in die Weinkarte zeigt eine große Bandbreite, alleine die Champagner-Karte ist eine Schau!

Das gilt auch für die Caroline vom jungen und biodynamischen Weingut Pranzegg in Südtirol, hoch über dem Bozener Talkessel gelegen. Caroline ist ein Gemischter Satz nach Wiener Vorbild aus 35% Sauvignon Blanc, 35 % Chardonnay, 15 % Manzoni Bianco und 15 % Viognier (hab ich geogoogelt!) zu Teilen auf der Maische und im Holzfass spontanvergoren – frisch, steinkühl, kräutrig, Anklänge von Ananas und Zitrone, saftiger Schmelz mit einem Hauch Tanin. Dazu ein Signature Dish von Anton Schmaus: ein Streifen mürber „Tarte“ mit 30 Monat gereiftem Parmesan, Imperial-Kaviar, Fingerlimes und Créme Frâiche – der wirklich gelungene Versuch ein Umami-Monster zu erschaffen – und eine gelungene Ouvertüre zum Hauptgang einem Duett vom Kalb.

 Im Glas ein handgeschnittener Kalbstatar, nature belassen auf einem Ragout von saftigen, gerösteten Schalotten, Schnittlauch-Schaum und Lauch-Asche – es folgen direkt saftige Streifen vom Kalbsrücken mit Zwiebeln in Variation, fruchtiger Birne, schwarzem Knoblauch und einer Saucenlöffel-würdigen Jus. Dazu ein Barolo, der Cannubi 2015 von der, von mir schon immer verehrten Chiara Boschis – noch im Restaurant schaue ich heimlich unter dem Tisch ins Handy, ob es davon noch ein paar Flaschen gibt.

Ausklang mit Rhabarber-Variationen auf Quinoa, mit einer feinen belebenden Schärfe von Sancho Pfeffer und Macadami-Nuss, ein Dessert das gekonnt wiederlegt, dass ich eigentlich keine Desserts mag.

Ein grandioser Abend, auch weil das Service-Team im Storstad die Kunst beherrscht, ungekünstelt eine freundliche Herzlichkeit zu vermitteln, dabei hochprofessionell und aufmerksam, ohne sich dabei mit dem Gast gemein zu machen. Und am Ende geht es mir wie schon damals, im November vor drei Jahren: ich gehe, um wiederzukommen und ich freu mich jetzt schon drauf. Diesmal warte ich nicht so lange.

STORSTAD / WATMARKT 5 / 93047 Regensburg

geöffnet DI–SA / FEIERTAGS NUR FR, SA / LUNCH 12–14 Uhr / 

DINNER Di–Do / 18.30–21.30 Uhr /  FR, Sa / 18–21.30 Uhr / BAR 18–00.30 Uhr /

Übernachtung: Domresidenz, Regensburg

Die „Übernachtungsmöglichkeit“ war derart exklusiv und ansprechend, das ist ein Notiz wert: die Domresidenz ist einen wortwörtlichen Katzensprung vom Storstad entfernt, drei moderne Apartment Suiten in einem 800 Jahre alten Haus. Gastgeber Thomas Insam begrüßt mich persönlich, führt durch die Geschichte des Hauses, dass einst seine Eltern erwarben und zeigt mir mein Apartment.

65 qm2 hell und licht, eine gelungene Mischung aus alter Substanz und moderner Eleganz, mit Empire-Möbeln und Eames-Stühlen, großartiger Lichtführung, einer großzügigen Küche mit Induktion, Mikrowelle Kühlschrank und Gefriefach, sogar einen Stabmixer gibt’s.

Zwei Schlafzimmern (für bis zu 4 Personen) finden sich in der Suite und Technik vom Feinsten: die Sonos-Anlage lässt sich mit dem eigenen Handy /Laptop koppeln oder mit dem hauseigenen Apartment-Laptop bespielen, der 50 Zoll Flatscreen hat Netflix-Zugang – und die Verbindung mit dem WLAN klappt, ohne Tipperei und Codewort, durch einfaches Fixieren des QR-Codes an der Eingangstür, mit der Smartphone-Fotofunktion. Einen Tag später checke ich im Bayerischen Hof in München ein – und bin ein bißchen enttäuscht.

Offenlegung:

ich besuchte das Restaurant auf Einladung von Anton Schmaus – das entbindet mich nicht von der Sorgfaltspflicht, die für eine Restaurantbesprechung nötig ist.

Weitere Beiträge
Revisited: bleibt alles neu im Heimatjuwel