Ich habe eine Leidenschaft für gekochtes Rindfleisch, eine Liebe die regelmäßig in den Wintermonaten neu entflammt. Geradezu ordinär kommt mir der grelle Sommer mit seinen gegrillten Steaks vor, wenn das Fleisch im würzigen Wurzelsud langsam gar zieht, die Küchenfenster beschlagen und eine wohlige Wärme sich ausbreitet. Gesottenes Rindfleisch ist Trost- und Seelenessen, macht glücklich, ist bodenständig kräftigend und elegant gleichermaßen.
Dabei muss es für mich nicht zwingend Tafelspitz sein. Ich schätze die Querrippe, ein von dicken Fettschichten durchzogenes Stück Suppenfleisch mit breiten Rippenknochen. Anfang der Woche ließ ich ein amtliches zwei Kilo Stück mit einem gestückelten Suppengrün, weißen Pfefferkörnern, Senfsaat und Lorbeerblättern drei Stunden lang leise köcheln.
Dabei entstand eine kräftige Fleischbrühe die, durch ein Tuch gegossen, klar im Topf funkelte und würzig duftete. Die gekochte Querrippe selbst muss man mögen. Die Knochen lassen sich einfach herausziehen, das wabbelige Fett und die zähen, weißen Häute müssen mit dem Messer entfernt werden, der Lohn sind 3-5 cm dicke, butterzarte Fleischstreifen, ausreichend für 2-4 Personen. Das Fleisch servierte ich an diesem Abend mit einem Wintergemüse aus Petersilienwurzeln, Möhren, Kartoffeln und Süßkartoffeln, die ich nur sehr grob geteilt und in der kräftigen Fleischbrühe gegart hatte. Meerrettich dazu!
Am zweiten Abend bereitete ich aus den übrigen Gemüsen einen cremigen Stampf, einem Kartoffelpüree ähnlich, verfeinert mit Butter und Sahne, ich freute mich über die neue Kreation. „Rübenmalheur“, hieße das hier im Norden, klärte mich die Liebste auf, und es schmecke „wie bei Oma“. Ein großes Kompliment! Die Kombination der Wurzeln und Knollen, die am Vorabend schon in der Bouillon überzeugten, vermählten sich beim Rübenmalheur in Raffinesse, dennoch sind Möhren und Petersilienwurzel noch deutlich einzeln heraus zu schmecken. Als Beilage sei allerhöchsten ein Spiegelei zugelassen, ein Stück Fisch vielleicht, es fehlte uns aber an nichts und wir gabelten den köstlichen Brei schweigend konzentriert weg.
Doch erst am dritten Tag sah ich das Licht. Drei einzelne Fleischstreifen ruhten noch in der Brühe, die ich abgegossen hatte um das Püree zu bereiten. In dieser Brühe erhitzte ich das Fleisch, lies es nochnmals eine halbe Stunde sieden (weniger absichtlich, eher meiner Vergesslichkeit geschuldet). Einer inneren Eingabe und der wagen Erinnerung an italienische Rezepturen (irgendwas al brodo) folgend, richtete ich Fleisch und Brühe im tiefen Teller an, gab frisch gemahlenen groben Pfeffer, etwas gehackte Petersilie und Meersalz übers Fleisch. Und dann träufelte ich ein paar Tropfen Olivenöl über die Kreation…
…ein perfektes Gericht. In seiner Schlichtheit überbordend reich an Geschmack und Aromen, das Fleisch noch zarter als zwei Tage zuvor, mit dem knusprigen Salz und der warmen Schärfe des schwarzen Pfeffers. Die Brühe tief im Geschmack und von feiner Süße, die an die Gemüse erinnerte, und absolut perfekt mit dem feinen Olivenöl harmonierte, dass der Brühe zusätzlich Charakter und eine wunderbare Cremigkeit gab. Nur sehr, sehr selten gelingt, zumindest mir, ein Teller von solcher Harmonie und Perfektion.
Mir gefällt die Idee, dass es für die Zubereitung dieses Gerichts zwingend notwendig ist, auch die anderen zwei Gerichte an den Vortagen zu kochen. Gut: man könnte die Püree-Nummer weglassen (was ein schwerer Fehler wäre), die Bouillongemüse (mit Süßkartoffel und Petersilienwurzel) sind allerdings meines Erachtens tatsächlich unumgänglich und wer weiß, vielleicht trägt auch die eintägige Ruhepause der Fleischstreifen in der Brühe, im Kühlschrank, zum perfekten Gelingen bei.
Ich glaube auch, dass die Wahl des Olivenöls eine extrem wichtige Rolle für dieses Gericht spielt. Ein kratziges Discounter-Öl drüber und Sie können die Sache vergessen. Darum verate ich Ihnen auch gerne, welches Öl ich verwendet habe:
Das Olivenöl Villa Agricola der Familie Olivieri kommt aus der eigenen Ölmühle in Fara die Sabina bei Rom. Handgepflückte (!) Oliven der Sorten Frantoio, Leccino und Carboncella werden zu zwei extra vergine Ölen mit einer Ölsäure von nur 0,2 Prozent, „fruchtig mild“ aus vollreifen Oliven und „fruchtig kräftig“ aus frisch gereiften Oliven. Ich habe das fruchtig milde Öl verwendet, ein weiches, rundes Aromenwunder mit Charakter und feinen Spitzen, in der Nase der Duft von frischem Gras und grüner Banane, auf dem Gaumen entfaltet sich eine einnehmende Süße, die im Nachhall zur angenehmen Schärfe wird, ohne jeden störenden Bitterton.
Elisabetta Olivieri verkauft ihr Öl ausschließlich an Privatkunden und Restaurants (u.a. Christian Rachs Tafelhaus, Goldfisch, Vienna), Sie möchte „dass auch ein gutes Olio extra vergine di oliva nicht ein Super-Luxus Produkt bleibt“, 12.50 € kostet die Literflasche, die direkt von Hamburg aus vertrieben wird (Versandkosten erfragen).
Italienische Webpage der Ölmühle:
www.villagricola.it