Talking all that bread – über den neuen Umgang mit Brot, vom Couvert bis zum Alleinstellungsmerkmal.

Brot im Restaurant: vom Sattmacher zum kreativen Wirtschaftsfaktor

Als diesjähriger Deutschlandbotschafter für HostMilano der führenden Fachmesse in der Horeca- und Gastgewerbewelt, (17.-21. Oktober 2025 in Mailand!) teile ich Einblicke und Entwicklungen auch in einer Beitragsreihe auf NutriCulinary. Oben in Bild: Neujahrsbrot aus dem Holzofen, Spielweg Romatikhotel.

(See english version below!)

Früher war nicht alles besser! Das mit dem Brot lief so: Der Gast kommt, der Service schneidet krachend einen Berg Baguettescheiben, dazu gesalzene Butter. Am Ende des Abends wanderte meist ein blauer Sack voller Retouren in den Müll. Verschwendung von Ressourcen, Handwerk, Arbeitszeit. Heute ist die Vielfalt an Broten enorm, oft kommen Dips dazu, die Butter wird aufgeschlagen serviert. Geblieben ist die Frage nach Sinn und Unsinn der Brotgabe – denn noch immer landet viel davon in der Tonne.

Brotlieferant der Sterneköche: Freibäcker Arnd Erbel (r.), Autor Paul, in der Backstube in Dachsbach, Franken)

Heute ist die Vielfalt an Broten enorm, oft kommen Dips dazu, die Butter wird aufgeschlagen serviert. Geblieben ist die Frage nach Sinn und Unsinn der Brotgabe – denn noch immer landet viel davon in der Tonne. Dabei ist Brot zum Auftakt eine warme Geste der Gastfreundschaft, symbolisch aufgeladen: Seit biblischen Zeiten bricht man das Brot miteinander und reicht es dem hungrigen Gast. Praktisch ist es auch – das Willkommensbrot fängt die Wirkung des Aperitifs auf nüchternen Magen ab. Doch wenn der Gast im Angesicht eines mehrgängigen Menüs verzichtet oder sich gar den Appetit verdirbt, läuft die Geste ins Leere.

Mini-Brot, inspriert vom Restaurant Meille in Kopenhagen, aus kochen. Foto Andrea Thode

Im lässigen New Nordic Cuisine-Restaurant Meille in Kopenhagen serviert das Team zum Auftakt gleich drei Kastenbrote – Miniaturen, kaum mehr als drei Scheiben Baguette, aber von konzentrierter Knusprigkeit. Gebacken in Silikonmatten für kleine Financiers, liebevoll gemacht, mit Aha-Effekt für die Gäste und passgenauer Kalkulation für den Gastgeber.

Die entscheidende Frage: Welche Rolle soll Brot im eigenen Konzept spielen? Wie lange und wann soll es auf dem Tisch stehen? Die frühen Baguette-Berge waren eine Reminiszenz an die französische Küche, Brot als Werkzeug des Saucenwischers, oft sogar mit Nachservice. Zur Charcuterie und zum Käse ergeben abgestimmte Brotsorten Sinn, weit mehr jedenfalls als dekorative Trauben oder Birnenschnitze. Zum bloßen Hungerstillen ist hausgebackenes Brot aber zu wertvoll, und eine neue Gäste-Generation meidet Kohlenhydrate, fragt nach glutenfreien oder Low-Carb-Varianten. Da stellt sich die Frage: vielleicht besser ganz verzichten?

Im Restaurant Nil in Hamburg schmeck der Käse wahlweise auch ohne Brot!

Eine clevere Lösung findet sich im Restaurant Nil in Hamburg. Dort gibt es „Brot und Dip“ als Option für 1,50 €. Der Gast entscheidet, der Gastronom bekommt seine Arbeit bezahlt – und nur, was einen Wert hat, erfährt auch Wertschätzung. Entstanden ist die Idee während der Pandemie, als es nicht erlaubt war, Brot im Gastraum aufzuschneiden, erzählt Nil-Restaurateur Steffen Hellmann. So konnten die monatlichen Brotkosten von 1.500 Euro gesenkt werden; in der Gesamtkalkulation ist das Couvert heute eine Nullnummer.

Radikaler geht das Zwei-Michelin-Sterne-Restaurant 100/200 in Hamburg vor – in seinem À-la-carte-Restaurant Glorie (1 Michelin Stern) sind hausgebackenes Brot, gereifte Butter und zwei Würzöle für 35 € bereits in der Reservierung inkludiert.

Die große mediale Aufmerksamkeit bei der Einführung steigerte damals vor allem nochmals die Bekanntheit in der Breite, das eigentliche Ziel aber ist ein anderes: „Wir arbeiten auch in unserem À-la-carte-Restaurant Glorie radikal handwerklich, regional und nur mit besten Produkten“, erklärte Thomas Imbusch damals unermüdlich. „Der Brot-&-Butter-Auftakt erlaubt uns, unabhängig von der individuellen Bestellung wirtschaftlich zu arbeiten. Im Menü sind Brot und Butter natürlich inkludiert.“

Brot ist auch Kulturgut und Handwerkskunst – manche Restaurants inszenieren es sogar als eigenen Gang. Wer einmal in Felix Schneiders Zwei-Michelin-Sterne Restaurant ETZ in Nürnberg den Brotgang erlebte, sieht es mit anderen Augen: Zwischen Prolog und Menüstart wurde in den Anfangsjahren ein 65 Stunden gereifter Sauerteiglaib mitten im Restaurant aufgeschnitten, der Raum füllt sich mit Duft. Dazu fermentierte Butter und der gute Ratschlag, sich nicht satt zu essen.

Brotzeit im innovativen Zwei-Sterne-Restaurant ETZ in Nürnberg

Heute serviert das ETZ-Team als Zwischengang im Menü ihre „Brotzeit“ ein Sauerteigbrot aus alten heimischen Weizensorten mit gepickelten Gemüsen und hausgemachter Charcuterie wie: „Nackenspeck sowie Lardo mit Leinsaat-Trester vom Wollschwein aus dem Steigerwald, Keule vom Wagyu-Fleckvieh mit Edelschimmel gereift und Spätburgunder gewaschen von der fränkischen Alb gerollter gedämpfter Schafsbauch“

Auch Jens Rittmeyer, „Saucegott“ und Sternekoch, setzte schon vor Jahren einen unvergesslichen Gang mit Brot auf die Karte: „Sauce & Brot“ hob seine Saucenkunst hervor.

Rittmeyers Drei Schalen Glück mit Brot

Zum Dinkelsauerteigbrot von Slow-Bäcker Wolfgang Heyderich kamen drei wechselnde Saucen im Jahreslauf auf den Tisch, hier im Bild Röstzwiebel Sud, Reh-Bolognese und Tymian-Jus.

Brot kann mehr sein als Sattmacher und Kostenstelle. Beim neuen Umgang mit Brot werden Fachkompetenzen gebündelt, Brot wird zum Erlebnis, ist Wirtschaftsfaktor und Alleinstellungsmerkmal.

Weiter lesen:

Das Rezept für die Mini-Brote findet Ihr in meinem Kochbuch kochen. – mein Standardwerk zur Küche.

Kochen wird in diesem Band für jedes Wissens-Niveau einfach erklärt, die verständlich geschriebenen Rezepten gelingen.

Kochen als lustvolles, zugängliches, verständliches Handwerk  –  kochen. zeigt, wie einfach kochen sein kann. Das neue Rezept-System mit Einzelrezepten, frei kombinierbaren Modulen und Alternativ-Vorschlägen zeigt auch, wie man kreativ und individuell für sich selbst kochen kann. „Kocht doch, was Ihr wollt!“, ist mein Claim und bedeutet: Entdeckt Euren eigenen Geschmack, entwickelt Eure eigene, individuelle Küche.

English Version of the article

Talking all that bread – on the new ways of serving bread, from cover charge to signature dish.


Not everything was better in the past! Back then, bread service went like this: the guest arrived, the waiter carved a mountain of baguette slices with a loud crack, salted butter on the side. By the end of the evening, a blue sack full of baguette leftovers had been collected – a waste of resources, craftsmanship and working hours. Today, the variety of breads has grown enormously, dips are often served alongside, the butter is whipped. What remains is the question of whether serving bread makes sense at all, as much of it still ends up in the bin. Yet bread at the beginning of a meal is a warm gesture of hospitality, symbolically charged: since biblical times bread has been broken and shared with the hungry. It also has a practical role – soaking up the effect of the aperitif on an empty stomach. But if the guest, facing the anticipation of a multi-course menu, refuses it or spoils their appetite, the gesture goes astray.

At the casual New Nordic Cuisine restaurant Meille in Copenhagen, the team serves three tiny loaves at the start of the menu – no more than three slices of baguette, but with concentrated crunch. Baked in silicone moulds for small financiers, lovingly crafted, a little “aha” moment for the guests and precisely calculated for the host. The key question remains: what role does bread play in a restaurant’s concept? How long, and at what point, should it be on the table? The early baguette battles were a nod to French cuisine, bread as the lustful tool of sauce mopping, often with top-ups. With charcuterie and cheese, well-chosen breads make sense – far more than decorative grapes or pear wedges. But as a mere filler, home-baked bread is too valuable, and a new generation of diners often avoid carbohydrates, asking for gluten-free or low-carb versions. Better to skip bread altogether?

A clever solution came from Hamburg’s Nil: here “bread and dip” is offered as an option for €1.50. The guest decides, the restaurateur gets paid for the work – and only what has a price is truly valued. The idea for a bread cover charge was born during the pandemic, when it was not permitted to slice bread in the dining room, explains restaurateur Steffen Hellmann. Monthly bread costs of €1,500 were easily reduced; in the overall calculation the cover charge now balances out at zero.

More radical is the two-star restaurant 100/200: in its à la carte offshoot Glorie (1 star), home-baked bread, matured butter and two seasoning oils are included in the €35 reservation fee. The predictable “shitstorm” merely boosted the restaurant’s fame; the actual aim is another: “We work in our à la carte restaurant just as radically artisan, regional and with the very best products,” chef Thomas Imbusch tirelessly explained at the time. “Our bread & butter opener allows us to operate economically, independent of what the guest orders à la carte. In the menu, bread and butter are included.”

Bread is also cultural heritage and craftsmanship – in some restaurants it is staged as a course of its own. Anyone who has experienced the bread course at Felix Schneider’s ETZ in Nuremberg will see bread differently: between prologue and menu start, a loaf of sourdough matured for 65 hours is cut open in the middle of the restaurant, filling the room with its aroma. Fermented butter is served alongside, plus the good advice not to fill up on it.

Today the ETZ team serves their “Brotzeit” as an intermediate course in the menu: a sourdough made from old local wheat varieties with pickled vegetables and house-made charcuterie such as neck bacon, lardo with linseed pomace from Steigerwald mangalitza pig, Wagyu-Fleckvieh leg matured with noble mould and washed in Pinot Noir, and steamed sheep’s belly rolled from the Franconian Alb.

Chef Jens Rittmeyer, known as the “god of sauces”, already created an unforgettable bread course years ago: “Sauce & Bread” showcased his saucing artistry. Mature spelt sourdough bread by slow baker Wolfgang Heyderich was accompanied by three alternating sauces, such as a light rosemary sauce, a mushroom beurre blanc and a mustard seed jus. Concentrated expertise and bread as an experience – here it serves as a unique selling point and a sharpening of concept. Bread can be more than filler and cost factor.