Es gab hier lange keine Restaurantbesprechung zu lesen, was daran liegt, dass ich in letzter Zeit häufig sehr schlecht gegessen habe, gerne auch gehoben, teuer und schlecht, es scheint da jetzt leider immer öfter einen Kausalzusammenhang zu geben. Und weil ich prinzipiell der Meinung bin, dass eine Empfehlung mehr Glück in die Welt trägt als ein Verriss, habe ich geschwiegen zu den vielen Lieblosigkeiten und Augenwischereien, auf Tellern mit Schäumchenvariationen an Restaurantrankinglisten die platzen wie Seifenblasen.
Neulich verbrachte ich ein paar Tage in München und mein alter Freund Sir Peter gab dankenswerterweise den kulinarischen Bespaßungsminister, schon am ersten Abend wurden mir, per handgeschriebener Vorschlagsliste und begleitender Onlinebegehung der zugehörigen Internetseiten, die Möglichkeiten aufgezeigt. Um noch Luft nach oben zu lassen, schlug Sir Peter vor, doch mit einem eher einfachen Restaurant zu beginnen und ich sagte mit Freude zu. Denn Einfach ist, glaube ich, die neue Spitzenklasse.
Der Name „REDHOT“ und die Angebotsbeschreibung „Long Drinks & Short Ribs“ ließen mich, ehrlich gesagt, kurz zweifeln. Würde mich Sir Peter tatsächlich in ein American-Diner ausführen? Das REDHOT ist hinterhöfisch gelegen, im Erdgeschoss eines in die Jahre gekommenen Neubaus, im Inneren präsentiert sich das Restaurant als eine interessante Mischung aus unkompliziertem Waschbeton-Wintergarten, sachlichem Design mit Mustertapete und 30er Jahre Bar. Der Service dutzt uns sofort und ich habe Schwierigkeiten mit diese Art vermeintlich lässig wirkender Vertraulichkeit – es sah für einen kurzen Moment nicht nach dem Beginn einer neuen, innigen Freundschaft aus.
Dann bemerkte ich ein paar Kleinigkeiten. Die wunderschönen alten Diner-Tische. Die frisch gestärkten Stoffservietten neben dem Papierserviettenspender (Humor!). Silberbesteck. Der Barkeeper trägt die gebügelte, klassische Bar-Uniform, weißes Hemd, weiße Weste, weiße Fliege, auf dem Plattenspieler (!) dreht sich schwarzer New Orleans Funk aus dem 70ern. Auf allen Tischen elegante Weingläser, Eiswürfel funkeln in bauchigen Cocktailgläsern. Kaum jemand hier trinkt Bier zum wunderbar übersichtlichen Speisenangebot, dass einem die Wahl dennoch schwer macht, eigentlich hätte ich gerne einmal alles.
Den Schwerpunkt der Karte bilden die butterzarten Rippchen, die es hier als „Maple Old School“ mit Cole Slaw gibt, als „Red Hot Rib Sandwich“, als „Short Rib on Rye Sandwich“ und „Slowly braised Short Ribs mit Mash und Veggies“. Fleisch ist hier gerne mal das Gemüse, es gibt Bayerisches Jungbullenfilet und Dry Age Roatsbeef mit Schmorzwiebeln und es gibt so schöne Sachen wie : einen Speckteller, Rollmops und “Sprotten mit Roter Bete und Zwiebeln”. Es gibt einen „Daily Veggie Salad“ und „Veggie Sandwich mit Avocad und Cream Cheese” oder “Käse mit Chutney”, laute Sehnsuchtsessen.
Am Nebentisch feiern Theater- und Film-Menschen, ein bekannter deutscher Regisseur beweist Fachkenntnis bei der Auswahl der ungezählten Flaschen im Gläserwald. Nur wir sitzen hier noch immer beim Apéro-Bier und ich kann die Weinkarte nicht finden. Gibt auch keine, weiß der Chef des Hauses: „da basteln wir gerade dran, wir haben erst seit neun Wochen auf, sagt doch einfach was ihr trinken wollt?“ Es folgt eine sehr schöne Weinberatung, das anfangs störende Gedutze wandelt sich zur freundlichen Begegnung auf Augenhöhe, wir fühlen uns wohl. Neun Wochen erst offen. Und wer hat es schon gewusst? Das Künstlervolk am Nebentisch. Und mein Sir Peter, er lebe hoch!
Die Rippchen zeigen wie großes Handwerk zur Kunstfertigkeit werden kann: zwar fällt das Fleisch ordnungsgemäß vom Knochen, ist aber nicht zergart, hat noch „Fleisch-Biss“ – es sind schlicht perfekte Rippchen. Da waren sie wieder, die „Kleinigkeiten von großer Bedeutung“, von denen Eckart Witzigmann neulich im Effilee-Magazin sprach, jene Kleinigkeiten, die aus einem Essen ein Ereignis machen. Der hausgemachte Coleslaw, ebenso perfekt, frisch und knackig, kühl serviert. Und dann der Mash! Buttrig duftende Stampfkartoffeln mit Möhrenstückchen, einfach gut, einfach sehr gut. Sir Peters Dry Aged Roatsbeef ist perfekt gegrillt und der empfohlene Wein dazu der dritte Mann am Tisch: eine Flasche Il Feuduccio, Montepulciano d´Abruzzo für bekömmliche 24 Euro.
Wer hat sich diesen Wahnsinnsladen ausgedacht? Die Betreiber Ulf Dörge und Conrad Baierle legen größten Wert auf beste Produkte und sind vom Fach: Baierle ist Metzgermeister, Küchenmeister Dörge hat bei Karl Ederer gekocht, in der Sansibar auf Sylt, bei “Walter und Benjamin” und in Schuhmann´s Bar. Das schmeckt man. Gemeinsam entwickelten sie ihre Idee eines Chop House im Stil der 30er Jahre und veranstalten dort, was meiner Meinung nach die Zukunft ist: unprätentiöse Küche, auf Basis bester Produkte, auf den Punkt serviert. Perfektion durch Reduktion und die Konzentration auf höchste Qualität. Ein freundlicher Service und ein Rahmen, der aus einem Restaurantbesuch eine ganzen, schönen Abend macht. Zum Wohle des Gastes.
Wir wollen noch nicht los, die Stimmung ist angenehm entspannt und fröhlich, die Musikauswahl großartig: alter Swing, ein paar Takte Blues, dicker Funk und perlender Jazz, da begeben wir uns gerne noch in die Hände von Barkeeper Tibor Kantor. Auch an der Bar das Prinzip „Qualität durch Konzentration“, es sind wenige Klassiker im Angebot, die werden aber mit Präzision und sehr gutem Eis gemixt. Wir nehmen zwei fabelhafte Old Fashioned und bleiben einfach sitzen.
Infos, Bilder, Karte:
www.redhot-muenchen.de
Amalienpassage
Amalienstr. 89
80799 München
Fon 089/2006 1718