Ich war neulich bei Sven Elverfeld im Aqua in Wolfsburg essen und habe anschließend nichts über das neungängige Menü beim berühmten Drei Sterne-Koch geschrieben. Das lag zum Einen daran, dass ich mein Essen nicht selbst gezahlt habe, ich war Gast. Das hätte ich im Beitrag erwähnen können (sponsored by Schwiegermutter). Letztendlich habe ich aber deshalb nicht berichtet, weil ich mein Auqua-Erlebnis nicht einordnen konnte.
Ich gehe sehr selten auf diesem, dem höchsten Niveau essen und…sagen wir es so: ich blieb bei Sinnen. Ich empfand das Menü überraschungsarm und überladen. Und wo ich als gelernter Koch, mit Erfahrung am Herd von Sterneküchen, zumindest die Küchenleistung zu Würdigen wusste, wenngleich auch ohne in den großen kulinarischen Glücksmomentehimmel abzuheben, waren meine Begleiterinnen regelrecht enttäuscht. Ich wunderte mich. Auf hohem Niveau. Aber ich wunderte mich.
Nach meinem Aqua-Besuch war ich kreuzunglücklich und ratlos, habe noch wochenlang nachgedacht, über das Menü, über die Unterschiede zwischen ein, zwei und drei Sternen, über Erwartungshaltungen und Übersättigung und über den Segen kleine Kreativkombüsen abseits des Gourmet-Bewertungsradars.
In meine Grübeleien platzte die Nachricht vom neuen Ranking der S.Pellegrino World’s 50 Best Restaurant, jedes Jahr benennt eine Jury aus 800 Gastrokritikern, Food-Redakteuren, Kritikern und Köchen die 50 weltbesten Köche. Sven Elverfeld fand ich auf Platz 25. Ich hatte ein eher enttäuschendes Menü bei einem der besten Köche der Welt gegessen? Dagegen Klaus Erfort, bei dem ich das bislang beste Menü meines Lebens genossen hatte, auf Platz 88? Harald Wohlfahrt weit abgeschlagen auf Platz 73? Da stimmt doch was nicht.
Den S.Pellegrino World’s 50 Best Restaurants-Award habe ich in der Vergangenheit geschätzt, weil es sich mir bislang immer so dargestellt hatte, dass dieser Award von Fachleuten im Wortsinn vergeben wird. Platz 25. Jetzt war ich wirklich irritiert.
Der Gastrokritiker und Foodjournalist Jörg Zipprick, der gerade sein Buch In Teufels Küche- ein Restaurantkritiker packt aus unter die Leute zu bringen hat, half mir jetzt mit seinem Hintergrundbericht über die Awards auf die Sprünge. In der kulinarischen Onlinezeitung Biss schreibt Zipprik über das unglaubliche System hinter den S.Pellegrino World’s 50 Best Restaurant Awards, deren Siegerliste per Onlineabstimmung und ohne notarielle Prüfung ermittelt wird. Und auch ohne dass je ein Restaurant nachweislich dafür getestet würde.
Zipprick, einst selbst in der Jury beschäftigt, erzählt in seinem Artikel Erstaunliches. Lobbying ist das Modewort, der Schwabe nennt es schlicht Vetterleswirtschaft. Kulanter ausgedrückt könnte man gerade eben noch so von einem gesponsertem Networking-Maßnahme einiger Weniger sprechen, begleitet von höchster, medialer Aufmerksamkeit Unaufmerksamkeit.
Lesenswert und erhellend:
Das beste Restaurant Frankreichs und andere Irrtümer der Rangliste der besten 50 Restaurants der Welt 2011 von Jörg Zipprick, dazu ein Kommentar von Biss Chefredakteur Ludwig Fienhold.