Große Oper: Aceto Balsamico di Modena

Ein balsamisches Wochenende in Bildern und Rezepten

Im Innenhof der alten Bibliothek von Modena haben unsere Gastgeber vom Consorzio Tutela Aceto Balsmaico di Modena gemeinsam mit den Konsortien Aceto Balsamico di Modena IGP und Aceto Balsamico Tradizionale di Modena DOP einen Wissensparcours zum Thema aufgebaut.

Maurizio Fini, seines Zeichens Gran Maestro Presidente der Consorteria dell’Aceto Balsamico Tradizionale, reicht den angereisten Journalist*innen je ein Löffelchen vom 25 Jahre gereiften Extravecchio Aceto Balsamico Tradizionale di Modena – ein Genuss wie ein gereifter Sherry: pur, vielschichtig, reif; wir schmecken eine fruchtige Süße, runde Holz- und Nussnoten, mit stimulierenden Bitternoten.

Als er sich umdreht, steht vor dem Maestro eine junge Familie, und ganz selbstverständlich übergibt Herr Fini auch dem Sohn der Familie ein Löffelchen vom raren Aceto Balsamico Extravecchio. Der Junge mag sieben Jahre alt sein, er kostet konzentriert. Als dieser Balsamessig produziert wurde, waren seine Eltern wahrscheinlich ungefähr in seinem Alter. Aceto Balsamico erzählt immer auch von der Zeit.

Was er denn schmecke, will Signore wissen. „Erdbeeren“, ruft der Junge, „und Pflaumen!“ – und ich denke: Recht hat er. Nur kurz zieht der Knabe das Gesicht zusammen, dann streckt er Herrn Fini das Löffelchen für einen Nachschlag hin.

Da wurde gerade das Feuer weiter gegeben.

Tradition und Zeit - wie Aceto Balsamico ensteht

Aceto Balsamico di Modena mit geschützter geografischer Angabe (g.g.A.) ist der Stolz der Stadt: Er prägt das Leben, ist fest verwurzelt in der Kultur von Modena – und das seit der Antike. Die erste schriftliche Erwähnung eines „ganz besonderen Essigs“ in der Gegend zwischen Modena und Reggio Emilia findet sich im Jahr 1046: Damals reiste Kaiser Heinrich III. durchs Po-Tal und wünschte ausdrücklich, von diesem „vollkommenen Essig“ zu kosten, wie der Benediktinermönch Donizone überliefert.

Weinberg für Balsamessig: Ein bisschen wie beim „Wiener Gemischten Satz“ stehen unterschiedliche Rebsorten in Eintracht beieinander.

An diesem Wochenende wollen wir verstehen, wie die Vielfalt der Aceto-Balsamico-Typen entsteht – jener Balsamessige, die ausschließlich in den Provinzen Modena und Reggio Emilia hergestellt werden. Das Klima der Region, mit seinen kalten Wintern und heißen, feuchten Sommern, prägt dabei entscheidend Reifung und Alterung. Doch alles beginnt im Weingarten.

Gepresst wird ausschließlich Traubenmost aus den sieben zugelassenen Rebsorten: Lambrusco, Sangiovese, Trebbiano, Albana, Ancellotta, Fortana und Montuni. Der Most wird eingekocht, konzentriert oder teilweise fermentiert und anschließend mit Weinessig vermählt. Erst dann beginnt die eigentliche Reifung im Holzfass.

Die Stationen

  • Am Anfang steht der Most: frisch gepresst und dann so lange heiß eingedampft bis er die gewünschte Dichte erreicht. Dieser konzentrierte Most ist das Herz des späteren Essigs.
  • Es folgt das Mischen: Der Most kommt mit mindestens zehn Prozent Weinessig zusammen, dazu kommt ein kleiner Anteil edler, bis zu zehn Jahre gereifter Essige.
  • Nun beginnt die eigentliche Magie, die Vergärung und Reifung. Der junge Essig zieht für mindestens 60 Tage in Holzfässer ein – Eiche, Kastanie, Maulbeere oder Wacholder prägen seinen Charakter.

Fassprobe in der Aceteria Monari Federzoni

Nach drei Jahren Fasslagerung darf er sich invecchiato nennen, was so viel bedeutet wie gealtert. Seit 2025 ist bei über fünf Jahren Fasslagerung zusätzlich die Angabe riserva auf dem Etikett erlaubt.

Doch erst das letzte Kapitel sichert seine Echtheit: die Zertifizierung. Jede Charge wird von einem unabhängigen Gremium geprüft. Nur was diesen Test besteht, darf als Aceto Balsamico di Modena g.g.A. in die Welt hinaus.

Erkennbar ist das Original an Flasche und Etikett, die die Bezeichnung AcetoBalsamico di Modena und Indicazione Geografica Protetta und/oder IGP oder geschützte geografische Angabe oder g.g.A. aufweisen

Aceto Balsamico in der Küche: welcher darfs denn sein?

Die große Vielfalt von Aceto Balsamico di Modena g.g.A. bereichert auch die heimische Küche – sie liefert Frische und Tiefe, Würze und Umami! Die ersten beiden Grundtypen empfehle ich besonders für die Küche:

Aceto Balsamico di Modena IGP: reift in Holzfässern – ideal für den täglichen Gebrauch, mit einer frischen, fein-süßsauren Note.
Aceto Balsamico di Modena IGP Invecchiato: darf so genannt werden, wenn er mindestens drei Jahre im Holzfass gereift ist. Er zeigt eine runde Reife, fruchtige Süße und Umami – wunderbar zu Pasta und Käse.
Aceto Balsamico di Modena IGP Riserva: mindestens fünf Jahre gereift, von großer Komplexität und harmonischem Geschmack. Hervorragend pur, für die Gourmetküche und raffinierte Kombinationen.
Aceto Balsamico Tradizionale di Modena D.O.P.: beginnt erst nach zwölf Jahren Reife, die Variante Extravecchio nach 25 Jahren. Diese Essige sind konzentriert, komplex und vielschichtig – sie werden sparsam verwendet, als Würze oder pur genossen.

In Modena habe ich verstanden, dass es sehr sinnvoll ist, zwei bis drei verschiedene Fläschchen parallel und für unterschiedliche Belange in Gebrauch zu haben – so, wie ich es bei Olivenöl (2–3 Sorten) und Senf (3–5 Sorten) zu Hause längst praktiziere.

Im Mercato Storico Albinelli, dem Bauch von Modena!

Genug der Theorie – lernen wir jetzt von den Einheimischen!

Der Mercato Storico Albinelli ist ein Schlemmerparadies, das den ganzen kulinarischen Reichtum der Region um Modena und die Emilia-Romagna zeigt: Gemüse und Obst aus bäuerlichen Betrieben, die berühmten Tortellini und überhaupt Pasta in allerschönsten Formen und handgemacht, prämierte Parmesanlaibe, ein Himmel voller Würste und Schinken.

Der Markt liegt mitten in der Stadt, und wer Kulinarik liebt, bringt am besten ein bisschen Zeit mit. Ich war gleich morgens um acht Uhr dort – da war es noch herrlich leer, später wird es rummelvoll!

Zur Mittagszeit besuchten wir dann das kleine Restaurant Balsamico E Cucina, es ist direkt innerhalb des Marktes zu finden.

Auf dem Tisch standen drei ganz unterschiedliche Aceto Balsamico di Modena – und es war ein erstes großes Vergnügen, sie abwechselnd mit den Spezialitäten auf der Tagliere di salumi e formaggi durchzuprobieren.

Dazu gab es luftig frittiertes Hefebrot. Meine Favoriten: der frische, feinsäuerliche Aceto Balsamico IGP zur Mortadella Bologna und der reifere Invecchiato zum würzigen Parmigiano Reggiano.

Eine Entdeckung: Ciccioli-Wurst, ähnlich einer dünn aufgeschnittenen Sülze – aus im eigenen Schmalz konfiertem Schweinefleisch und Schwarte –, grandios mit Aceto Balsamico di Modena IGP.

Calzagatti wurden serviert – eine Spezialität aus der Emilia-Romagna, gekocht aus Maisgrieß, Bohnen und Zwiebeln. Die Polenta wird gekühlt in Würfel geschnitten und dann in Schmalz gebacken. Hier serviert mit Balsamessig IGP und geschmolzenem Parmesan.

Der Name birgt gleich zwei Deutungen: Die grobe Struktur erinnert an alte Wollsocken – calze. Viel schöner ist jedoch die Geschichte mit der Katze, die beim Kochen im Vorbeigehen eine Schale mit Bohnen in die blubbernde Polenta stieß – gatti.

Und dann folgte eines jener kulinarischen Erweckungserlebnisse, die in einer Welt der Allverfügbarkeit den Reisenden belohnen: Die grüne Lasagne all’emiliana vom japanischen Chefkoch Shota Mitamura wird fortan meine Referenz-Lasagne sein.

Eine Lasagne in Perfektion: Saftig vielschichtig, mild-würzig im Geschmack, wohltemperiert (klassisch lässt man Lasagne mindestens 30 Minuten ruhen und abkühlen, bevor sie serviert wird) – dadurch wunderbar cremig. Mit Aceto Balsamico serviert, kommt nochmal eine frische Leichtigkeit dazu, man wünscht sich ein zweites Stück!

Große Oper in Modena

Mindestens so groß wie die Liebe zum Balsamessig ist die Leidenschaft der Modenesi für die Oper. Ich verstehe nicht viel von Oper, und dennoch war die wunderbare Einladung unserer Gastgeber, die Premiere von Giacomo Puccinis La Bohème im Rahmen des Modena Belcanto Festival zu besuchen, ein Erlebnis.

Denn auch den Laien berührt es, wenn das große Orchester einsetzt, wenn Weltstars der Oper auf der Bühne des Teatro Comunale Pavarotti-Freni stehen – und wenn dazu geliebt, geschmachtet und ausführlich auch gestorben wird. Hach!

Auszüge aus den Kritiken:

Il Giornale della Musica:
„Eine Bohème wie aus dem Lehrbuch – mit einer glänzenden Claudia Pavone als Mimì und einem intensiv strahlenden Galeano Salas als Rodolfo. Aldo Sisillos Dirigat: feinfühlig, sängerfreundlich, voller Nuancen.“

OperaTeatro:
„Ein Abend, der in Erinnerung bleibt: Nuccis detailreiche Regie, Pavone und Salas als bewegendes Liebespaar – und Sisillo am Pult präzise und farbig. Das Publikum feierte mit langem Applaus.“

Und auch am zweiten Abend unseres Aufenthalts luden die Consortien in die Oper: Im kleinen Saal feierte man die Premiere des neuen Image-Films:

Modena Balsamic Genius

Abendessen im De Danilo, Modena

Auch das Abendessen im Ristorante De Danilo, in der Altstadt von Modena wird in Erinnerung bleiben. Was für ein unbeschwert-lässiger Genussabend, ganz nah an den Traditionen der Region. Die Tür durch den Seniorchef hat Berghain-Qualität – man reserviert hier generell besser. Denn das De Dario ist eine echte Empfehlung: Hier gibt’s die Küche der Emilia-Romagna und andere italienische Klassiker in unaufgeregter Bestform.

Zum fruchtig-frischen, kühl perlenden Lambrusco di Sorbara von Zucchi kamen Schinken und Käse zum Teilen auf den Tisch. Darunter ein Käse namens Stracchino (die Vierecke im Bild), für den ich künftig jede Burrata stehen lasse.

Dann der Klassiker: Tortellini al brodo. Einfachheit trifft Exzellenz, hausgemachte Tortellini in klarer Brühe – mehr braucht es nicht. Außer vielleicht noch den Zickleinbraten, eine Kindheitserinnerung, die mich nicht täuschte: ganz eigen, zart und köstlich.

Dazu der Bruno Zanasi Lambrusco Grasparossa di Castelvetro D.O.P., ein großartiger herb-trockener Vertreter der neuen Lambrusco-Generation, die so garnichts mehr mit den Jugenderinnerungen der Generation X zu tun hat, zwinker, zwinker.

Tortellini selbermachen? Besuch in der Pasta-Schule!

Tortellini sind in Modena allgegenwärtig – in vielen Größen und überwiegend handgemacht, sind sie ein kulinarisches Wahrzeichen der Stadt (ich hätte den Schlüsselanhänger doch kaufen sollen).

Im Pastakurs des Modena Foodlab durften wir anderntags selbst Hand anlegen und bekamen Einblicke ins Nudelhandwerk. Treue Leser*innen wissen: Pasta macht Herr Paulsen nicht selbst – auch, weil andere das schon länger besser machen, z.B. der geschätzte Kollege Principe!

Ich war dann aber überrascht – und schnell begeistert –, wie einfach das Nudelmachen von Hand (zunächst) ist. Der Nudelteig besteht aus 1 Ei, 100 g Mehl, sonst nichts (kein Salz, kein Olivenöl). Erst rühren, dann kneten, den Teig ruhen lassen und dünn ausrollen – und schon ist alles fertig. Naja fast.

Dann ging das Gefrickel los! Ernsthaft: Mir hat das richtig Freude gemacht, auch die winzigen Tortellini zu füllen und zu formen. Das dauert – nimmt man sich eben mal die Zeit! Und versteht dabei, warum der Samstag in Italien zumindest früher dem Nudelmachen fürs Sonntagsessen gewidmet war.

Die Füllung für die fleischigen Tortellini di Modena besteht übrigens zu je einem Drittel aus Mortadella, Hackfleisch und Parmaschinken, fein gecuttert mit etwas fein geriebenem Parmigiano Reggiano dazu. Salz kommt keines daran, dafür ein Hauch Muskat.

„Mangiamo!“ - Pasta und Aceto Balsamico di Modena

Selbtsgemachte Pata schmeckt einfach völlig anders, mit delikatem Biss und dem vollen Nudelgeschmack – es braucht nicht mehr viel!

Die Tortellini in Salbeibutter waren großartig – mit Balsamico wurde dabei jede Mumpfigkeit aufgehoben – ein perfect match zur reichen Butter und zum würzigen Salbei.

Ab sofort auch bei mir zu Hause im Programm: die einfachste Sauce der Welt! Einfach Sahne aufkochen und mit fein geriebenem Parmesan cremig binden. Ein Hauch Bio-Zitronenschale, ein Hauch Muskat, wer mag – und sehr gut iss! Darin die Tortellini baden und mit gereiftem Aceto Balsamico Invecchiato besprenkelt genießen. Götterspeise!

Für unsere handgeschnittenen Tagliatelle spendierte das Team des foodlabs noch ein Sugo, für dass sie eine fleischige Tomatensauce mit etwas Bechamel vermählen. Probiere ich aus!

Aceto Balsamico zum Eis und an der Bar!

Auch beim Bar-Crashkurs von Toschi gab es viel zu lernen und zu entdecken: etwa den Modena-Klassiker Aceto Balsamico di Modena (drei Jahre gereift) mit Milcheis Gelato al la Crema! Sagenhaft.

Meine Stunde schlug aber anschließend an der Bar – mit dem Americano Aceto Balsamico!

Mixen mit Aceto Balsamico – Paulsen freut sich!

Mit einem Barlöffel Aceto Balsamico und etwas Sprudelwasser hebt der Americano-Klassiker noch einmal in eine ganz neue Richtung ab: rund, frisch, belebend.

Kollegin Marie-Louise hat heimlich mitgefilmt und das will ich Euch nicht vorenthalten! 🙂 Im YouTube-Video zeige ich, wie dieser einfache aber grandiose Drink gemacht wird – viel Spaß!

Im laufenden Barbetrieb eher nicht zu gebrauchen: ich.
Ihr braucht:
4,5 cl Campari
4,5 cl Vermouth
1 Barlöffel Aceto Balsamico di Modena Invecchiato
etwas kaltes Sprudelwasser
Zutaten ins Glas (Tumbler / Double Old Fashioned-Glas) geben, komplett mit Eiswürfeln auffüllen und gründlich kaltrühren. Etwas kaltes Sprudelwasser einarbeiten und freuen!

Eine grandiose Kombi: auch der Pear-fect Mule von Toschi mit

  • Birnensirup (22,5 ml)

  • Irish Whiskey (45 ml)

  • Limettensaft (22,5 ml)

Mit Eis im Shaker 10 Sekunden geshaked, dann ins Highball-Glas auf Eis abseihen und mit Ginger Beer auffüllen.

Der Aceto Balsamico di Modena kommt hier über Bande ins Spiel: kombiniert mit jungem Parmesan – und zum Birnen-Mule serviert. Süße, Salz, Frucht, Säure, alles da – großartig!

Modena war eine große kulinarische Inspiriation für mich und die Entdeckung der Möglichkeiten von Aceto Balsamico di Modena geht jetzt zu Hause weiter, stay tuned:

instagram.com/stevanpaul.de

Danke!

Ich danke meinen Gastgebern vom Consorzio Tutela Aceto Balsamico Di Modena und der europäischen Kampagne Enjoy its from Europe für die Einladung und die Produktionshilfe für diese Geschichte.

Mein Dank an alle Betriebe, Restaurants und Institutionen in Modena, die uns ihre Türen öffneten – danke für die Unterstützung und eure herzliche Gastfreundschaft!

Von der Europäischen Union finanziert. Die geäußerten Ansichten und Meinungen entsprechen jedoch ausschließlich denen des Autors bzw. der Autoren und spiegeln nicht zwingend die der Europäischen Union oder der Europäischen Exekutivagentur für die Forschung (REA) wider. Weder die Europäische Union noch die Bewilligungsbehörde können dafür verantwortlich gemacht werden.