Australien (1): a big night out in Perth

PicMonkey Collage1

Wir klopfen beherzt an der großen grauen Stahltür in einem Hinterhof von Northbridge in Perth, schenken der Kamera über dem Eingang unser schönste Lächeln und erhalten nach kurzer Wartezeit ein Summen als Antwort, die Tür geht auf und wir sind drin in Sneaky Tony’s Bar. Der späte Nachmittag bleibt draußen, drinnen erleuchten nur ein paar Kerzen auf den Tischen die Dämmrigkeit aus der sich langsam ein paar frühe Gäste schälen – und Maurizio, Herr über ca. 250 verschiedene Rumsorten, denn in Sneaky Tony´s Secret Bar gibt es neben ein bißchen Cider und Pale Ale auschließlich Rum. Cocktails, Single Barel Rums, Barrel Aged Rum Shots and Cocktails, den Old Fashiones sogar „on Tap“, wenn die Hütte brennt: „Besonders am Wochenende ist hier kein Reinkommen mehr“, erklärt uns Maurizio, dann gibt es auch, wie einst in den Speak Easy Bars zur Prohibitionszeit, ein Losungswort für den Einlass an der Tür und das findet sich, ganz modern, auf Facebook. „Gut dass ihr so früh seid, da können wir uns ein bißchen unterhalten.“ sagt Maurizio, der Rum liebt und mit ansteckender Begeisterung über Rum spricht – der Mann streichelt, ganz beiläufig, die Flasche über die er grade spricht. Wir entscheiden uns für drei Rum-Klassiker, den Old fashioned, einen Negroni und „Dark & Stormy“, der hier tatsächlich klassisch und genau wie in seiner Heimat auf den Bermudas serviert wird: mit Gosling Rum und echtem Gosling Gingerbeer, tiefgründig, erfrischend und zum wegsaufen gut. Maurizios „Death by Negroni“ ist eine Variation des Gin-Klassikers mit weißem Matusalem Rum, Campari und Chocolate Bitter – ein vielschichtig filigraner Genuss, wie auch der Rum-Old fashioned, der rauchig, nach Leder und Orange duftet, mit frischen Zitrusnoten.

PicMonkey Collage2

Es läuft alter amerikanischer Blues im Hintergrund, wir lehnen am dunkel glänzenden polierten Bartresen, genießen die Drinks und Maurizios immenses Wissen um den Rum. Unser Rausschmeißer ist ein Spiced Rum, Rumversschnitte die durch Zugabe von Aromaten zu ganz individuellen Geschmackserlebnissen werden, wie „Sneaky Tony’s House“, die Privatabfüllung der Bar mit Zitronen- und Orangenschale, Sternanis, Ingwer und weiteren, streng geheimen Zutaten, die dem Gaumen schmeicheln, am liebsten on the rocks mit Orangenschale, wie uns Maurizio zum Abschied erklärt.

Beschwingt treten wir hinaus in die Spätnachmittagssonne, wau, was für ein Auftakt unserer Südwest-Australienreise. Vor ein paar Stunden erst sind „Auf die Hand“ Fotografin Daniela Haug und ich hier in Perth gelandet und schon jetzt verliebt in die Stadt. Der Abend verspricht lau zu werden, Down Under hat zwar der Herbst begonnen, doch das bedeutet hier nach wie vor Flip Flops, kurze Hosen und über 20 Grad, wir sind jedenfalls komplett falsch angezogen. Wir spazieren durch das belebte Northbridge Viertel, hier reihen sich Restaurants, Clubs, Cafés und „Small Bars“ aneinander und es sind jene Small Bars die das kulinarische Perth ungemein belebten, erzählt uns unser Gastgeber Justin: „Vor fünf, sechs Jahren ging das los, mit der Small Bar Licence und seitdem ist der Alkoholausschank nicht mehr nur Restaurants und Bars vorbehalten.“

PicMonkey Collage1

Justin Blackford kennt Perth und ganz besonders das kulinarische Perth genau, mit seiner Firma „Foodloose“ bietet der Foodblogger (theskinnyperth.com) Genusstouren durch die Stadt, Touren die immer häufiger auch von Touristen, überwiegend aber noch von den Menschen aus Perth selbst besucht werden, die Gastronomie in Perth entwickelt sich rasant und schnell und kann dabei auf eine großartige Basis zurück greifen: die australische Küche hat immens viele Einflüsse, ist geprägt von der britischen Kultur, der Kultur der Aborigines und sehr stark auch von den Küchen der Einwanderer aus Europa und Asien, dem Orient und Afrika. Mit besten regionalen Zutaten aus Land und Meer wurde und wächst daraus eine kreative, regional geprägte Crossover-Weltenküche ohne Grenzen – unprätentiös, spannend und dabei entspannt wie die Australier selbst.

PicMonkey Collage2

Unsere erste Station, „No Mafia“ ist italienischer Prägung und wir genießen am Tresen ein paar Tapas, hauchdünn aufgeschnittene luftgetrocknete Fenchelsalami und eingelegte Sardinen aus dem nahen Fremantle im Stil der spanische Boquerones en vinagre – nur ungleich saftiger die dicken kleinen Sardinenfilets, die unglaublich frisch für sich selbst sprechen dürfen und nur ganz zart gesäuert und gesalzen sind, mit eher subtiler Schärfe – toll!

PicMonkey Collage3

Serviert wird auf Wachspapierservietten, dazu gibt es Sauerteigbrot und drei verschiedene Craft-Biere, zwei davon aus der Dose: Small Ale und Young Henry Hop Ale vom Magarete River, aus Italien kommt das feinperlige „My Antonia“. Die schmecken auch zum auf Holzkohle gegrillten Octopus (Salz und fertig!) auf einer feinscharfen Chili-Paste und mit Rosmarinöl. Wir sind begeistert und könnten bleiben, doch Justin hat noch einiges mit uns vor. Weiter geht es durch die belebten Straßen und Gassen Northbridges, die an Greenwich Village erinnern, an San Francisco und das alte New Orleans, dabei treffen immer wieder zauberhafte alte Häuser im victorianischen Stil auf modernste Architektur.

PicMonkey Collage1

Im Darling Supper Club wird asiatisch aufgekocht und zwar Querbeet, freestyle und mit australischen Einflüssen. Auch hier eine offene Küche, ein einladender Tresen, ein moderner, gemütlicher Restaurantbereich. Justin gibt uns ein paar sachdienliche Hinweise und schnell füllt sich unser Tisch.

PicMonkey Collage2

Es gibt frittierte Teigtaschen vom Berkshire Schwein und gedämpfte Dumplings vom Känguru (mit feinem Wildgeschmack), von der umfangreichen Sake-Karte wäheln wir kalten Kizakura Yamahai-Jikomi. Die Chicken Dumplings schwimmen in einer aromatischen, leicht säuerlich abgeschmeckten Brühe mit Ingwer und Erbsenschoten.

PicMonkey Collage3

Justins Lieblingsgericht wird bald auch unseres: Char Kway Tewo, einne Art Bratnudelgericht mit chinesischer Bratwurst, Garnelen. Hähnchenfleisch und dicken Venusmuscheln mit Ketjap Manis Sauce und ordentlich Chili. Sehr fein auch der Riesenpot mit „Darlings Famous King Prawn & Chicken Laska“ ein cremig-feuerscharfes Curry

PicMonkey Collage1

Die letzte Station unseres Menü-Spaziergangens führt uns ins „The Standart“ ein bunt gewürfeltes, junges Restaurant mit wunderschön illuminierter Außenterrasse über zwei Stockwerke und einer Container-Bar im Backyard. Hier kocht Chase Weber und wir bekommen hier zwei Desserts serviert und treue LeserInnen wissen, dass ich mir aus Süßem nicht soviel mache. Das hier ist leider gut, sehr gut sogar, so gut dass wir beginnen hektisch zu löffeln: Chocolaten Ganache mit Spiced Rum und Kokosnusscrunch und Vanille Panna Cotta mit frischen Erdbeeren aus Wald und Garten, die am Tisch mit hausgemachter Limonade sprudelnd aufgegossen wird.

PicMonkey Collage2

Das ist so gut, dass ich mir noch mal die Abendkarte bringen lasse und was ich da lese festigt meinen Entschluss, wenn irgendwie möglich in den nächsten Tagen nochmal hier her zu kommen, ich sage nur: Rindfleischcarpaccio mit Pedro Ximénez Sherry und Harissa, Mushroom-Doughnut mit Schnittlauch-Curd und Paprika-Zucker und am Nebentisch werden gerade gigantische Pommes Frites aus Bohnepaste serviert. Wir müssen wiederkommen. Erstmal aber machen wir noch einen ausgedehnten Abendspaziergang durch die laue Nacht und das belebte bunter Viertel und sind ein bisschen eifersüchtig, dass die Australier das hier Herbst nennen. Was für ein Auftakt für unsere kulinarische Entdeckungsreise!

Alle Fotos: Daniela Haug!

Die ganze Reise, alle Links:

Australien (1): a big night out in Perth
Australien (2): “Good fun – that’s what Craftbeer-Brewing is all about.” – Besuch der Feral Brewery
Australien (3): Mr. Wong rides the Bamboo
Australien (4): Streetfood in Perth
Australien (5): Who needs Lobster! – Sardinenfischen vor der Westküste Australiens
Australien (6): Begegnung mit Poh Ling Yeow, Australiens bekanntester TV-Köchin

Offenlegung: Wir danken Tourism Australia und Tourism Western Australia für die Organisation und Unterstützung unserer Produktion.

Weitere Beiträge
Freilandhühner bilden Banden und haben Charakter