Australien (6): Begegnung mit Poh Ling Yeow, Australiens bekanntester TV-Köchin

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Ich bin mit Poh Ling Yeow in einem Teeladen am Central Market von Adelaide verabredet, ein Vorschlag ihres Managers, wir bestellen beide Kaffee. Poh Ling Yeow ist TV Köchin und in Australien so bekannt wie hierzulande nur Tim Mälzer, sie bedankt sich zu Beginn des Gespräches für unsere Zeit (sic) und schenkt der Fotografin Daniela Haug und mir dieses freundliche, strahlende Lachen, für das sie auch berühmt geworden ist, eine Herzlichkeit, die ansteckend ist, der man sich nicht entziehen kann. In die TV Kochprominenz ist Poh Ling Yeow vor ein paar Jahren so reingeschlittert. Sie war und ist es immer noch, eine sehr erfolgreiche Künstlerin, deren Bilder sich bereits vor ihrer Teilnahme an der ersten Staffel des TV Formats Masterchef Australien (2009), sehr gut verkauften.

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Wie viel Kunst steckt denn im Kochen, will ich wissen. „Oh, eine Menge! Ein Gericht zu entwickeln hat viel mit der Komposition eines Bildes zu tun. Die Farben und die Komposition führen das Auge des Betrachters über die Leinwand, bei einem Teller wird der Gast intuitiv an das Gericht herangeführt, isst die verschiedenen Komponenten so, wie Du es Dir vorgestellt hast, die Farben und Texturen wirken, sehr ähnlich wie bei der Malerei – allerdings ist Food das ultimative Medium, eine Kunst die Du tatsächlich konsumieren kannst, die Leute nehmen Deine Kreativität in ihren Körper auf.“ erklärt Poh Ling Yeow. Die Sorgfaltspflicht ist dabei ein wichtiger Gedanke, bei der Zubereitung von Speisen für andere, wie auch für sich selbst. Vieles was wir gedankenlos kaufen, kauen und konsumieren, grenzt unter diesem Aspekt an Körperverletzung.

Poh Ling Yeow hat chinesisch-malayische Wurzeln, Kochen und Essen waren ganz zentrale Themen in ihrer Familie. Schon als Kind liebte Poh die süße Küche, Desserts und Kuchen: „Ich habe mit 9 Jahren angefangen zu backen, ich glaube dass die Patisserie am besten geeignet ist, dir ein paar Sachen über das Kochen selbst nahe zu bringen: Genauigkeit, die Wichtigkeit von Details, eine beinahe wissenschaftliche Aufmerksamkeit und die Erkenntnis, dass schon ein Hauch zu viel, von diesem oder jenem, gegen Dich arbeiten kann.“ Poh lacht: „Das Verständnis fürs Kochen als kreativer, schöpferischer Akt kam dann eigentlich erst während der Masterchef-Aufzeichnungen. Ich hatte ein paar traditionelle Klassiker der Familienküche drauf, um aber weiter zu kommen musste ich neue Gerichte kreieren. Und weil das die erste Staffel war, hatten die da auch so garnichts an Equipment. Ich sagte: Leute ich koche asiatisch, ich brauche einen Steamer! Ich habe mir dann aus Gabeln und einem Topf einen Steamer gebaut. Als ich dann die zweite Staffel sah, alle Teilnehmer so mit Steamer und Thermomix ausgerüstet, hab ich gerufen: „Das ist Betrug!“

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Durch ihre asiatisch geprägte Küche fand Poh schnell eine eigene Nische in der Fernsehsendung: „Das war auch etwas das ich Australien zeigen wollte, Australien war damals noch sehr britische geprägt, ein Stück Fleisch, drei Gemüse, fertig .“ Tatsächlich erfahre ich während meiner Australien-Reise, auch von anderen Gesprächspartnern immer wieder, dass die Masterchef-Serien für Australien ein stilprägendes Programm waren, das so deutlich wie definitiv einen kreativen Schub in den heimischen Küchen auslöste und auch die Experimentierfreude der Gastronomie förderte. Zur Koch-Sendung selbst kam die kulinarische Autodidaktin über das Schreiben: „Ich hatte angefangen, neben meiner Malerei an einem Buch zu arbeiten und ich dachte es wäre eine gute Idee ins Fernsehen zu gehen, egal wie weit ich komme, da kennen mich die Leute dann schon mal.“ Wieder dieses entzückende Lachen.

Es ist nichts geworden mit der Literatur, Poh Ling Yeow erreichte den zweiten Platz beim Masterchef-Finale und es begann ein neues, gänzlich anderes Leben, über Nacht. Die eigene Kochshow, Reisen durchs Land, Reality-Dokus, zwei Kochbücher, Prominenz. Letztere gestaltet sich in Australien aber so ganz anders als hier in Deutschland.

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Ein paar Tage vor unserem Interview wurden Poh und ich einander auf dem Farmers Market in Adelaide vorgestellt, die berühmte Fernsehköchin stand da und rührte konzentriert in einer Paella, unbehelligt von Fans, hier und da wurde aus der Entfernung einzelne, verschämte Handyfoto gemacht. Ich hatte ein paar mal das Vergnügen mit Tim Mälzer über Marktplätze in München und Mallorca zu laufen, ich darf verraten, es gibt immer Tumult und man kommt nicht wirklich voran. Pohs Fans auf dem Farmers Market kommentierten meine Verwunderung mit Schulterzucken: „She´s always here, every Sunday.“

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Tatsächlich ist Poh sehr öffentlich geworden, seit sie 2014 (ganz nebenbei) mit einem kleinen Team das Marktkonzept Jamface ins Leben gerufen und eine alte Liebe wiederbelebt hat. Am Jamface-Stand gibt es jeden Sonntag feine hausgemachte Patisserie, Köstliches in Gläsern, dazu herzhafte Snacks wie selbstgebackene Pizza oder eben eine Meeresfrüchte-Risotto. Und ja: „Die Fans sind sehr freundlich, sehr entspannt. Und auf dem Markt sehen die Leute auch, dass ich beschäftigt bin und akzeptieren das. Ich sehe mich selbst aber auch nicht als Berühmtheit, ich bin Fernsehkoch, so sehe ich mich. Ich möchte nicht auf einem Sockel stehen, ich möchte jemand sein, dem man vertrauen kann und auf Augenhöhe begegnen.“

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Ich bin ja sonst kein Süßer, probierte mich an diesem Sonntag aber durch Poh’s Gesamtangebot und wurde u.a. mit dem besten Apfelkuchen meines Lebens belohnt, ein mürber Apple-Pie der noch warm durch ein Loch mit cremig-kühler Vanillesauce aufgefüllt wird. Das ist Liebe.

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Und ein Langzeit-Projekt: „Ich bin für meine asiatische Küche berühmt geworden, aber es ist nun mal das Backen das ich über alle Maßen liebe und ich hatte immer davon geträumt meine eigene Patisserie zu haben, seit dem Studium. Das will ich ausleben. Jamface ist ein Traum, meine große Liebe, aber auch ein Statement: es geht nicht um meine asiatischen Wurzeln, Jamface ist inklusiv, nicht exklusiv, es ist ein australisches Unternehmen.“

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Zwei Kochbücher hat Poh Ling Yeow bislang veröffentlicht, beide sind von ihren chinesisch-malayischen Wurzeln geprägt, beide sind aber auch ein Abbild der jetzigen australischen Küche, die mehr denn je aus ihrem Reichtum schöpft, ein Crossover aus den Küchen der Einwanderer von allen Kontinente, kreative zubereitet mit der Produktvielfalt aus Land und Meer, aus drei Klimazonen. Trends schaut zumindest Poh dabei nicht hinterher: „Ich versuche ignorant zu bleiben. Ich hasse Trends, ich finde Trends irritierend und ich schaue mir auch in der Malerei nur wenig an was andere machen. Ich will unabhängig bleiben, meinen eigenen Gedanken und Ideen folgen. Es ist sowieso schon schwer genug nicht zu kopieren. Manchmal passierte es, ich seh was und denke: Oh. Schade. Ich war wohl doch nicht die erste und einzige mit dieser brillante Idee. Man muss sich treu bleiben.“

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Dazu gehört für Poh Ling Yeow auch, an andere zu denken. Sie nutzt ihre Prominenz immer wieder dafür, andere Menschen zu helfen. „Nach zwei Serien in denen ich viel gereist war und spannende Küchenchefs getroffen hatte (Poh‘s kitchen), war mir danach, die ganze Sache mal wieder runterzubrechen auf etwas, zu dem mehr Menschen Bezug haben.“ Daraus entstanden engagierte Charity-Programme für ärmere Gemeinden, für benachteiligte Kinder, alles über die TV-Serie Poh’s kitchen lends a hand…: „Mir war es dabei wichtig ihre Geschichten zu hören, zu erzählen, ohne sie vorzuführen, ohne Klischees zu erfüllen – und dann zu helfen. Ich glaube ich hatte immer schon ein großes Herz (wörtlich übersetzt sagt Poh: weiche Seite) für Menschen die außerhalb der Gesellschaft leben, auch wenn ich aus einem Mittelklasse-Backround komme. Schon als Kind in Malaysia und später als Migranten-Kind in Australien kannte ich Einsamkeit und das Gefühl allein zu sein. Das Begleitet mich schon mein Leben lang und heute kann ich sehr gut alleine sein, für Tage, für Wochen.“ Poh schüttelt den Kopf und lacht herzlich.

Zuletzt war Poh in der Reality Show Po & Co zu sehen: „Das mochte ich sehr, da war nichts geskripted, ich konnte ganz einfach Chaos sein.“ Poh lacht: „Davon wird es demnächst eine weitere Staffel geben. Ich bin sehr diszipliniert wenn ich arbeite, ich arbeite wirklich gerne. Und ich will das alles immer noch. Ein geordneter Beruf ist nichts für mich.“ Stimmt es, dass sie auch eine ziemliche Perfektionistin ist? Poh lacht: „Oh ja! Aber mein Haus ist really messy. Allerdings: wenn ich sauber mache, dann mach ich sauber!“

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Weiterführende Links:

Poh Ling Yeow Sendungen auf Youtube sehen

Poh Ling Yeow auf Instagram

Adelaide Central Market (Großartiger Markt, Tipp!)

Adelaide Farmer’s Market (großartiger, regionaler und kuratierter Sonntagsmarkt!)

Alle Fotos: Daniela Haug

Die ganze Reise, alle Links:

Australien (1): a big night out in Perth
Australien (2): “Good fun – that’s what Craftbeer-Brewing is all about.” – Besuch der Feral Brewery
Australien (3): Mr. Wong rides the Bamboo
Australien (4): Streetfood in Perth
Australien (5): Who needs Lobster! – Sardinenfischen vor der Westküste Australiens
Australien (6): Begegnung mit Poh Ling Yeow, Australiens bekanntester TV-Köchin
Australien (7): auf der Seite WeinPlaces.de: Voyager – Besuch mit Wine & Dine auf einem der größten Weingüter Australiens

Offenlegung: Wir danken Tourism Australia und Tourism Western Australia für die Organisation und Unterstützung unserer Produktion.

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