Rückblick: das internationale Food Photo Festival 2015 in Vejle, Dänemark

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Vergangenes Wochenende war ich auf dem Food Photo Festival im dänischen Städtchen Vejle zu Gast und verbrachte dort drei hochinteressante und inspirierende Tage mit einigen der besten Foodfotografen der Welt. Food- und Medienschaffende aus 26 Nationen trafen sich zum Austausch, es gab Workshops und Ausstellungen und natürlich die feierliche Krönung der Besten anlässlich einer Gala mit Multimedia-Screening im Theater von Vejle. Der Reihe nach.

PicMonkey Collage3Network-Dinner Menu, Restaurant Vedelsborg

Es fiel mir bereits Donnerstagabend auf, beim lauten, fröhlichen und feinem Networking Dinner mit Menü im sehr empfehlenswerten Restaurant Vedelsborg auf: wir reden immer seltener inhaltlich über unsere Arbeit, wir Foodfotografen, Foodstylisten, kulinarische Autoren und Kochbuchschaffenden – wir reden, auch untereinander, überwiegend nur noch über Konditionen, Termine, Kunden und Geld. Die Zeiten sind so, das ist notwendig. Aber die Gefahr ist groß, plötzlich nur noch einen Job zu machen. Die Begegnung mit vielen der besten Kollegen aus aller Welt erinnerte mich daran, dass wir hier und da auch etwas erzählen wollen mit unserer Arbeit, dass wir (Ess-)Kultur schaffen und in einigen der schönsten Berufe überhaupt arbeiten.

12039001_10153618023987295_76832717428181398_o(“We had the most laughs at our table. We were also the loudest, of course.”, Anne Kleinberg on Facebook)

In Vejle haben wir endlich mal wieder über die Inhalte unserer Arbeiten gesprochen und ich habe den Austausch mit den Kollegen der unterschiedlichsten Disziplinen sehr genossen.

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Zu einem persönlichen Höhepunkt des Festivals wurde die Begegnung mit Per-Anders Jörgensen und seiner Frau Lotta, anlässlich eines Vortrages über ihre Arbeit am fool Magazin. Ihr Buch Eating with the chefs mit Reportagen über das Personalessen (!) und die Menschen hinter den Kulissen von 18 der besten europäischen Restaurants, habe ich unzählige Male verschenkt, denn ich glaube jeder kulinarisch denkende Mensch braucht dieses Wunderwerk aus Fotografie, Rezepten, Geschichten und Buchhandwerk.

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Ich bin Fan. Und habe mich auch dementsprechend aufgeführt, meine Ausgabe des Buches mitgeschleppt, Magazine gekauft, mir alles signieren lassen und eine der letzten zehn Ausgaben der Bras-Ausgabe ihres grandiosen Foodmagazins fool ergattert. Yes! (Das Fanboy-Foto hat Carmen Henschel gemacht, danke!)

Einen der inspirierensten Vorträge hielt der Hamburger Uwe H. Martin vom Bombay Flying Club zum Thema multimediales Storytelling. Bewegtbilder sind die sind eine Zukunft der visuellen Kommunikation und die Kombination von Bewegtbild mit Stills ermöglicht geradezu literarisches Erzählen – wenn man die jeweiligen Stärken der einzelnen Disziplin nutzt. Ein grandioses Beispiel dafür, wie emotional, raffiniert und eigen diese neue Erzählweise sein kann, ist Maisie Crows Doku „Hunger: Living with Prader-Willi Syndrome“ von 2009 (!), den Sie direkt auf Vimeo ansehen sollten: https://vimeo.com/5717103

Ähnlich spannend auch der humorvoll-interessante Vortrag meiner Foodstylisten-Kollegin Mary Valentin aus Chicago, die erklärte, wie in den USA Trends in der Foodfotografie entstehen, sich etablieren und auch wieder sterben – am Beispiel des „Farm to Table“-Trends, rustikal-elegante Bilderwelten zur Illustration der gesellschaftlichen Trends „Vom Feld in die Stadt“, Nachhaltigkeit“, „Cityfarming“, „Regionalität“ – eine Bildsprache, die in den USA längst schon von der Industrie vereinnahmt wurde und somit jetzt sehr durch ist (hierzulande noch munter gefragt). Was jetzt so die Trends sind, verriet Mary auch – und ich habe vor, einige davon, in meine nächste Arbeiten auszuprobieren:-)

Grandios auch der freie Photojournalisten Dirk Gebhardt aus Köln, mit seinem Vortrag über Webportfolios und seinen Einschätzungen der einzelnen Anbieter von redaktionellen Systemen für Blogs und Homepages. Auch hier werde ich ganz konkret profitieren können und in einem ersten Schritt meinen Blog einem Relaunch unterziehen.

Nicht verschwiegen werden soll, dass auch ich in Vejle einen Vortrag hielt. Über Selbstmarketing für Foodfotografen in den sozialen Netzwerken. 45 Minuten. Auf englisch. Ich wäre fast gestorben zwischendurch, das kann ich ihnen verraten.

_DSF9183(Foto: Andrea Thode)

Volles Haus und ich das Ding komplett und Wort für Wort abgelesen, aus Unsicherheit. Die Audience war allerdings freundlich interessiert und bei der anschließenden Stehgreif-Fragerunde war ich wieder ganz der Alte, nur auf englisch. Mir dämmerte dass es nächstes Mal auch ohne Leine gehen könnte. Erstaunlich übrigens, für die internationalen Kollegen war nicht alles in meinem Vortrag Neuland, deutsche Food-Fotografen tuen sich im internationalen Vergleich noch deutlich schwerer mit Blog, Faceboook, Instagram und Co.

IMG_9794(v.l.n.r. me, Jean Cazals, Patricia Kettenhofen, Anne Kleinberg)

Nur einen Vortrag später saß ich wieder auf der Bühne, diesmal eine Podiumsdiskussion über das schwierige Verhältnis zwischen Foodfotograf und Foodstylist. Moderiert, wie alle Vorträge und Podien, von der wunderbaren und einzigartigen Anne Kleinberg aus Israel, Diskutanten waren die Pariser Fotografin Patricia Kettenhofen, der Londoner Fotograf Jean Cazals und ich. Mit meinem Vorschlag der Wiedereinführung der Monarchie mit mir an der Spitze konnte ich nicht landen. Gemeinsam fanden wir aber heraus: es gibt gar kein Problem zwischen Foodstylisten und Foodfotografen, unsere Arbeit ist immer und bestenfalls eine Teamarbeit. Das Problem: „…is alway the client!“, fasste Anne Kleinberg unter dem zustimmenden Gelächter des Fach-Publikums zusammen.

Neben den vielen Fachvorträgen bildeten Workshops und die Möglichkeit von Portfolio Reviews weitere Schwerpunkte, diese richteten sich an Fotografen und sicher auch an Foto-spezialisierte Foodblogger, ich blieb allerdings die ganzen zwei Tage bei den Conferences hängen, die Vorträge waren allesamt schon sehr spannend und erhellend.

_DSF9148(Foto: Andrea Thode)

Herzstück des Festivals waren aber die Foto-Ausstellungen, die an verschiedenen Orten in Vejle die Arbeiten der geladenen Fotografen zeigten. Wunderschön luftig gehängt, großformatig und auf bestem Hahnemühle-Papier. Mein Freund und Kollege, der Fotograf Andrea Thode (wir arbeiten seit Jahren zusammen, u.a. für das Effilee Magazin zusammen) war mit angereist und ich hätte sehr gerne unsere Gesichter gesehen, als wir das erste Mal die Wand der Ausstellung in Vejle mit unserer Gemeinschaftsarbeit „Gone“ sahen.

_DSF9112(Foto: Andrea Thode)

„Gone“ beschäftigt sich mit der Todesstrafe und der vermeintlichen Gnade des letzten Dinners, die Bilder entstanden anlässlich der Abschaffung dieses Privilegs in US-Gefängnissen. Unsere Bilder zeigen einige, diese letzten Mahlzeiten, die Protagonisten haben bereits gegessen und sind “verschwunden“. Zu jedem Gericht habe ich auch die Geschichten der Todeskandidaten aufgeschrieben.

Thematisch erfreulicher und sogar hocherfreulich die gemeinsame Ausstellung mit Fotografin Daniel Haug und Bildern aus unserem Kochbuch Heute koch ich, morgen brat ich… (Hölker Verlag).

_DSF9152(Foto: Andrea Thode)

Extra für Vejle hat Daniela Haug einzelne Gerichte mit Landschaftsbildern kombiniert, sehr wirkungsreich die Arbeiten für das Kochbuch so zu sehen, neu zu sehen.

Und um es mal ganz klar und deutlich zu sagen: welche Ehre, gemeinsam mit einigen der besten Fotografen der Welt ausstellen zu dürfen, mit Jean Cazals und Hugh Johnson aus London, Pelle Bergström aus Stockholm, Davide Luciano und Signe Birck aus New York, David Japy aus Frankreich, Marie Cècile Thijs aus Rotterdam, Steven Achiam aus Copenhagen, Corey Arnold aus Portland, Dan Lev aus Tel Aviv oder Ápád Pintér aus Budapest oder Søren Gammelmark aus Århus – to name but a few.(Wenn mal Zeit ist am Wochenende, flogen Sie mal den Links zu den Fotoseiten der Fotografen!)

Ihre Bilder, ihre Art zu erzählen, Appetit zu machen, Politik zu machen und für die große Welt der Kulinarik zu begeistern, fand ich sehr inspirierend. Auf falstaff.de stelle ich zehn Fotografen des Festivals genauer vor:

www.falstaff.de/food-photo-festival

Tagsüber Bilder sehen und abends mit den Urhebern zusammensitzen, essen, reden und feiern, in Vejle war das möglich.

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Und wir haben richtig gefeiert, kein Glas blieb voll und am Ende des Abends die Erkenntnis, dass diese großartigen Künstler auch feine Menschen sind. Ich habe neue Bekanntschaften gemacht, die es zu vertiefen gilt.

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Allein der Abschlussabend, bei dem alle Bilder aller Ausstellung nochmals gezeigt wurden (und vielen weitere Arbeiten dazu), auf Großbildleinwand im Theater von Vejle, perfekt geschnitten zu großartiger Musik im Dolby-Sound – Bäm! Großartig. Durch den Abend führte die charmante Moderatorin Carmen Hentschel und die Preise in den Kategorien „Beste Foodphoto-Reportage“ und „Bester Foodphotograph“ gingen beide an Per-Anders Jörgensen, der auf der Bühne dankend zu bedenken gab, er sei ja eigentlich gar kein Food-Fotograf. Sag ich doch, ich bin Fan.

Nicht zuletzt ist denen zu danken, die das Food Photo Festival nicht nur möglich, sondern zu etwas ganz besonderem machten, allen voran der Initiator des Festivals, Fotograf und Freund Günter Beer aus Barcelona, Du rockst! Und seinem Team, das alles und auch mal „gschwind“ möglich machte: Petra Blume, Manon Straver, Laila Surrallés Solsona und allen anderen, Dankeschön für die Gastfreundschaft und die Unterstützung!

PS: Für 2017 wurde das nächste Food Photo Festival angekündigt, wieder in Vejle, das nur zweieinhalb Autostunden von Hamburg entfernt ist und den zweitgrößten Flughafen Dänemarks betreibt. Nur mal so unter uns, weil wirklich niemand da war: das dürfte dann auch für Foto-Foodblogger sehr interessant sein und werden.

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