Unterwegs im Bordelaise (2): von Winzerinnen und Weinmachern

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Es gibt da eine schöne Cuvée an Halbwissen und Vorurteilen, das Weingebiet Bordeaux betreffend, so haben beispielsweise „die Chinesen“ den „Bordeaux“ nicht wirklich „ausgesoffen“, ein paar Fläschen vom sehr guten Wein haben die da schon noch! (unsere Gastgeber vom Winzerverband Bordeaux listen beispielsweise auf der deutschsprachigen Internetseite 100 Bordeaux für jeden Anlass). Und: ein Château ist nicht immer ein Schloss, sondern schlicht die Bezeichnung für die Wein erzeugenden Betriebe dort. Das kann ein grob gemauerter Bauernhof sein, eine futuristische Architekten-Fantasie im Quadrat und manchmal auch ein wirklich prachtvolles, altes Schloss. Ungefähr unfassbare 7500 Châteaux gibt es derzeit in den Bordeaux-Weinanbaugebieten. Teils werden die Weine Parzelle für Parzelle geerntet und getrennt vergoren, und dann mehrere Rebsorten im Bemühen um Qualität, Finesse und Eleganz harmonisch kombiniert. All das passiert direkt am und im „Château“. Wir machen uns auf die Reise und wollen in den kommenden zwei Tagen einige höchst unterschiedliche Betriebe und WeinmacherInnnen kennen lernen.

Château Larrivet-Haut-Brion – Weißwein & Käse

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Frühnebel steigt majestätisch aus der Garonne empor und wabert durch die stillen Weinberge, wir sind früh unterwegs, ein paar Sonnenstrahlen schneiden schon durch den Nebel, das wird ein schöner Tag! Unser erster Halt: Château Larrivet-Haut-Brion, im Weinanbaugebiet Pessac-Léognan in der Region Graves. Die Weißweinernte hat begonnen, sehr spät, 2013 wird kein guter Jahrgang für das Bordeaux, Regen und Hagel schon während der Blütezeit, weniger Sonnentage, alle hoffen auf einen langen, sonnigen Herbst. Mit dem Rotwein wir man erst Ende Oktober beginnen können.

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Nach einer Führung durch die charmante Amy Soulas, die sich hier um die Geschicke der Besucher kümmert und auch doofe Fragen gelassen beantwortet, geht es zur Verkostung. Wir haben das beinahe schon amerikanisch anmutende Château bewundert, den modernen Keller, den großen Ballsaal (falls Sie heiraten mögen!), den Park und die 90 Hektar großen Weingärten. Jetzt sind wir neugierig!

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Château Larrivet-Haut-Brion ist, neben großen Rotweinen, insbesondere berühmt auch für seine Weißweine und Amy hat eine Probe großer Jahrgänge (siehe Foto) mit Käse vorbereitet: Comté, extra alten Mimolette und Saint-Nectaire. Meine Frage, ob denn der Käse bei der Verkostung von Weinen nicht hinderlich sei, beantwortet Amy weise: der Käse gäbe dem Wein sein Bestes und der Wein dem Käse ebenso. Und genau so wars dann auch. Der goldgelbe 1998 beispielsweise, mit seinem Aroma nach gekochten Birnen und eine schön eingebundenen Säure, passt perfekt zum Comté und wird im Château auch gerne zu Kaviar gereicht, oder zu gegrilltem Fleisch, schön auch zu Miesmuscheln in Roquefort-Sahnesauce! Letzteres für mich auch als Gericht ein Novum, das ich ausprobieren werde.

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Was wir im Château Larrivet-Haut-Brion erleben durften, eine freundliche Führung mit Verkostung, das ist ganz üblich hier, die meisten Châteaux leben die Politik der offenen Tür und laden dazu ein, einfach vorbei zu schauen oder sich anzumelden, viele Châteaux beschäftigen zudem fachkundige Gästebetreuer wie Amy. Bei den ganz großen Häusern ist Anmeldung pflicht und ein Besuch auch nur zu bestimmten Zeiten möglich. Mein Tipp: auf gut Glück ist es während der Weinlese schwieriger, aber auch rund ums Jahr geht man auf Nummer Sicher, wenn man sich im Vorfeld anmeldet.

Château Haut de Lerm – Frauenpower!

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Christelle und Valérie Gonthier begrüßen uns herzlich in ihrem Château Haut de Lerm, zeigen stolz den 30 Hektar großen Weingarten, der bis ans Wohnhaus reicht. Den bewirtschaften die Cousinen gemeinsam. Die Ladys machen auch den Wein selbst. Und den Vetrieb. Und überhaupt alles. Vor zwölf Jahren hängten die zwei Selfmadewomen ihre Brotberufe an den Nagel, Christelle kümmerte sich bis dahin um Behinderte, Valérie arbeitete bei einer Baumfirma. Gemeinsam kauften Sie das Land, das einst in Familienbesitz gewesen war, zurück und studierten Weinbau, 1 Tag vor der Geburt ihres Sohnes hielt die hochschwangere Valérie ihr Diplom in den Händen. „Die ersten 8 Jahre waren schwer“, erzählen die Ladys lachend. Es wird viel gelacht auf Haut de Lerm.

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2001 der erste Jahrgang, der Rotwein aus 50 % Merlot und 50 % Cabernet Sauvignon ist mehrfach ausgezeichnet, kirschrot funkelt der 2011er im Glas, auf der Zunge würzig und weich zugleich, 8-10 Jahre alt, kann er locker werden, begeistert aber bereits jetzt im Glas und mit dem unfassbaren Preis von um die 4,90 € für die Flasche.

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Unter der Pergola haben Christelle und Valérie uns einen Tisch bereitet und tragen groß auf! Los geht es mit Speckkuchen, dazu den gekühlten, hauseigenen Rose-Wein der mit einem Hauch Erdbeersirup und Orangensaft zum eleganten Aperitif wird-Rezept klau ich! Eine Tarte Maison au Jambon wird aufgetragen, die macht der Nachbar. Dazu krachend knuspriges Baguette, Weintrauben, Feigen und Walnüsse.

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Der nächste Gang, gefüllter Gänsehals mit eingemachtem Spargel aus Blaye und Vinaigrette. Und dann Käse aus der Region, wir schwelgen, üppig wird Wein nachgegossen. Ein Teenager schlurft ins Bild, den Blick starr aufs Handy gerichtet, im Jay-Z T-Shirt mit Skateboard, ist wohl überall gleich. Schulterzucken und ein liebevoller Blick, dann erzählen Christelle und Valérie von der Arbeitsteilung, beide haben Kinder, Christelle ist für den Weinanbau zuständig, Valérie für die Arbeit im Keller und die Bücher. Die Zusammenarbeit läuft erfolgreich, in guten wie in schlechten Zeiten, das haben die Cousinen sich anfangs geschworen, daran halten sie sich. Und wie wurde das so aufgenommen, unter den Winzerkollegen, der zwei Frauen-Betrieb? Unproblematisch sei das gewesen, schwierig sei es eher immer mit den Journalisten! Kichernd erzählen die beiden von den Fotowünschen der Magazin-Fotografen und zeigen Beispielbilder: die Cousinen im Baum hängend, neckisch durch Reben zwinkernd, auf Steinmäuerchen posierend. Wer die anpackenden, fröhlichen, straighten Ladys kennt, muss mitlachen, Tränen.

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Zum Kaffee im Garten gibt’s noch lebkuchenwürziges Pain d’épices, auch der Rote schmeckt nochmals großartig dazu. Wir sind dankbar und ja, beseelt, an diesem sonnigen Nachmittag in Saint Martin de Lerm. Christelle und Valérie Gonthier haben gerne Gäste und sind zu Recht stolz auf ihre Weine. Mit dem Château Haut de Lerm sind die beiden auch bei Bienvenue à la Ferme (Willkommen auf dem Bauernhof) gelistet. Wenn Sie im Bordeaux unterwegs sind, sollten Sie die Weine und die beiden Weinmacherinnen von Château Haute de Lerm unbedingt kennen lernen!

tbc.

HIer entlang zum ersten Teil: Unterwegs im Bordelaise (1): Bordeaux

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