Das Produkt ist der Star- ein Abend in Tim Mälzers „Bullerei“

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Es ist der Glaubwürdigkeit geschuldet, gleich zu Anfang darauf aufmerksam zu machen, dass folgende Restaurantbesprechung keine gewohnt neutrale Kritik sein kann. Tim Mälzer und ich kennen uns nämlich schon eine ganze Weile. 2002 suchte eine große TV-Produktionsfirma den „deutschen Jamie Oliver“ und castete Köche (ich ließ mir damals sogar meine bislang raspelkurzen Haare extra wild im Jamie Oliver Style wachsen). Am Ende der Castingwochen waren zwei Köche übrig. Tim und ich. Der Rest ist (TV-) Geschichte.

Auch später kreuzten sich unsere Wege immer wieder mal auf den Fluren von Food-Redaktionen, als Foodsytlist habe ich auch an Tims Bookazine „Neues vom Küchenbullen“ mitgearbeitet, insofern mag die Beschreibung des gestrigen Abends keine der üblichen NutryCulinary-Restaurantkritiken sein. Eine Sonderbehandlung gab es natürlich trotzdem keine, ganz im Gegenteil, der Eintritt ins Restaurant wurde uns zunächst von der Concierge verweigert, ich stünde nicht auf der Reservierungsliste. Seit Jahren drucke ich immer (mega-spießig) die Reservierungsbestätigungen von Hotels und Restaurants aus, endlich einmal lohnte das, die Concierge staunte und führte uns an einen freien Tisch in der Mitte des Raumes.

Eine schöne Location, wir fühlen uns sofort wohl, Gläserklingen, Lachen, Musik, eine entspannte Stimmung. Der Fabrikloft-Charakter vereint vermeintlich Unfertiges mit sehr schönem Design, schwere dicke Holztische, luftige Sofasitze, geradezu verschwenderisch reichlich Platz, angenehme Lichtführung. Später erzählt Tim, er habe hauptsächlich kleinere Tischlerbetrieben und Manufakturen beauftragt um ein entsprechend persönliches und einzigartiges Interieur zu schaffen, die imposanten Kacheln der großen Bar wurden z. B. extra für die Bullerei gebrannt.

Der freundliche Service empfiehlt wärmstens und ich folge: es gibt heute Abend, frisch aus Italien eingetroffen, Burrata eine rare Sonderform des Mozzarella. Der um die 200 g schwere Kuhmilchkäse in Säckchenform hat innen eine sahnig-cremige Konsistenz und wird mit Olivenöl beträufelt auf Salaten mit dicken Scheiben von süßen San Marzano-Tomaten serviert (16 €). Zwei selten Genüße die nur behutsam mit Olivenöl verfeinert wurden, das Produkt ist der Star. Die Liebste isst hausgebeizten Atlantik-Saibling auf Pis en Lit-Salat (10,50 €), tadellos auch die perfekt gebratenen Jacobsmuscheln auf grünem Spargel mit Rhabarber (13,50 €), eine überraschend überzeugenden Kombination. Wir trinken dazu einen schönen Chardonnay von Michael Schneider aus der Pfalz (0,15 für 4, 80 €) der hier als „Bullerei“ Hauswein angeboten wird.

Es sind Kleinigkeiten die angenehm auffallen, so verbleibt zum Beispiel eine Speisekarte den gesamten Abend am Tisch, auch die Rotweine sind (endlich einmal!) gut temperiert und nicht sommerlich warm. Großen Spaß macht auch die Musik, die ebenfalls choreographiert scheint: zu beginn des Abends perlt leise eleganter Jazz und Swing durch die Halle, bereits zum Hauptgang erhöhen sich Lautstärke und Schlagzahl, der Restaurantbesuch wird zur Party, es spielen Johnny Cash, Depeche Mode, Peter Fox, die Foofighters sogar, das könnte zarte Gemüter stören, wir finden das klasse. Musik muss laut oder aus, alles andere hat sie nicht verdient.

Zum Hauptgang spricht wieder das Produkt: perfekt gereiftes Fleisch aus der hauseigenen Reifekammer, die man, zwischen Deli und Restaurant gelegen, durch ein großes Glasfenster bestaunen kann, halbe Tiere hängen da. Das Entrecôte (21 €) meiner Schwiegermutter ist perfekt gegart, ein riesen Stück um die 300 g, die Beilagen dazu kann man selbst auswählen, in diesem Fall leckere, dicke Pommes Frites und Sauce Bernaise (4 €). Die Liebste ist nicht ganz so zufrieden mit ihrem Tatar (18 €), der sehr sauer schmeckt, grob geschnitten ist und sehr viele Kapern enthält. Da könnte ein Besuch der Bar Paris in der Innenstadt inspirierend wirken.

Ich hab richtig Pech mit meinem Ibericoschwein, großartige 350 g, leider sehr roh (21 €). Ich esse die Enden mit Kräutersalat und Petersilien-Pistou (4 €), die mittlere Scheibe lasse ich liegen. Tim kommt vorbei: „Hast Du das so bestellt?“ fragt er. „Nein“, sage ich. „Warum isst Du das dann?“ fragt er. Recht hat er, meine Höflichkeit ist fehl am Platz, Tim verschwindet in der Küche und kehrt später mit einem neuen Hauptgang für mich zurück, der erst in den nächsten Tagen auf die Karte kommen wird, weil das Fleisch: „noch nicht ganz perfekt gereift ist“. Ein butterzart gebratenes Stück Lamm aus Schleswig Holstein, auf konfierten Tomaten mit etwas Jus und Parmesanbrocken, dazu ein Streifen kross gebratener, weißer Speck vom Iberico Schwein aus Barcelona, das Fett schmilzt würzig im Mund.

Er möge hier kein „fine dining“ anbieten, erklärt Tim, eher wünsche er sich den Laden wie ein gute Pizzeria, man geht hin, weil es da unkompliziert was Schönes zu essen gibt, Glas Wein dazu und gut is. Das wünsche auch ich der Bullerei, dass sich das Restaurant genau in diese Richtung entwickelt. Die Konzentration auf seltene Produkte wie z. B. Burrata, die Konzentration auf qualitativ hochwertigste, perfekt gereifte und auch mal seltene Fleischsorten und Zuschnitte gefällt mir sehr, ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Damit wird das Restaurant auch für die Hamburger ein echter Zugewinn und hoffentlich nicht nur ein Hot Spot für Gastro-Touristen die mal den Fernsekoch sehen wollen. Das wäre schade drum.

http://www.bullerei.com/

  1. Ich wünsche Tim alles Beste, aber jetzt muss ich als unverbesserliche adoptierte Italienerin doch mal nörgeln: Burrata aus Kuhmilch? San Marzano aus Piemont? sorry, das geht gar nicht. Oder nicht, wenn man “Produkt” auf die Fahnen geschrieben hat.

    1. Also ich habe hier mehrere Quellen, die sagen Burrata ist immer aus Kuhmilch:

      http://de.wikipedia.org/wiki/Burrata
      http://www.effilee.de/wissen/Burrata.html
      http://lamiacucina.wordpress.com/2007/05/22/burrata-con-pomodori/
      http://www.gourmetclassic.de/lexikon_db/Italien.Burrata-di-Andria.html

      Die Tomaten habe ich tatsächlich falsch zugeordnet, mehrheitlich wird Kampanien als Herkunfstregion angegeben. Mein Fehler. Danke für den Hinweis.

  2. Das klingt ja alles unglaublich lecker, insbesondere das Tartar mit den vielen Kapern *schleck* aber auch der Rest. Ok, bis auf das halbrohe Schwein vielleicht. Ist mir auch schonmal passiert, allerdings in einer weitaus weniger exquisiten Locacion. Und auch ich war zu höflich um zu meckern.
    Ich glaube, ich muss mal einen Tagesausflug nach Hamburch planen und da reservieren. Ohne Reservierung, schätze ich, kann man das vergessen, oder?

  3. Ok, ich kenne burrata nur von bufala (http://it.wikipedia.org/wiki/Burrini_di_bufala), wie Du auch sagst, als eine Sonderform (mit Butter/Sahne gefüllt, daher der Name) von Mozzarella, der im Echt ja nur von Büffel sein kann. Aber gebe zu, dass wohl auch aus Kuhmilch zugelassen ist, das wusste ich nicht (wenn Du den wikipedia Eintrag auf italienisch liest, siehst Du, dass keine Milchsorte angegeben ist – auch andere italienische Quellen geben beides an). Offensichtlich ist in Campanien aus Büffelmilch, wie Mozzarella, weil es auch während der Mozzarella Herstellung gemacht wird; in Apulien aus Kuhmilch. Da ich in Rom lebe, war mir nur die Büffelversion geläufig, in Kombination mit den erwähnten San Marzano Tomaten, die ja auch aus Kampanien sind, war für mich keine andere Version denkbar.

  4. Schade das ich so selten nach Hamburg komme. Nach diesem Bericht hab ich richtig Lust bekommen dort hinzugehen zu essen! Ich finde solche seltenen Produkte total super, freue mich immer wenn mir mal sowas angeboten wird. Danke für den Bericht!

  5. Zimtapfel, gestern sprach ich mit jemandem auf einer Grillparty der erzählte es gäbe jetzt sogar einen Reservierungs-Stop der weit in den August hineinlappt. Ich würde trotzdem einfach mein Glück probieren. Im Deli und auf der Terrasse (mit Grill) geht es auch ohne Reservierung, da ist aber zur Zeit ebenfalls Land unter.

    Danke, hande, für den ausführlichen Nachtrag! Da sieht man mal wieder den Reichtum der Kulinarik und ich freue mich, mal wieder dazu gelernt zu haben, das ist Foodbloggen at its best.

    ami, ich komm dann jetzt erstmal bei Ihnen da unten zum essen, soll ja auch sehr gut sein!

    bauchvoll, ich denke das besondere Produkt wird auch immer wichtiger im Einheitsbrei:-)

    ednett, Sie sind mir auf die Schliche gekommen!

  6. die grossen unterschiede der pasta filata kaese:
    Mozzarella di Bufala campana Dop

    Si ottiene dall’aggiunta del siero acidificato del giorno prima a latte intero di bufala e caglio di vitello. Dopo la coagulazione, la cagliata è ridotta in grumi e lasciata nel siero caldo. La pasta viene poi filata in acqua e mozzata a mano. Zone di produzione: province di Caserta e Salerno, parte delle province di Napoli, Benevento, Frosinone, Latina e Roma.

    Mozzarella di bufala
    Come per quella Dop, è obbligatorio solo latte di bufala. A cambiare sono le aree di produzione
    consentite, estese a tutte le regioni italiane. Diffuse anche le “bufale” prodotte in Lombardia.

    Mozzarella tradizionale
    Non ci sono vincoli nella tipologia del latte, che può essere vaccino, bufalino o misto. Come per la “bufala” non Dop la produzione è consentita in tutte le regioni italiane.

    Vastedda Valle del Belice
    Il nome deriva dal recipiente (vastedda) in cui la pasta filata prende forma schiacciata. È l’unica pasta filata realizzata con latte di pecora. Prodotta a Trapani, Agrigento e Palermo.

    Fiordilatte

    È un formaggio a pasta fresca filata prodotto solo da latte vaccino Oggi la geografia del disciplinare ingloba Basilicata, Calabria, Campania, Puglia, più due province del Lazio: Frosinone e Latina.

    Treccia

    Può essere ottenuta da latte vaccino, bufalino o misto. In tutte e tre le versioni (Dop compresa) la modalità di lavorazione prevede che dopo la filatura il casaro intrecci una lunga stringa di pasta filata.

    Burrata

    Per la più sontuosa delle mozzarelle pugliesi, si modella un foglio di pasta filata a mo’ di sacchetto, riempito con pasta sfilacciata e crema di siero, che regala gusto e consistenza e metà tra panna e burro.

    Stracciata

    La golosa ricetta molisana si realizza rompendo in granelli la cagliata di latte crudo e, una volta raffreddata, filandola in strisce poi ripiegate su se stesse. Dopo qualche giorno, la stracciata diventa spalmabile (tipo stracchino).

    Scamorza

    La “mozzarella passita” foggiana, lavorata anche in Campania, Basilicata, Puglia, Abruzzo e Molise, si differenzia per la maggiore quantità di siero estratto e una breve stagionatura. Si utilizza anche cotta.

    Provola

    La “sorellina” campana della provola viene prodotta e venduta in diverse tipologie, fresca e stagionata, a latte misto o vaccino. Tipica la forma a tronco di cono. L’affumicatura le regala il colore giallo.

    burrata wird auch in norditalien gemacht und ist (dort) natuerlich aus kuhmilch.
    tollen bueffel-mozzarella widerum kauft man ultra-frisch in der naehe von verden an der aller.

    ansonsten ist der von mir eher verschmaehte maelzer mit “„Hast Du das so bestellt?“ fragt er. „Nein“, sage ich. „Warum isst Du das dann?“” ganz oben auf meiner “korrekte gastronomen” liste angekommen.
    danke fuer das review.

  7. Klingt gut, aber wenn man Wochen im voraus reservieren muss, wird es wohl nichts mit der Unkompliziertheit einer guten Pizzeria. (Immerhin kann man reservieren, ich machte erst am Freitag das Vergnügen mit dem Vienna-Prinzip, das Warten hat sich allerdings gelohnt).

  8. Jetzt müsste man nur noch italienisch können, Nina;-)

    Bosch, da ham se recht, eventuell legt sich ja die Anfangseuphorie irgendwann ein bißchen. Freut mich zu hören, dass es im Vienna wieder schmeckt, mir haben da aber auch die langen Wartezeiten schon öfter den Appetit verdorben, gerade wenn man mit mehr als zwei Personen kommt, muss man einen Plan B in der Tasche haben (z. B. das L´incontro um die Ecke)

  9. ok, erwischt – aber auch der unkundige erkennt, das unter “burrata” das wort “bufala” nicht vorkommt.
    locatelli laesst sich ueber 2 seiten zum thema mozzarella und burrata aus, ich zitiere hier nun den entscheidenden part (auf englisch, denn dieses buch gibt es leider nicht auf italienisch): “another beautiful cheese is burrata, which is made in a similar way to mozzarella, but with cow’s milk”
    nun ist er lombarde und in der lombardei habe ich noch keine wasserbueffel gesehn (obwohl die sich in reisfeldern sicher sehr gut machen wuerden).
    aber ich vertraue ihm so weit, das er keine bewussten unwahrheiten verbreitet.
    (ich wuerde allerdings nicht soweit gehn wie nigel slater der behauptet “puts everything else i have on my italian shelf in the shade” – das kann ja nur bedeuten das er zb keinen artusi hat und auch nicht “cucina italiana” von der accademia italiana…)
    wo war ich?
    btw finde ich san marzano tomaten sehr lecker, aber doch als saucentomate, nicht im salat, da waere doch zb ne cuor di bue viel leckerer…
    ich muss mal schnell ein zweites fruehstueck einwerfen, fuerchte ich..

  10. Ein Promi-Koch bleibt Promi-Koch. Auch in seiner neuen Bude. Es wird gut laufen, es wir touristisch bleiben, es zieht viel Möchtegerns aber auch das gehobene Segment …

    Aber gut, wenn wenigstens einer das beobachtet! ;0)

  11. Oh, das hört sich super an! Ich habe gerade für Ende August reserviert und freu mich jetzt quasi doppelt, dass es wirklich gut dort ist – das Essen und die Atmosphäre. Ich hoffe, sie legen die gleiche Musik auf 🙂

  12. Bullerei – das hört sich der Beschreibung nach ein bisschen wie das St. Johns in London an, aber das wäre ja kein schlechtes Vorbild.
    Eine Burrata als Vorspeisehalte ich für magenschliessend und Olivenöl braucht dieser extrem sahnig-buttrige Käse auch keines. Alles sehr nach internationalem Mainstream und “auf Nummer sicher”: Jakobsmuschel, Iberico, Rhabarber . Aber vielleicht entwickelt sich noch eine eigenständige Linie ….

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