„Das ist ja mal so richtig am Gericht vorbei gekocht!“, pflegte Monsieur zu sagen, wenn wir Kochlehrlinge es mal wieder versaut hatten. Zwanzig Jahre später bewege ich mich doch mit einiger Sicherheit in der Küche, richtig schief geht da eigentlich nichts mehr. Die Überraschung, wenn dann doch so Einiges richtig schief geht, ist umso größer. Gestern zum Beispiel. Beim Falafel machen.

Ich prüfe derzeit noch mal alle Rezepte für die App mit meinen besten vegetarischen Rezepten, die im Herbst erscheint. Das Falafel-Rezept machte mir gestern bei Durchsicht großen Appetit, ich erinnerte mich der fluffig lockeren Kichererbsenbällchen vom Fototermin, großartig!

dataFalafel, App-Version, Foto: Günter Beer

Die wollte ich abends für die Liebste und mich zubereiten. Leider hatte ich keine getrockneten Kichererbsen eingeweicht. Leider hatte ich dann eine Idee. Das muss doch auch mit Kichererbsen aus der Dose gehen. Das ist doch ein Ammenmärchen, dass Falafel zwingend nur aus selbst gekochten Kichererbsen herzustellen ist, weil die angeblich mehr Bindung mitbringen, als die Dosenware. Ist doch Quatsch. Dachte ich. Das wird eine zusätzliche, schnelle Variante für die App. Dachte ich. Wider besseren Wissens machte ich mich an die Arbeit.

Es duftete herrlich als ich die ersten Bällchen ins Frittierfett gab, schäumend bräunten die Minifrikadellen im sprudelnden Fett. Dachte ich. Es duftete herrlich. Ich rief der Liebsten zu, die eben Nachhause gekommen war: „Ich mache heute Falafel, die werden der Knaller, vielleicht sollte ich eine Falafel-Bude aufmachen!“ Ja, ich war beschwingt und siegessicher. Welch tiefer Fall! Schon nach wenigen Minuten hatten sich die Bällchen im Fett komplett aufgelöst. „Sieht interessant aus.“, stellte die Liebsten beim Blick über meine Schulter fest.

IMG_7402Falafel, Dosenwaren-Version

Ich also zum Türken an der Ecke, der hat bis 20.00 Uhr auf. Neue Kichererbsen, neue Petersilie, neues Glück. Diesmal verzichtete ich auf die Zugabe von jedweder Flüssigkeit. Probe-Falafel löst sich in Wohlgefallen auf. Gleich halb neun. „Soll ich uns Hähnchen vom Imbiss holen, der macht um Neun Uhr zu?“, schlug die Liebste vor. Ich antwortete nicht.

Wir saßen mittlerweile auf einem Hunger-Ast, der bedenklich knarrte. Schlechte Laune machte sich breit. Und ein ungekannter Trotz beim Koch. Wollenwirdochmalsehen wer hier der Dosenkichererbsen-Falafel-König ist! Ich gab eine ordentlich Husche Mehl zum Brei. Der war danach nur unwesentlich fester, dafür schleimig.
Probeklößchen.
Mist.
„Ich hol dann mal Hähnchen!“
„Nein!“ antwortete ich der Liebsten mit fester Stimme, „ich habs gleich.“

Es half nur noch beherztes Panieren. Ich wendete die wabbeligen Teiglinge in einer Notlösung aus Couscous und Musmehl von der Schwäbischen Alb. Das Frittierfett war unbrauchbar geworden, ich briet jetzt also Bratlinge, die ich nicht mehr Falafel nennen würde, der Zorn der arabischen Welt wäre berechtigt und angebracht.

IMG_7404

Zumindest der Salat sah gut aus, den ich gegen 21.00 Uhr mit gesalzenem Jogurt und den Kichererbsen-Frikadellen auftrug. Sehr knusprig von außen! „Geht doch!“, lobte ich mich selbst nach dem ersten Bissen. Die Liebste schüttelte den Kopf: „Die Dinger geben dem Wort Mehlspeise eine völlig neue Bedeutung.“

  1. Haha, koestlich!
    Und in welch illustrer Gesellschaft du bist:
    Durfte ich doch mal Falafel vom Lafer probieren, die ihm auch erst nach dem 3. Anlauf geglueckt waren.
    „Son Scheiss“, stoehnte er nur, als er sie endlich servierte.

  2. Na, Sie machen mir ja Mut, wo ich doch hier eine Packung Kichererbsenmehl stehen habe, da gehen Falafel angeblich auch ohne Dose oder selbstgekochter Kichererbsen. Ich lass es wohl besser bei der herkömmlichen Methode

  3. Herrliche Geschichte. Fühlte mich an meine Falafel-Aktion vor einigen Jahren erinnert, bei der ich lediglich eingeweichte Kichererbsen pürieren wollte. Dabei rauchte mir der Pürierstab ab. Es stank, der Pürierstab taugt seitdem nur noch für Milchshake. Ich bin aber fast versucht, den Falafeln demnächst noch einmal eine Chance zu geben.

  4. Köstliche Zeilen, die mich an meine eigenen Erfahrung mit Falafeln erinnern. (Das zweite Bild in deinem Bericht vor allem). Ich kochte auch für eine weitere Person und stand unter geringen Druck. Nach dem eher groben Unfall und steigenden Hunger und Missmut servierte ich aus restlichen Dosenkichererbsen nur Humus mit dem selbstgebackenen Fladenbrot.
    Jedenfalls koche ich seit diesem Erlebnis die Kichererbsen (und Fave Bohnen) nicht mehr und weiche diese nur lange ein, püriere diese mit Gewürzen und Kräutern. Noch einige Stunden durchziehen/trocknen lassen. So gelingen Sie ziemlich gut. Jedoch nichts für spontane Gemüter =)

    Grüsse,
    Alex

  5. und der goldene falafel 2011 geht an…..die liebste: für den fantastischen letzten satz!

    ab jetzt müssen sich traditionelle mehlspeisen mit deinen falafeln messen – kein leichter job wies ausschaut 🙂

  6. (Kann. Mich. Nicht. Beherrschen. Muss. Sprachklugscheißen:)
    Wider besseres Wissen.

    ——-

    Danke für das Scheitern an unserer aller Stelle, man muss ja nicht alle Fehler selbst gemacht haben.

    Das Eingangszitat liefert mir endlich den Text, wenn es mir in der Wirtschaft eigentlich nicht geschmeckt hat. Bislang murmelte ich in diesem Fall auf die Frage „Hat’s gepasst?“ lediglich betreten etwas von „Mmnnhmmnaja“. Ab sofort werde ich freundlich antworten: „Nun, vielleicht ein wenig am Gericht vorbeigekocht?“

  7. Ich hatte auch mal ein kombiniertes Problem. Die eingeweichten Kicherebsen ließen sich nicht weich kochen. Irgendwann hing uns der Magen auf Halbmast und wir beschlossen die Erbsen einfach zu pürieren, dabei rauchte natürlich der Pürierstab ab. Die anschließend geformten Bällchen lösten sich fast sofort in dem Fett auf. Zum Essen gab es dann Salat…

    @Ulrike: Ich hab aber schonmal sowas ähnliches wie Falafel mit nem Kichererbsenmehl aus dem Bioladen gemacht. Die wurden wunderbar.

  8. Oha! Das scheint ja ein wahrlich tükisches Gericht zu sein, ich freu mich, nicht allein zu sein im Scheitern, danke für Bekenntnisse und Anregungen!

    Schwieriger als Falafel scheint nur noch die Deutsche Sprache, ich habe mit „wider besseren wissens“ fälschlicherweise die umgangssprachlich gebräuchlichere Form verwand, Sie haben natürlich Recht Kaltmamsell! Dazu ein sehr schöner Leserbrief aus dem Kölner Stadtanzeiger, gefunden auf korrekturen.de:

    „Nachdem sich die Formulierung „wider besseren Wissens“ statt „wider besseres Wissen“ auch bei den Gralshütern der korrekten deutschen Sprache, den Redakteuren der Presseagenturen und Journale, durchgesetzt hat, schlage ich zeitgemäß der Karnevalsgesellschaft Aachen vor, ihren Orden umzutaufen in „Wider des tierischen Ernstes“, falls es – wider Erwartens (?!) – die oben genannten Sprachexperten weiterhin nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass der Duden eindeutig feststellt: die Präposition „wider“ regiert den Akkusativ. Nachdem der Dativ dem Genitiv sein Tod ist, wird die Sache nicht besser, wenn versucht wird, den Genitiv auf Kosten des Akkusativs zu reanimieren.“

    Ich geh jetzt mal Kichererbsen weichen.

  9. Ich komme viel zu selten zum Lesen bei Dir – dabei lohnt das Satz für Satz. Vor allem beim letzten hat’s mich eben fast aus dem Sitz gehoben. Super. 🙂

    Bei sowas scheitere ich übrigens auch gerne, aber ich darf das ja. Auch Knödel bröseln gerne mal auseinander… Ich amüsiere mich immer über diese Missgeschicke. Du hast wahrscheinlich einfach zu wenige! ;-))

  10. Oweh und Gottseidank, der Falafal ist diesseits des Mittelmeeres anscheinend nicht so ohne weiteres beizukommen …

    Meine letzten …GELANGEN. 150 Gäste kloppten sich um fast 400 dieser wunderbaren Bällchen. (Keine Sorge, es gab noch eine große Menge anderer Leckereien. Niemand ging hungrig.) Hier der hoffentliche ermutigende Weg zum Ziel:

    Habe in meinem Fall eine ganze Menge, übrigens zur Abwechslung mal grüner Trockenerbsen nicht eingeweicht, sondern kurz in etwas Brühe gekocht. Erkalten lassen. Gewürzt. Der Pampe (JA! es ist eine Pampe!) eine zusätzliche und vor allem geschmacksneutrale Bindung gegeben mit einigem Kartoffelmehl nach Bauchgefühl. Die fertig gerollten Bällchen noch ruhen lassen lassen (hier: 5 Stunden). Danach ab in die Fritteuse. 3 Minuten später: Falafel vom Feinsten. Auch kalt schmackofatz.

  11. Ich hab mal vor vielen Jahren Falafel aus Dosenkichererbsen gemacht und die sind mir nicht zerfallen. Ich hab grad mal nach dem Rezept gesucht, kanns aber leider nicht mehr finden. Damals war ich zu faul für die Einweichprozedur und wohl auch zu faul um mir Rezepte zu notieren ;-)!

  12. Niemand lernt je aus. Ich hatte vor kurzem Spaghetti im Topf (meine bewährte Marke), die in 5 cm Stücke zerfallen sind, ohne zu weich zu sein. Sahen wie die Nudeln im Halbinternat meiner Kindheit aus.
    Falafel nur aus Kichererbsenmehl wären keine levantinischen Falafel sondern eher indischer Pakorateig. Aber 1, 2 Löffel Kichererbsenmehl hätten genügend Bindung gebracht oder zur Not auch ein Ei.

  13. „Soll ich uns Hähnchen vom Imbiss holen, der macht um Neun Uhr zu?“ – Haha, aber alles halb so schlimm. ein großer Schluck davon vor dem essen und irgendwann schmeckt auch die Mehlspeise

  14. Der gemeinen Dosenkichererbse, in der Dosis 265g Abtropfgewicht, püriert mit Frühlingszwiebel, 1Tl Koriander, Kreuzkümmel und Piment d’Espelette, einem Ei und 2 El Paniermehl, gilt es, noch eine Chance zu geben!!

  15. Hach … und obwohl ich Deine Geschichte schon kannte ist uns Gestern am Ostersonntag das Gleiche passiert. Nur nicht mit Dosenkichererbsen, sondern mit in Wasser eingelegten (24 Stunden und danach 20 Min. gekocht). Wir können uns das nicht erklären – beim letzten Mal hat´s doch so schön geklappt … Das Ostermenü bestand dann aus Butterbroten. War auch lecker … grummel!

    Einen schönen Ostermontag und Grüße aus Berlin
    Ariane

  16. Wie wäre es denn wenn man falafel anfriert im Gefrierfach? Da sollte sich doch aussen eine Kruste gebildet haben bevor sie zerfallen. Habe noch eine Dose da. Kann morgen mal experimentieren. ????

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