Eigentlich wollten wir ja ein Foodmagazin herausgeben, das ganz ohne Rezepte auskommt. Es sollte um Essen gehen, das war klar, aber es sollte sich von den Magazinen, die auf dem Markt waren, deutlich abheben, sollte intellektueller sein, vor allem kulturelle und auch politische Aspekte behandeln.
Als wir noch mit der Konzeption beschäftigt waren, stieß über eine gemeinsame Freundin Peter Lau zu uns, ein Hamburger Vollblutjournalist, der bei der brand eins gewesen war (wo er heute auch wieder ist.) Einer, der wusste, wie man ein Magazin macht. Er war maßgeblich an der Konzeption beteiligt, viele der Formate, die das Heft auch heute, zehn Jahre später noch prägen, hat er sich ausgedacht. Peter teilte meine Einschätzung nicht, er war der Meinung, dass das Heft sehr wohl Rezepte brauchte, und zum Glück setzte er sich durch. Aber es konnten natürlich nicht irgendwelche Rezepte sein, sie mussten einfach sein, alltagstauglich, mit handelsüblichen Zutaten zu kochen und doch dem Anspruch des Hefts gerecht werden. Peter hatte die Idee einer Rubrik mit dem Namen Schnelle Kelle, mir war das zu eintöpfig, so einigten wir uns auf Schneller Teller.
Im November erschien dann das erste Heft, mit den ersten Schnellen Tellern. Fotografiert von Andrea Thode, der war ohnehin gesetzt, aber noch nicht aus der Feder von Stevan Paul. Den kannten wir damals noch gar nicht, jedenfalls nicht persönlich, aber er war einer unserer ersten Leser und Kritiker.
Stevan hatte schon damals einen Blog. Der hieß Dem Herrn Paulsen sein Kiosk und beschäftigte sich mit Musik (Reggae!), Medien, Kultur im Allgemeinen und nur ganz am Rand mit Kulinarik. Und Stevan war recht angetan von dem Magazin, beschrieb fast jede Geschichte der Erstausgabe einzeln und lieferte konstruktive, kompetente Anmerkungen. Eine war allerdings dabei, die mich wurmte, zu einem Schnellen Teller schrieb er: »sehr konventionelle, alltagstaugliche Komposition Maispoularde mit Paprikagemüse und Reis. Der Reis ist aus einer Tasse auf den Teller gestürzt, ich bemerke es mit Grausen. Hab ich was verpasst, kommt das wieder ?« Was mich besonders ärgerte, war, dass ich mir genau das schon bei der Produktion gedacht hatte. Bei Google fand ich heraus, dass Stevan nicht nur Blogger, sondern auch gelernter Koch und Foodstylist war. Und dann dachte ich natürlich »Mach’s doch einfach besser!« und schrieb eine Mail. Es war für uns, unsere Leser und ein bisschen auch für Stevan ein großes Glück, dass er Lust dazu hatte. Kurz darauf saß er bei uns in der Redaktion und wir besprachen die erste Produktion.
Es war eine von den Gelegenheiten, wo man von Anfang an merkt, dass alles passt. Vollprofi, der er ist, schickte Stevan zuerst eine Liste mit Vorschlägen, auf der immer ein paar mehr drauf waren, zum Streichen. Dann kam er mit ein paar Kisten voller Zutaten an, Andrea setzte das Licht und dann wurde gekocht, und fotografiert. Der Laptop war stets aufgeklappt, alle Zutaten wurden genau abgewogen, die Zeit gestoppt, wenn das Foto im Kasten war, war auch das Rezept fast schon druckfertig. Und dann wurde gegessen. Denn über eine Sache waren Stevan und ich uns sofort einig gewesen: Mit den Tricks der Foodstylisten, über die gelegentlich im Fernsehen berichtet wurde, wollten wir nichts zu tun haben. Kein Haarspray für den Glanz, kein Motorenöl als Sirup. Was wir fotografierten, sollte echt sein und schmecken. So war es jedes Mal ein Fest für die ganze Redaktion.
Man kann Stevans Leistung bei den Schnellen Tellern gar nicht hoch genug einschätzen. Er hat das Format von Anfang an zu seinem eigenen gemacht und es als die Spielwiese aufgefasst, die es auch sein sollte. Fast alle Rezepte sind echte Originale, die weit über bloße Abwandlungen des Bewährten hinausgehen. Sie sind einfach zu kochen und leicht zu verstehen und erweitern dennoch den Horizont. In den kleinen Einleitungstexten gelingt es ihm immer wieder, das Gericht in einen größeren kulinarischen Kontext einzuordnen.
Nicht zuletzt (und nicht umsonst) sind die Schnellen Teller auch die Rubrik im Heft, für die die Redaktion kontinuierlich das meiste Feedback bekommt. Vor allem eins, das gar nicht so selbstverständlich ist, wie man bei Rezepten meinen möchte: »Wir haben es gleich nachgekocht !«
Tun Sie das auch, es lohnt sich!
Herzlich, Ihr
Vijay Sapre