Die NutriCulinary Bestenliste 2021: Elf Kochbuch-Neuerscheinungen die sich lohnen!

Die legendäre NutriCulinary Kochbuch-Bestenliste zum Jahresende: ein Blick auf die besten Kochbuch-Neuerscheinungen 2021

Auch in diesem Jahr gibt es die legendäre NutriCulinary Kochbuchbestenliste mit meinem kurzen Rückblick aufs Kochbuchjahr bereits zur Frankfurter Buchmesse und nicht erst zum Jahreswechsel – der neue Platz für den traditionell meistgelesenen Beitrag im Jahreslauf von NutriCulinary, ist bei Euch gut angekommen.

Es war ein gutes Jahr für den Kochbuchmarkt, während der Lockdowns haben sich viele Menschen Inspiration und Rat aus Kochbüchern ins Homeoffice geholt, sich auch selbst was gegönnt. Dennoch hat die Pandemie den Kochbuchmarkt 2021 eingeholt, die Preise für Papier über Pappen und Folien bis Binderleim, Herstellung und Logistik sind dramatisch gestiegen. Beim Altpapier sind es 75% gegenüber dem Vorjahr, Spezialpapiere werden zum Luxusartikel. Lieferzeiten von bis zu 4 Monaten sind zudem keine Seltenheit mehr, das wirkt sich auch auf Vorlaufzeiten und Nachdruckmanagement aus.

So wird das Kochbuch zum nur eingeschränkt kalkulierbaren Produkt. Alle Verlage fahren mittlerweile auf Sicht und agieren maximal vorsichtig, zumal die Preiserhöhungen auf diesem Markt nicht ohne weiteres an die LeserInnen weitergegeben werden können – alles über 20 Euro ist kein Mitnahme-Artikel mehr.

Jetzt könnte man, schelmisch bis ketzerisch, die Hoffnung äußern, der Kochbuchmarkt kämen vielleicht über diese Einschränkungen zur nicht eben neuen Forderung, weniger, dafür qualitativ hochwertigere Bücher zu produzieren. Es hätte ein Ende mit riesigen Verlagsprogrammen, die (auch) zu Minimierung des verlegerischen Risikos gestemmt werden müssen, ein Ende mit der Schwemme an schnellgestrickter Massenware für einen seit Jahren überheizten Markt. Leider, leider, lässt sich das zwar eventuell zurückfahren (und danach sieht es zwangsweise aus), Qualität (über das inhaltliche hinaus) ist aber unter den derzeitigen Voraussetzungen nur mit hohen finanziellen Vorbelastungen umsetzbar.

Umso schöner, dass es auch in diesem Jahr wieder viele Verlage wagten: das besondere, das hochwertige Kochbuch, echte AutorInnen-Bücher, die der kulinarischen Welt etwas Neues hinzufügen, teils ungesehen und opulent, berührend, erhellend.

Dazu hier meinen 10 Lieblings-Kochbücher aus dem Jahr 2021. Wie immer ist die Reihenfolge willkürlich und nicht als Ranking zu verstehen.

Die Gourmet-Bibel Frankreich - absolut alles über die französische Küche, François-Régis Gaudry, Christian Verlag

Das Mille Feuille zur französischen Küche bringt nicht nur rund 3 Kilogramm auf die Waage, es ist ein Füllhorn an Rezepten, Geschichten, Warenkunden, Anregungen, Historie und Persönlichkeiten aus der französischen Küche, humorvoll geschrieben (und von Annika Genning souverän übersetzt!), wissenstief und ein großer Schmökerspaß! So umfassend wie unübersichtlich ist das Werk von Journalist François-Régis Gaudry und seinen knapp 100 MitautorInnen, große Köche (z.B. Bras, Ducasse), Foodjournalisten, Philosophen, Produzenten (jederlei Geschlechts) haben mitgewirkt.

Moment mal. Unübersichtlich? Ja, aber das macht nix, der Band ist eher eine einzige Aufforderung zum Stöbern und Vertiefen – und wenn es doch mal konkret werden soll, hilft das Stichwortverzeichnis. Eine lohnende Anschaffung, auch weil ich es immer wieder zur Hand nehme und nehmen werde.

Zur Verlagsseite des Buches

Der ganze Fisch - Rezepte von der Flosse bis zur Kieme, Josh Niland, Prestel

Wenn wir noch weiter Fisch genießen wollen, sollten wir u.a. dem Naturprodukt genau jene Aufmerksamkeit zukommen lassen, die denkende KulinarikerInnen seit vielen Jahren schon dem Fleisch (nose to tail) und dem Gemüse (leaf to root) zukommen lassen.

Josh Niland ist Besitzer und Koch des Fischrestaurants Saint Peter und der ersten nachhaltigen Fischmetzgerei Australiens. Im Buch zeigt er nicht nur wie buchstäblich der ganze Fisch verarbeitet werden kann, es geht auch um Reifung (Dry Aging) und Haltbarmachung. Klingt jetzt erstmal wie für Fortgeschrittene only – Nilands Rezepte und Aromenkombinationen sind aber bestens auch geeignet, die heimische Fischküche auf das nächste Level zu heben.

Übrigens: auch in Deutschland gehen junge Fischer und Fischhändler neue Wege, wie z.B. Pionier Michael Wickert von Glut & Späne, Fischhändler und Dry Ager Sebastian Baier, nicht zuletzt Lars Bäumer und Andreas Reinhardt von Frisch gefischt.

Zur Verlagsseite des Buches

Vegetarisch Gemüse - neu entdeckt, Stefanie Hiekmann, EMF

Kochen ist lebenslanges Lernen und ich merk an mir selbst: am allermeisten lerne ich seit ein paar Jahren von vegetarischen KöchInnen. Plant based ist immer noch Neuland und Experimentierfeld, gerade im fine dining, in der Hochküche. Die Erkenntnisse von dort bereichern und beeinflussen aber auch das eigene Kochen zuhause.

Die Food Journalistin und Kochbuchautorin Stefanie Hiekmann hat das früh zum Prinzip ihrer Kochbücher erhoben, ist immer nah dran an den innovativsten KöchInnen unserer Republik – mit diesem Buch legt sie selbst ein Meisterstück vor. Grandios wer hier alles Auskunft gibt zur neuen Gemüseküche, der Reigen der BeiträgerInnen ist hochkarätig: von plant based Pionier Paul Ivić über Cornelia Poletto, Tim Raue, Nils Henkel, Viktoria Fuchs, Thomas Bühner, Max Strohe, Yannick Stockhausen …um nur einige zu nennen – das Fachpersonal dieses Buches beeindruckt. Und auf jeder einzelnen Seite lernen wir über Interviews und Rezepte viel über Kochtechniken, Aromabildung, Geschmack und Wumms in der modernen Gemüseküche. Bäm!

Zur Verlagsseite des Buches

Today´s Special - 20 Leading Chefs choose 100 Emerging Chefs, Emily Takoudes, Phaidon

Noch mehr Inspirationen von großen KöchInnen – da hilft dieses Wahnsinnsprojekt aus dem Hause Phaidon – 20 renommierte Küchenchefs aus aller Welt empfehlen insgesamt 100 junge Talente, die sich mit charakteristischen Signature Dishes vorstellen.

Ein einzigartiger Blick in die kulinarische Welt von heute und morgen, ein  Schaulauf junger Kreativität rund um den Globus- und eine einzigartige Schatzkammer an beflügelnden Inspirationen für Profis und ambitionierte Laien.

Die kürzeste Empfehlung in diesem Jahr ist zugleich mein persönliches Kochbuch des Jahres. Ganz großartig.

Zur Verlagsseite des Buches

Dumplings für alle, Hugh Amano, Sarah Becan, Kunstmann

Irre ich, oder sind eventuell Dumplings und Teigtäschchen aus aller Welt das nächste große Ding? Zumindest war während der Pandemie scheinbar viel Zeit für Bastelarbeiten, weiß Instagram. Und was ich sicher weiß: zu diesem Trend wird es ganz sicher kein Kochbuch von mir selbst geben, ich bin schlicht zu ungeduldig.

Was ich aber auch noch weiß: Foodautor und Koch Hugh Amano und die Illustratorin Sarah Becan begeisterten mich schon mit ihrem Band zu Ramen, die fundierte Wissensvermittlung im Comic-Style funktioniert wie die Rezepte selbst (sorgfältig übersetzt von Ulirke Becker). Alles wird from scratch erklärt, Grundlagen mit Grundrezepten geschaffen, dann geht alles leicht von der Hand. Vielleicht mache ich mich doch mal ein paar Faltarbeiten – das Buch macht definitiv Lust darauf!

Zur Verlagsseite des Buches

Was bleibt, Eckart Witzigmann, Pantauro

Herzlichen Glückwunsch Eckart Witzigmann zum 80. Geburtstag! Es ist an dieser Stelle nicht die Aufgabe, Leben und Werk des Jahrhundertkochs zu vertiefen, nur so viel: ich freue mich dass ich Witzigmann mehrfach begegnen durfte, diesem Pionier der gehobenen Kulinarik in Deutschland und ich freue mich über dieses Geburtstagsgeschenk für alle, die sich in sein Werk und Wirken vertiefen wollen.

Der erste der beiden opulenten Bücher im edlen Schuber heißt „Meine Vision“ und ist ein reich bebilderter Spaziergang durch das Leben und die Philosophie Eckart Witzigmanns. Das ist alles kaum zu (er-)fassen, hier ist (auch) die Geschichte der gehobenen Esskultur in Deutschland in Bilden und Worten festgehalten, die Fotos alleine sind eine Schatzkiste, ein who is who des Aufbruchs, die Texte führen leseleicht durch die Pionierzeit. Ich bin noch kaum richtig eingetaucht und freue mich schon jetzt auf lange Winterabende.

Mit dem zweite Band „Mein Werk“ gelingt Autor und Verlag ein Geniestreich: Schüler und Weggefährten von Eckart Witzigmann, viele selbst längst Legenden der modernen Küche, setzen die Signature-Dishes des Meisters zweifach um: einmal nahe am Original und einmal in einer eigenen Interpretation, umsichtig ins Heute überführt. Das ist meisterlich, wie hier das Erbe gewürdigt und neu gedacht wird – das ist wovon Kulinarik lebt, nicht von der Erstarrung sondern von der Weiterentwicklung!

Und wer da alles kocht und gemeinsame Anekdoten beisteuert: Marc Haeberlin, Claude Torisgros, Hans Haas, Norbert Niederkofler, Thomas Martin, Roland Trettl und natürlich die drei großen W: Heinz Winkler, Hans-Peter Wodarz und Harald Wohlfahrt – um nur ein paar der großen Köche über zwei Generationen zu nennen, die Witzigmann hier huldigen. Die Teller sind elegant in Szene gesetzt von Photograph Helge Kirchberger.

Ein würdiges Werk, in jeder Hinsicht.

Zur Verlagsseite des Buches

Bali, Essen mit den Göttern, Vivi D’Angelo, Antje de Vries, südwest Verlag

Neben der Geschichte, den Innovationen und Entwicklungen, ist es vor allem auch das Unbekannte, dass unseren kulinarischen Horizont weit macht. Und ich gebe zu, ich hatte nicht mal den Hauch einer Ahnung, was das so köchelt, auf Bali.

Fotografin Vivi D’Angelo und die Köchin, Ernährungsökonomin und Gastroberaterin Antje de Vries haben zusammen ein reiches und buntes Buch zur ebenso facettenreichen balinesischen Küche geschrieben. Der opulente Band ist mehr Reisebuch als Kochbuch, eine umsichtige Annährung an die kulinarische Kultur der „Insel der Götter“, die untrennbar verbunden ist mit Zeremonien, Gemeinschaft, Familie, Riten und Religion. Das liest sich nicht nur spannend und unterhaltsam, das Buch ist geprägt auch von der nahen Reportage-Photographie Vivi D’Angelos, die für diese Arbeit zurecht bereits beim internationalen Food-Photofestival 2019 in Vejle mit einer Medaille ausgezeichnet wurde.

Im Rezeptteil erfreuen neue Würzungen und Aromenkombinationen in der gesunden, leichten und mitunter feurigen Küche Balis – eine echte Bereicherung sind die vielen Gewürzmischungen im Buch, Sambals und Bumbu – der süßscharf-würzigkühle Fruchtsalat Rujak Gula, den ich auf der Buchpremiere probieren durfte, war ein Erweckungserlebnis und ist als so einfacher wie überraschender Einstieg ins Thema zu empfehlen.

Zur Verlagsseite des Buches

Meine italienische Reise – im Fiat 500 von Sizilien nach Hamburg, Marco Maurer, Prestel

Und überhaupt wird eigentlich viel zu wenig geschrieben über das Reisen und Kochen, dabei hat doch, wer reist auch was zu erzählen. Eine längere und ganz reale Autofahrt hat der mehrfach preisgekrönte Reporter Marco Maurer hinter sich. Am Ende eines langen Sommers auf Sizilien, ersteht er vor Ort einen Fiat 500 Baujahr 1968, una macchina nata male auch noch! Mit dem fährt er Heim. Nach Hamburg. Gut, dass er über die folgende, wundervolle lange Reise in das Herzen Italiens und die Herzen der Italiener ein freundlich-vergnügliches Buch geschrieben hat, das sich weglesen lässt, wie Pasta con Ovolo.

Überall hat er angehalten, immer neugierig Menschen kennengelernt, mit den Leuten gekocht. 25 Rezepte hat er notiert. Der andere Glückfall an diesem Glücksfall von kulinarischer Reiselektüre, ist der Umstand, dass auch der Fotograf, Autor und Filmemacher, Pulitzer-Preisträger Daniel Etter mit dabei war und fotografiert hat: Bilder aus dem Leben, vom Essen, Trinken und Reisen, Bilder von seltener Nähe und Intimität.

Zur Verlagsseite des Buches

Das neue Hamburg Kochbuch, Thomas Sampl & Jens Mecklenburg, KJM

Der Preis für das beste Regionale Kochbuch bleibt in diesem Jahr in Hamburg und geht an ein Autoren-Team, welches nicht besser hätte passen können, für eine moderne Annährung an die traditionsreiche Hamburger Küche – für mich eine der unterschätztesten Küchen der Republik!

Das dürfte sich mit diesem Buch ändern: Thomas Sampl, Chefkoch und Betreiber des norddeutsch geprägten Schlaraffenlands Hobenköök kocht die Klassiker hier klar und modern auf, hochappetitlich fotografiert von der Hamburger Fotografin und Graphikdesignerin Darja Schneider.

Und es ist ein Glücksfall, das Foodjournalist Jens Mecklenburg für dieses Buch als Autor verantwortlich zeichnet, ein profunder Kenner der Norddeutschen Küche und ein Förderer der Weiterentwicklung regionaler Genusskultur. Leseleicht und fundiert  skizziert er die kulinarische Geschichte der Hansestadt, die traditionelle und die moderne Hamburger Esskultur. Es ist diesem Buch zu wünschen, dass es auch ein touristischer Verkaufsschlager wird – diese Küche muss in die Welt!

Zur Verlagsseite des Buches

HEAD FULL OF HERBS - clean eating neu interpretiert, Sarah Hartel & Chiara Offermann, Tre Torri

Sagen wirs mal so. Ich bin für das folgende Buch nicht unbedingt die Kernzielgruppe, eventuell hätte ich das Buch darum auch im Buchhandel übersehen. Dann habe ich eine der beiden Autorinnen kennen gelernt: Sarah Hartel. Sarah Hartel ist verantwortlich für den social media Bereich im foodlab.hamburg und unterstützte uns ebendort auch bei der Produktion meines neuen Kochbuches simple & clever cooking. Eher im Nebensatz erzählte sie, selbst auch schon ein Kochbuch geschrieben zu haben und als ich da dann hineinschaute war ich baff. Grandios.

Das muss man sich mal vorstellen: zwei junge Frauen, studierende Freundinnen und leidenschaftliche Hobby-Köchinnen, überlegen gemeinsam ein Kochbuch zu schreiben über das, was sie selbst begeistert: eine gesunde leichte und abwechslungsreiche Küche auf Basis natürlicher Produkte.

Mit learning bei doing und erstaunlich auf den Punkt entstand so ein umfassendes Buch zum Thema, mit ansprechender, moderner und kreativer Fotografie und unfassbaren 140 (!) luftig-leichten Rezepten, die man allesamt sofort probieren möchte!

Unprätentiös, lässig und mit großer Beiläufigkeit sind Themen wie clean eating, free from und zuckerfrei einfach ganz natürlich in der DNA des Buches verankert. Es ist dem Tre Torri Verlag zu gratulieren, zu diesem Buch, zu diesem AutorInnen-Team.

Zur Verlagsseite des Buches

Offenlegung und Bonus-Empfehlung

Rund ums Jahr und insbesondere zum Jahresausklang halte ich gerne die guten Bücher der Kolleginnen hoch, ich habe da, auch als Kochbuchautor, keinerlei Konkurrenzdenken – gute Kochbücher gehören in die Welt!

Die allermeisten Kochbücher kaufe ich zudem selbst, tatsächlich reagiere ich sogar auf unverlangt zugesendete Kochbücher und bitte die Verlage, das nicht zu tun, einfach auch, weil ich da nicht in eine Bringschuld kommen möchte.

Es sei mir aber an dieser Stelle und auch in diesem Jahr wieder der Hinweis auf mein eigenes neues Buch erlaubt:

Stevan Paul … zeigt mit seinem neuen Einsteiger-Kochbuch beispielhaft, wie innovativ, anregend und positiv in der Ausstrahlung man ein Kochbuch schreiben kann. Die Rezepte sind von genialer Schlichtheit, der Erkenntnisgewinn auf jeder Seite groß.

Kaisergranat.com

Das ist das Konzept: den Zauber des Einfachen enthüllen, dem puren Geschmack wieder Wertigkeit verleihen und ihn eben nicht mit einem Overkill an Aromen zu ersticken. Simple, das ist das eine, clever das andere. Das eine ist die Grundlage, das andere das Extra, das dem Gericht einen zusätzlichen Kick verschafft. Zusammen bilden diese beiden Elemente das Rückgrat des Buches.

stern.de

Was das Buch aber zu einer genialen Wissensquelle macht, sind die Tricks des Profis. Er erklärt nicht nur, wie man es knuspern und knacken lässt, Geschmacksspitzen und Kontraste steuern kann oder ein beglückendes Mundgefühl erzeugt. Sondern er bastelt wahre Aroma-Knaller…

Badische Zeitung

Weitere Beiträge
Open Mouth: alle Infos zum neuen Foodfestival für Hamburg – und ein erstes Save the Date!