Das TIAN für zuhause – Menüabend mit dem vegetarischen Sternekoch Paul Ivić

Anlässlich der Eröffnung seines "TIAN zuhause" - Shops lud Pau Ivić per Box zum Menü

Foto: Ingo Pertramer

Eine der wenigen erfreulichen Entwicklungen während des Gastro-Lockdowns, war der Umstand, dass hier und da große KöchInnen und Restaurants zum Zoom-Talk luden und/oder Boxen verschickten. Gleich zweimal war z.B. René Redzepi auf meinem Heimcomputer zugeschaltet, um über die kulinarische Entwicklung in Skandinavien zu sprechen. Unvergesslich auch das vergnügliche Live-Kochen mit Wolfgang Puck aus Los Angeles (“I said: more oil!“).

Zweimal hatte ich auch (mit anderen Interessierten) die Möglichkeit live und direkt mit Paul Ivić zu kochen, zu sprechen. Der vegetarische Vordenker Ivić gehört international zur Speerspitze einer neuen Generation von KöchInnen, die vegetarische Küche wirklich neu und kompromisslos weiterdenken, und dabei Ökologie gleich mitdenken: „Als Gastgeber bringen wir nicht nur Genuss, Qualität und Schönheit auf den Teller, sondern nehmen auch unsere gesellschaftliche Verantwortung wahr.“, sagt Sternekoch Paul Ivić, der mit der in seinen TIAN Restaurant in Wien und München, sowie dem TIAN Bistro in Wien ausschließlich vegetarisch kocht. Seit 2014 hält er einen Stern in seinem Restaurant TIAN in Wien, seit 2019 leuchtet auch über dem TIAN in München ein Stern.

Im Lockdown neu gestaltet: das Tian in Wien – Foto: Ingo Pertramer

Ivić gehört zu jenen Köchen, von denen ich immer wieder (hier) und gerne (hier) neu lerne, wie überhaupt die Beschäftigung mit der rein pflanzlichen Küche ganz allgemein die Sinne schärft für Aromen und Techniken, abseits von Fleisch und Fisch, die oft ihrer selbst genügen. Manchmal braucht das Zeit, die besten Produkte und ein immenses Wissen – schön dass es jetzt ein bißchen Paul Ivić auch für zuhause gibt.

Anlässlich der Eröffnung seines TIAN zuhause Shops lud Pau Ivić per Zoom zum Probier-Menü. Bereits das Unboxing ein Vergnügen!

Der Wein zum Abend von einem anderen Meister: Christian Tschida aus Illmitz im Burgenland macht seit Jahren kompromisslos grandiose Charakterweine, natürlich und eigen. Jedesmal muss man sich entscheiden: saufen oder meditieren? Den Birdscape, eine rare limitierte Kostbarkeit feiere ich an diesem Abend und danke für diesen Gruß und das Geschenk von TIAN Chef-Sommelier André Drechsel, merci!

Los geht’s aber mit einem Rhabarber-Knöterich-Shrub aus dem Tian, im Stielglas mit eiskaltem Mineralwasser aufgefüllt. Alles da, Frucht, Herbe, grüne Töne – ja, da bräucht man jetzt echt keinen Alkohol mehr –  wenn nicht der Tschida rumstünde!

Im Töpfchen wärmt derweil die legendäre Stohsuppe aus Österreich, einst ein arme Leute-Essen, beinahe vergessen, heute eine Kostbarkeit. Kartoffeln, Sauermilch und Kümmel sind die Hauptzutaten für das samtige Vergnügen, serviert mit wachsweichem Wachtelei und Wiesenkräutern.

Ivić selbst isst gerne Fleisch und eines seiner Signature-Dishes aus dem TIAN Bistro, dass auch Real Omnivores begeistern dürfte, steht dankenswerterweise an diesem Abend in meiner Küche, in Hamburg: der TIAN Tatar besteht aus nicht weniger als über 20 Zutaten, ein wirkliches Umami-Bömbchen von fleischiger Cremigkeit und Biss. „Rote Rüben.“, murmelt Paul Ivic auf Nachfrage, eventuell hat er auch noch „Pilze“ gesagt. Den Tatar gibt’s nicht im Shop, da müsst ihr hin!

Der Hauptgang ist eine Österreich-Bayerische Spezialität. Das Beuschel oder Beuscherl ist klassisch ein Ragout aus fein geschnittenen Innereien, aus Herz, Milz, Lunge und Zunge. Im Original komplex, cremig, tiefwürzig, dazu die Konsistenzen der verschiedenen Innereien, zu Recht ein ewiger Klassiker. Zauberkünstler Ivić übersetzt das Ganze mal schnell für die grüne Küche (mit Kräuterseitlingen, Rüben und Gemüse-Julienne), in einer Qualität und Güte, wie ich noch kein Beusche(r)l aß.

Das Rezept, und auch das Rezept für die luftigen Serviettenknödel findet sich in Paul Ivićs neuem Kochbuch Restlos glücklich. Ein grandioses Kochbuch zur vegan-vegetarischen Küche, niemals belehrend und immer auf den Punkt erzählt er in kurzen, inspirierenden Texten von Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Saisonalität. Er erklärt sein Bestreben und die Möglichkeiten, die Welt auf kulinarischem Weg zu verbessern.

Das ist pointiert, erhellend und ganz ohne Blabla geschrieben. Die Rezepte dürften dazu noch Laien wie gestandene Köche interessieren: barrierefrei umsetzbar, oft kurz und „einfach“ – die Raffinesse zeigt sich im Detail, den Würzungen und Techniken. Das Buch ist im Brandstätter Verlag erschienen, der auch viele meiner Kochbücher verlegt, ich empfehle es trotzdem guten Herzens!

Foto: Ingo Pertramer

Den Schokoladenkuchen im Glas mit Roter Beete, Rhabarber und Himbeeren genieße ich anderntags (und vergessen darüber das Fotografieren, hier eine  traumschöne Restaurantversion!) – mein Finale an diesem Abend sind diese süßen Kiesel unten, jede Einzelne entfaltet eine Welt an Aromen, fordert Konzentration die zu vielen kleinen, intensive Genuss-Erlebnissen führt.

Ich danke Paul Ivić und Team, sowie der ausführenden Agentur Die Schneiderei, für die Einladung und diesen schönen Genussabend.

Der letzte Schluck vom Tschida: auf Euch! Auf den Neustart, auf das Wiedersehen, in Wien und wo auch immer!

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