„Und alle können sich darauf verlassen, dass die Lebensmittelversorgung jederzeit gesichert ist, und wenn Regale einen Tag mal leergeräumt sind, so werden sie nachgefüllt. Jedem, der in den Supermärkten unterwegs ist, möchte ich sagen: Vorratshaltung ist sinnvoll, war es im Übrigen immer schon. Aber mit Maß; Hamstern, als würde es nie wieder etwas geben, ist sinnlos und letztlich vollkommen unsolidarisch.“
Angela Merkel, 18. März 2020
Selbst bei flüchtiger Betrachtung der leeren Supermarktregale, die derzeit wegen der Blitz-Hamsterkäufe erst mühsam wieder aufgefüllt werden müssen, fallen zwei Dinge auf: viele Menschen haben im hektischen Aktionismus vergessen, die wichtigste Zutat überhaupt einzukaufen: guten Geschmack!
Verkaufsschlage waren Nudeln (und Tomatensaucen), Mehl, dazu Brot(e), Milch und Müsli. Was man halt so braucht, im Kindergarten. Gut lief es auch bei den Tiefkühl-Fertigessen und der Dosenware. Dazu eine unfassbare Unmengen an Hefe. Dazu später.
Nun ist ja der Einkauf von Lebensmitteln eine ganz und gar individuelle Angelegenheit, Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse, leben in unterschiedlichen Lebenssituationen. Insofern seien die folgenden zehn Tipps für eine kulinarische Bevorratung eher als Plädoyer für Geschmack und Genuss in Notzeiten verstanden, gerade in der Krise soll und darf es schmecken und das kostet nicht den Weltuntergang und es geht ganz leicht, gerade auch in Kombination mit den schon erstandenen Vorräten.
1. Palim, palim, eine Flasche Umami bitte!
Disco, Disco Parmesani: den ersten und einzigen Hamsterkauf den ich unmittelbar nach der Corona-Krisenzuspitzung tätigte war: ein großes Stück Parmesan. Hält ewig und damit schmeckt alles besser, Nudeln, Reis, Hülsenfrüchte, Gemüse – dazu noch ein gutes Olivenöl und Knoblauch und sie sind bereit für die Zombie-Apokalypse!
Echte Umami-Bomben und natürliche Geschmacksverstärker mit ewiger Haltbarkeit sind auch getrocknete Pilze, Kapern, Sardellen (Anchovis), Tomatenmark und ausgefallene Sachen wie Kombu-Algen und Bonito-Flocken – da ist je nach Kochwissensstand für alle was dabei. Schnelles Umami gibt’s auch aus der Flasche z.B. von Tomami. Ich entwickle hin und wieder Rezept für die Tomami-Crew (wie z.B. diese sensationelle Hummus-Cremesuppe!) und ich muss (unbezahlte Empfehlung!) wirklich sagen: einfach geht’s nicht.
2. Asia-Geschmacksböller - auch für deutsche Hausmannskost!
Oder aber auch Fischsauce, tröpfchenweise Geschmacksexplosionen. Die vielseitige Fischsauce (hier mein Vietnam-Reisebericht mit vielen Infos rund um die gute Red Boat Fischsauce) führt direkt in den nächsten Asialaden oder den (Bio-) Supermarkt: hier (oder online) finden sich die allerschönsten Geschmacksbomben, von der Soja- oder Chilisauce über Teriyaki-Sauce bis hin zu Wunderpaste Miso (die im Tiefkühler sogar streichzart portionierbar bleibt, klingt komisch, ist aber so.)
Was sich noch kaum durchgesetzt hat und mich staunen lässt: all die asiatischen Aromen-Wunder finden noch kaum Verwendung in der deutschen oder der europäischen Küche, dabei ist das die einfachste Art, interessant und komplex zu würzen: probier mal einen Linseneintopf mit ein zwei Spritzern Fischsauce – da schmeckt nix vor, das ganze Ding schmeckt plötzlich einfach wesentlich runder und besser. Ein Gulasch mit süßer Chilisauce gerundet und geschärft, ist einfach Bäm! Jede Brühe wird besser mit einem Spritzer Sojasauce, gute Sojasauce verleiht jeder dunklen Sauce Flügel.
Und dann wären da noch meine berühmten Miso-Spaghetti aus meinem Japan-Kochbuch:
Für 2. Personen: 250-300 g Spaghetti nach Packungsanweisung kochen. In einem zweiten Topf oder eine Pfanne 50 g Butter schmelzen, 30-40 g Miso mit einem Schneebesen einrühren. 100 ml vom Nudelkochwasser zugeben und unter Rühren cremig aufkochen. Vom Herd ziehen. Die abgesiebten Nudeln tropfnass mit der Miso-Butter mischen und optional mit geröstetem Sesam bestreut, sofort servieren.
3. Asialaden II - Glitzi: Tiefkühlkost!
Wer in der großen Stadt wohnt und einen Asialaden besuchen kann, hat vielleicht bis jetzt einfach den Tiefkühler ganz hinten links übersehen! Darin finden sich nämlich die richtig spannenden TK-Waren – wer braucht denn Pizza und Fischstäbchen, wenn er Gemüse-Dumplings, Garnelen-Wan Tans und Shiitake-Gyoza haben kann. Die kleinen gefüllten Teigkunstwerke lassen sich dämpfen, kurz kochen oder sogar frittieren, die Saucen dazu sind ja eh im Haus, Reis dazu – läuft, alle Happy, sogar die Kinder!
4. Pimp my Dosenware
So, nun aber zurück zu deutschen Realitäten: Dosen liefen diese Woche ganz ausgezeichnet in den Supermärkten und wir haben gemeinsam das Klischee erfüllt – Sauerkraut war zuerst weg! Das ist prima, weil lecker und gesund. Überhaupt sind Dosen und Glasware nicht generell verwerflich sondern oft genug eine prima Abkürzung in der Küche, gerade was Hülsenfrüchte angeht – und nicht jeder fühlt sich zum Fermentations-Künstler berufen – in meinem Edeka um die Ecke findet sich sogar ein ganz passables Kimchi aus der Dose!
Wer dieser Tage vor Schreck aus Versehen auch zu Dosen mit „Traditionsgerichten“ wie Linseneintopf, Erbsensuppe und Kartoffel-Mumpe gegriffen hat, muss nicht traurig sein! Beim Dosen pimpen gilt die Formel:
Salz, Säure, Schärfe + (frische) Zutat nach Marktlage =schmeckt ja doch
Salzig genug sind die Dosengerichte in der Regel, ein Spritzer Sojasauce, ein tropfen Fischsauce wirken dennoch wunder. Das dumpf-mumpfige mancher Dosengerichten verschwindet mit Hilfe eines Spritzers Weißweinessig (Balsamico an Linsen!) oder einem Spritzer Zitrone. Dosengerichte lieben zudme Schärfe, ein bisschen Pfeffer, Chili, Pulbiber, Sriracha-Sauce oder gar Piment D’Espelette, beleben erst die Dosengerichte, dann den Gaumen. Frische Kräuter helfen, aber auch Röstwziebeln, Kerne oder geröstete Nüsse als Topping, ein bißchen Parmesan oder Fetabrösel…
5. Lass den Profi ran!
Kurzer Zwischenruf: es gibt ja noch die Profis! Viele Restaurants kochen jetzt noch ihre Kühlhäuser leer, bieten portionierte Speisen zum Fertigkochen und für außer Haus. Hört Euch um, schaut auf Facebook! Wenn dass dann irgendwann eingestellt werden sollte/müsste – unterstütze die Gastronomie mit Gutscheinkäufen für spätere Besuche und unterschreibe die kluge Petition mit Forderungen und Lösungen der Gastronomie, eine Initiative der Hamburger Restaurantbetreiber die jetzt auf Bundesebene gehoben werden soll:
https://www.change.org/p/bundesregierung-covid-19-finanzielle-soforthilfe-gastronomien-und-hotels
6. Power-Food Ei
So, jetzt mal wieder ernsthaft und die Veganer hören kurz weg: Eier sind echtes Powerfood, viel Vitamine, viel Eiweiß, nahrhaft und mit viel Geschmack – der steckt vor allem im Eigelb!
Eier eignen sich super für die Bevorratungsküche! Das lernte ich vergangenen Sommer bei der Begegnung mit freilebenden Hühnern in Frankreich, zuvor war ich, wie die allermeisten Köche Salmonellen-Phobiker.
Ich lernte in Frankreich, dass ein frisches Ei erst nach 2-3 Tagen überhaupt schmeckt, dass es dann bis zu drei Wochen haltbar ist – und zwar eben nicht im Kühlschrank, wo der natürliche Mikro-Schutz der Eierschale leidet – nein, draußen, in der Küche.
Eier dazu immer aus der Eierpappe nehmen und im Eierhalter lagern, die Ei-Spitzen zeigen (wie im Karton auch) dabei nach unten. Eierpappen im Hausmüll entsorgen, sie können für Keime und Bakterien empfänglich sein und sollten nicht wiederverwendet werden!
7. Der große Hefe- Ausverkauf - Brotback-Experte Lutz Geisler erklärt den Unsinn
Dieses traumschöne Brot hat Sebastian Marquardt gebacken, Herausgeber des Brot Magazin – nicht nur während schlechter Zeiten lassen sich alle Ausgaben des Magazins auch einzeln online kaufen und lesen!
Ähnlich lange wie Hühnereier halten auch Hefewürfel aus dem Supermarkt, insofern sie Originalverpackt kalt lagern. Hefewürfel waren das Top-Produkt unter den Hamsterkäufern. Hefewürfel sind momentan aber sowas von ausverkauft.
Und das ist ärgerlich, denn das nimmt vielen Menschen die Möglichkeit, zu backen, derweil das Gros der Hamsterkäufer*innen die Unmengen Hefen nicht wirklich brauchen werden. Hefe wirkt in Kleinstmengen, gerade wenn, z.B. wie jetzt, auch reichlich Zeit für eine längere Teig-Reife ist.
Ich war mir allerdings nicht ganz sicher, ob meine steife Behauptung auch gänzlich der Wahrheit entspricht. Drum habe ich Lutz Geißler angefunkt, Autor zahlreicher und ausgezeichneter Brot-Backbücher und der bestätigte mir:
„Ich verwende in aller Regel auch die ordinäre Supermarkthefe, wenn ich nicht gerade mit Sauerteig backe. Im Extremfall reichen 27 g für alle 70 Rezepte aus meinem Buch Brotbacken in Perfektion mit Hefe. Normalerweise kommen aber 10 g Hefe auf 1 kg Mehl. Mit einem Würfel lassen sich also immerhin 4 kg Mehl verbacken, was 6-8 kg Brot entspricht. Die Hefe sollte möglichst kalt gelagert werden, gern im 0°C-Fach des Kühlschranks. Dann hält sie locker 3-4 Wochen durch. Konventionelle Hefe macht das eher mit als Biohefe, die grundsätzlich im Alter etwas schwächer auf der Brust ist. Wann, wenn nicht jetzt, ist die beste Zeit, Hefe zu sparen? Hefe kann auch eingefroren werden. Sie kann sich dann zwar nicht mehr gut vermehren, aber sie lockert noch den Teig.
Man kann sich Hefe sogar selbst herstellen. Einfach einen ungewaschenen Bioapfel mit Kerngehäuse kleinschneiden oder reiben, mit 1 Liter Wasser und 50-100 Zucker in einer Flasche mischen, den Deckel locker anschrauben und 3-4 Tage bei Raumtemperatur reifen lassen. Jeden Tag ein paar Mal schwenken und irgendwann wird es heftig blubbern. Die Äpfel werden dann abgesiebt. Das Wasser kann dann hergenommen werden, um Brot zu backen (in Brotbackbuch Nr. 4 gehe ich näher darauf ein). Die Alternative ist Sauerteig. Der ist immer da, egal ob der Supermarkt leergekauft ist.“
Jetzt wisst ihr bescheid. Danke Lutz!
8. Süßigkeiten, Chips und Flips - wichtig bei jeder Zombie-Apokalypse
Hier rate ich zu Hamsterkäufen. Ausgenommen sind Erdnussflips und Haselnuss-Schokolade, gehört alles mir!
9. Viel trinken - auch mal keinen Alkohol (der Vorratskalkulator)
Klingt seltsam, ist aber so. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, dass ich auch gerade erst kennen gelernt habe, rät zu 14 Litern Flüssigkeit pro Person und Woche, nennt Mineralwasser, Fruchtsäfte und länger lagerfähige Getränke. Das bringt mich zum Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, auf deren Seite wird ein Vorratskalkulator für den Ernährungsnotfall angeboten:
https://www.ernaehrungsvorsorge.de/private-vorsorge/notvorrat/vorratskalkulator/ ein Riesenspaß für Alt und Jung!
10. Rotwein (auf kommende Tage!)
Schließen möchte ich mit einem Lieblingsthema, wenn es um gelungene Bevorratung geht: mit den oben schon kurz angesprochenen, länger lagerfähigen Getränken. Guter Rotwein ist kein hibbeliger Party-Drink, klein leichtes Sommervergnügen „von hohem Trinkfluss“ – guter Rotwein will Zeit und Aufmerksamkeit (check), er will etwas zu kühl serviert (check) und dann in Ruhe erschmeckt werden. Dann wird das Handwerk der Winzerinnen und Winzer zum großen Genuss!
Erhältlich bei Weinhändler*innen die teilweise jetzt auch versenden und Online-Tastings anbieten – gut infomiert bist Du über die sozialen Netzwerke.
Guter Rotwein entspannt, beruhigt und befriedet. Die Welt bleibt draußen, sie ist auch morgen noch da. Ganz sicher. Nur anders.
Weiterlesen:
soviel Eigenempfehlung sei mir als Autor erlaubt: meine Bücher kochen. und insbesondere auch mein überraschend Zombie-Apokalypse-taugliche Open Air-Kochbuch entpuppen sich jetzt auch als gute Ratgeber in der Krise – erhältlich bei den Buchhändler*innen ihres Vertrauens –
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