Er wünsche sich ein fröhliches Fest, „ohne Handyfotos und Berichterstattung“ erklärte Herausgeber Vijay Sapre, vergangenen Montag, zum Auftakt der Feierlichkeit zum 10-jährigen Geburtstag des Effilee-Magazins. Irgendwer rief aus dem Hintergrund: „Ein verlorener Abend!“ und das war exakt so lange lustig, wie der erste Teller auf dem Tisch stand – und meine Hand automatisch suchend in die Jackentasche fuhr. Im Laufe des, keineswegs verlorenen Abends, gewöhnte ich mich dran – Zeit für Erinnerungen und einen Haufen wunderbarer Menschen, die das Magazin alle irgendwie zu dem gemacht haben, was es heute ist: ein unentbehrliches, ganz eigenes Foodmagazin, ein kulinarische Wundertüte mit sorgfältig erzählten Geschichten, ansprechender Fotografie.

Die erste Ausgabe besprach ich, beinahe auf den Tag genau, heute vor zehn Jahren, hier auf NutriCulinary. Chefredakteur Vijay Sapre las damals meine Blattkritik, dachte sich: „Was ist das denn für ein Vogel!“ (Zitat) und lud mich in die Redaktion. Neben Kritik an den „Schnellen Tellern“ hatte ich auch die Idee zur „Deutschstunde“ dabei – und nach zwanzig Minuten zwei neue Jobs. Damals hatte ich noch kaum irgendwo eine Zeile veröffentlicht – die „Deutschstunde“ war meine erste feste Kolumne in einem Magazin. Und auch mein allererstes Kochbuch „Schneller Teller“ verdanke ich Vijay Sapre.

Typisch Vijay, dieses vertrauensvolle: ja, mach mal! Für das Effilee-Magazin zu arbeiten, ist bis heute eine große Freiheit, es gibt keine Denkverbote, alles ist immer auf dem Prüfstand, das Heft entwickelt sich – immer noch und jedes Mal. Dabei ist der Chef meinungsstark, aber nicht beratungsresistent, das Heft ist ein echtes Team-Magazin.

Die jetzt vorliegende Jubiläumsausgabe belegt das eindrucksvoll, ein dickes Heft, mit viel Lesestoff, opulenten Bildern, süffig, rund, gehaltvoll. Sollten Sie kein Abo besitzen und auch länger schon nicht mehr rein geschaut haben, machen Sie das mal wieder, es lohnt sich! Alleine schon wegen der Rückblicke, u.a. berichtet Alexander Kasbohm berichtet über die Anfänge in der Redaktion und hat mal nachgesehen, was die RedakteurInnen und GraphikerInnen der ersten Stunden heute so machen.

Drei-Sternekoch Christian Bau erklärt seinen Teller „Japanisches Meer“ und Fotograf Andrea Thode erinnert sich an 10 Jahre „Ein Teller“, Begegnungen mit den besten Köchen der Republik. Redaktionsleiterin, Graphikerin und Seele des Magazins ist Karen Sapre, sie war mit der Hamburger Fotografin Elissavet Patrikiou bildstarke 36 Stunden in Athen unterwegs. Nils Schiffhauer hat derweil den Dialoggarer besichtigt, die einen nennen es Mikrowelle, andere sprechen von Zauberei, bei der Effilee bevorzugt man eine eigene Meinung.

Vijay Sapre war nochmal bei Magnus Nilsson zu Gast, ich habe zuhause über den deutschen Kochbuchmarkt der vergangenen 10 Jahre geschrieben und dafür mit vielen Verlagen und Kochbuchschaffenden gesprochen. Claudia Krahne hat bei Christoph Rüffer im Haerlin vorbei geschaut und Frühstücksrezepte vom 2 Sterne-Koch mitgebracht. Thomas Struck schreibt über das kulinarische Kino der Berlinale und seine Highlights aus einem Jahrzehnt cineastischer Kulinarik.

Wie in jedem Heft hat Ursula Heinzelmann wieder Käse mitgebracht, diesmal Mishavinë aus Albanien. Berichtet wird auch über einen Korea-Kochkurs mit FoodbloggerInnen. Hinrich Sudeck schreibt über Fisch, Jennifer Mira Ackermann meldet sich aus Neufundland. Erzähltes Leben.

Jörn Kabisch hat mit Patrick Wodin gesprochen, der Koch hat das Sternerestaurant gegen eine Arbeiststelle in der Kantine eingetauscht und weiß auch, warum. Dann kommen die Weinseiten, ein kleines Heft im Heft, erhellend und informativ geschrieben von klingenden Namen der Sommelier- und Weinszene.

Und wir sind noch nicht fertig. Sebastian Bordthäuser schreibt über zehn Jahre gastronomische Entwicklungen, Irrungen und Wirrungen. Gastrokritiker verraten ihre Lieblingsrestaurants der vergangenen zehn Jahre, frische Restaurantbesprechungen gibt es natürlich auch wieder. Und Herr Thode und ich, wir haben wie immer sieben zehn neue schnelle Teller gekocht und fotografiert, diesmal zum Thema Innereien. Macht ja sonst keiner.

Wenn ich durch diese Ausgabe, die 47te übrigens, blättere, wird mir nochmal ganz feierlich zumute – das ist schon ein starkes Stück, geschrieben, fotografiert und gemacht, von einigen der besten ihrer jeweiligen Zünfte, ein einzigartiger Mix an Themen und Menschen, geeint durch die Begeisterung für alle Aspekte der Kulinarik. Ich bin stolz, seit der zweiten Ausgabe Teil des Teams zu sein und ich freue mich auf die nächste Ausgabe, auf alles, was noch kommt. Jetzt erst mal Champagner! Jaquesson, den schätzt nicht nur der Chef. Herzlichen Glückwunsch!

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